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Kultursensible Pflege von MigrantInnen: Großer Nachholbedarf

Die Anzahl der über 65-Jährigen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland wächst. Von derzeit rund 1,6 Millionen wird sie in den kommen Jahren deutlich ansteigen. Die aktuelle Flüchtlingswelle könnte zu dieser Entwicklung beitragen. Allerdings zeigt eine aktuelle Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) und der Charité – Universitätsmedizin, dass viele ambulante Pflegeanbieter noch nicht ausreichend auf die Herausforderung vorbereitet sind, Menschen kultursensibel zu pflegen. In Berlin schätzt mehr als die Hälfte (60,1 Prozent) aller in die Untersuchung einbezogenen Pflegedienste ihren Klientenanteil von Menschen mit Migrationshintergrund auf bis zu 25 Prozent. Besonders in den Bereichen kultursensibel qualifiziertes Pflegepersonal, muttersprachliche Pflege sowie leicht zugängliche Informationsangebote für ältere pflegebedürftige Migranten bestehen bei vielen Diensten geringe Kompetenzen.

In der Studie gaben die Leitungskräfte der Pflegedienste an, dass nur ein Viertel ihrer Mitarbeiter über ausreichende Sprachkenntnisse, Hintergrundwissen zu anderen Kulturen und zu Migrationsaspekten verfügt. Nur 15 Prozent der Pflegedienste bieten ihren Mitarbeitern Fortbildungen in Fragen kultursensibler Pflege.

 

Zudem zeigen sich deutliche Kommunikationsbarrieren zwischen Pflegenden und älteren pflegebedürftigen Migranten. Etwa die Hälfte der befragten Dienste bietet keine Versorgung in einer anderen Sprache als Deutsch an. Nur ein vergleichsweise geringer Teil der Dienste greift auf ein Kooperationsnetz mit muttersprachlichen Fachkräften aus dem Gesundheitsbereich, wie z. B. Ärzten oder Therapeuten, zurück. Dies wiegt umso schwerer, da eine muttersprachliche pflegerische Versorgung von den meisten älteren Migranten als besonders wichtig angesehen wird. Die Möglichkeit einer muttersprachlichen Pflege hat aber nicht nur Bedeutung für Menschen, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen gelernt haben. Insbesondere bei demenziellen Erkrankungen gehen im Lebensverlauf gelernte Sprachen verloren – oft bleibt nur die ursprüngliche Muttersprache zum Austausch.

 

Auch ist der Wissensstand zum Thema Pflege bei älteren pflegebedürftigen Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor gering. Dies ist laut Studie u. a. darauf zurück zu führen, dass die Informationen zu kultursensiblen Pflegeangeboten die unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen oft nicht erreicht. Bisher betreibt lediglich ein Drittel der ambulanten Pflegeanbieter migrationsspezifische Werbemaßnahmen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der befragten Dienste, die eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit zur Gewinnung von pflegebedürftigen Migranten realisieren, bietet keine mehrsprachigen Informationsmaterialien, zum Beispiel Webseiten, Broschüre oder Flyer an. Die Organisation von Informationsveranstaltungen für Migranten zu Themen der Gesundheitsversorgung und Pflegeangeboten wird ebenfalls nur von einem geringen Anteil (21,3 Prozent) der Pflegedienste eingesetzt. Ein weiterer Weg ist die direkte Ansprache durch Gesundheits- und Pflegelotsen innerhalb der jeweiligen ethnischen Community. Allerdings nutzen diese nur 41,3 Prozent der Dienste.

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