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Pflegeberuf: Schön – aber nein, danke

Pflegende sind stolz auf ihren Beruf, würden ihn aber aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen häufig nicht erneut ergreifen. So lautet das Ergebnis einer Umfrage der deutschen Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg (Grüne) unter 4.500 Pflegepersonen. Nahezu die Hälfte der Befragten würde demnach anderen Menschen davon abraten, einen Pflegeberuf zu ergreifen und würde sich auch nach heutigem Wissensstand nicht wieder für diesen entscheiden.

 

Als Gründe hierfür werden die nicht leistungsgerechte Bezahlung sowie Personalmangel und Zeitdruck genannt. Drei von vier befragten Pflegenden können sich darüber hinaus nicht vorstellen, bis zum Rentenalter in ihrem Beruf zu verbleiben. Hauptursache hierfür ist die hohe körperliche Belastung. Dennoch sind 85 Prozent der Beschäftigen stolz auf ihren Beruf, weil sie Menschen in schwierigen Situationen helfen können und Gutes tun möchten. Der Pflegeberuf sei zudem eine Tätigkeit, welche viel abverlange, aber auch viel zurückgebe.

 

Zu den Details der Umfrage

 

Kommentar:

 

Diese Umfrage ist eine nette politische Fingerübung, die Aufmerksamkeit signalisiert, allerdings absolut nichts Neues bringt. Tatsächlich überschreitet die Berufspflege bereits seit Jahren – nicht nur in Deutschland – permanent die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, vor allem auf Kosten der eigenen Gesundheit. Burn-out, steigende Krankenstände und Berufsflucht sind die immer häufigeren Folgen. Doch wie kann unsere alternde Gesellschaft dieser sich zuspitzenden Problematik entkommen?

 

Kurzfristig können Maßnahmen der innerbetrieblichen Personal- und Organisationsentwicklung – von der Gesundheitsförderung über flexible, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle bis hin zu einer alternsgerechten Umgestaltung der Arbeitsfelder – eine gewisse Entlastung bewirken. Nicht jedoch auf Dauer.

Langsam, zu langsam kommt die Erkenntnis in der Politik an, dass die Anzahl der Pflegenden – in Zeiten schwacher Geburtsjahrgänge und in Konkurrenz zur Arbeitskräfte suchenden Wirtschaft – nicht weiter erhöht werden kann, egal wie attraktiv man den Pflegeberuf zu gestalten bemüht ist. Auch dämmert es manchen Verantwortlichen bereits, dass der Fachkräftemangel eine logische Folge der Tatsache ist, dass wir deutlich zu viele Krankenhäuser und Pflegeheime haben. Die dadurch hausgemachte Personalverknappung führt zu einer übermäßigen und dauerhaften  Belastung, psychischen und physischen Ausbeutung und letztlich „Vertreibung“ der Pflegenden.

 

Die Lage ist bereits sehr ernst und dennoch nicht hoffnungslos. Wenn es in einer gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengung gelingt, die Anzahl der personal- und kostenintensiven Einrichtungen zu reduzieren, die längst schon fällige „De-Institutionalisierung“ von Behinderten, Kranken und Alten voran zu treiben und die Pflege verstärkt in den häuslichen Bereich „zurück“ zu verlagern – in Form von professioneller Beratung, Schulung, Unterstützung und Entlastung von Millionen pflegender Angehöriger in deren Sozialraum – dann wird eine deutliche Entspannung des (derzeit künstlich verknappten) Fachkräftemangels möglich sein. Tun wir es nicht, werden wir schon bald zu diesem Paradigmenwechsel gezwungen sein…

 

Erich M. Hofer