Wien: Sonja Wehsely geht. Was bleibt?

Zehn Jahre lang hat Stadträtin Sonja Wehsely (46) das Monsterressort Gesundheit und Soziales verantwortet, jetzt geht sie ab 26. Jänner in die Privatwirtschaft. Was bleibt von ihrer Amtszeit – im besonderen für Medizin und Pflege?

Abschied - success ahead

Das konsequente Eintreten für ihre Überzeugungen bedeutete aber auch, den Mut zur Gestaltung zu haben. Für Wehsely war immer klar: „Nur wer den Mut zur Veränderung hat, kann etwas bewegen, denn Stillstand bedeutet Rückschritt.“ Dabei ist Veränderung kein Selbstzweck. In einer sich wandelnden Gesellschaft muss auch ein System den neuen Herausforderungen angepasst werden, damit soziale Errungenschaften erhalten und weiterentwickelt werden können. Dieser Gestaltungswille für ein soziales Wien spiegelt sich in zahlreichen Projekten und Maßnahmen wider.

StR_Wehsely_11-2009

Die Bilanz ist durchwachsen. Dennoch kann Wehsely auf wegweisende Weichenstellungen und Erfolge verweisen. So konnten große Projekte wie das Geriatriekonzept oder die Mitgestaltung der Gesundheitsreform erfolgreich abgeschlossen und zahlreiche weitere auf den Weg gebracht werden. Die scheidende Stadträtin stellte bei ihrer Abschiedspressekonferenz sowohl erfolgreich abgeschlossene Projekte als auch die Weichenstellungen für die Zukunft vor:

Einige abgeschlossene, mehrjährige Großprojekte:

  1. Umsetzung des Geriatriekonzeptes 2007-2015:
    Hier wurden 36 Pflege- und Pensionistenwohnhäuser neu errichtet oder generalrenoviert und die alten Häuser – insbesondere das riesige „Geriatriezentrum Am Wienerwald“ (vormals Pflegeheim Lainz) – geschlossen. Parallel dazu wurden die Leistungen im ambulanten Pflegebereich massiv ausgebaut.
  2. Gesundheitsreform 2013:
    Wien war hierbei die treibende und gestaltende Kraft. Mit dem partnerschaftlichen Zielsteuerungssystem soll die bestmögliche medizinische Behandlung in den Mittelpunkt gestellt und das solidarische Gesundheitswesen weiter gestärkt werden.
  3.  Psychiatrische Versorgung:
    Die Infrastruktur der Psychosozialen Dienste wurde umfassend erneuert und die psychiatrische Betreuung dezentralisiert.
  4. Ausbildungsreform für die Gesundheits- und Krankenpflege (GUKG-Novelle 2016):
    Gemeinsam mit den übrigen Bundesländern, dem Berufsverband ÖGKV und dem BMG wurde das Ausbildungssystem durchlässiger gestaltet, mit der „Pflegefachassistenz“ eine neue Berufsgruppe geschaffen und die künftige Grundausbildung des gehobenen Dienstes auf die Fachhochschulen übergeführt.
  5. Sucht- und Drogenpolitik:
    Ein etabliertes Hilfenetzwerk von ersten Anlaufstellen gewährleistet  niederschwellige Angebote für Betroffene und deren Umfeld.
  6. Wiener Gesundheitsförderung (WiG):
    Mit der Gründung wurde 2009 eine Ansprech- und Kompetenzstelle geschaffen und das Knowhow gebündelt.
  7. Neue Zusammenarbeit von AKH und MedUni Wien wurde völlig neuer Vertragsbasis etabliert.

 

Für die Zukunft gestellte Weichen:

  1. Spitalskonzept 2030/Medizinischer Masterplan:
    Mit diesen beiden Plänen soll die medizinische Versorgung der Bundeshauptstadt grundlegend neu aufgestellt werden. Die städtischen Krankenhäuser wandeln sich zu spezialisierten Kompetenzzentren, einige Häuser wurden geschlossen oder zum Pflegezentrum umgewandelt. Neu erbaut wird derzeit das Krankenhaus Nord mit 800 Betten, dessen Eröffnung für etwa 2020 erwartet wird.
  2. Pflege und Betreuung 2030:
    Mit dem neuen Strategiekonzept werden die Weichen für eine moderne, leistbare Pflege und Betreuung für die nächsten 15 Jahre gestellt und die Erhaltung bzw. Wiedererlangung der Selbstständigkeit älterer Menschen in den Fokus gerückt.
  3. Primär- und ambulante fachärztliche Versorgung:
    Die hausärztliche Versorgung soll nun im Rahmen der Primärversorgung für ÄrztInnen attraktiver und durch neue strukturelle Zusammenarbeit verschiedener Gesundheitsberufe und wohnortnahe Versorgung für PatientInnen leistungsfähiger werden.
  4. Gesundheits-Hotline TEWEB:
    Das Telefon- und webbasierte Erstkontakt und Beratungsservice steht Ratsuchenden täglich rund um die Uhr zur Verfügung.
  5. Psychiatrisch-Psychosomatischer Versorgungsplan Wien (PPV):
    Im Rahmen des PPV, den der Krankenhausverbund (KAV) gemeinsam mit dem Psychosozialen Dienst (PSD) derzeit erarbeitet, wird das Angebot in den Bereichen Erwachsenenpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Behindertenpsychiatrie und in der Psychosomatik definiert und bis 2030 zukunftsfit gemacht.

 

Wehsely hatte in den vergangenen Jahren verschiedenste Krisen zu bewältigen: So etwa rebellierten die Ärzte gegen die neue, EU-konforme Arbeitszeit- und Gehaltsregelung in den Spitälern und organisierten im September 2016 einen Warnstreik. Seit Monaten ist Wehsely zudem Zielscheibe der oppositionellen und medialen Kritik wegen des dramatischen Kostenanstiegs und der enormen Verzögerungen beim Neubau des Krankenhaus Nord. „Die letzten 20 Jahre meines Lebens waren hervorragend. Denn im Grunde war es schon so, dass ich in 99 von 100 Tagen gern in der Früh ins Rathaus gekommen bin“, beteuerte Wehsely. Auch mit ihrer Bilanz als Stadträtin zeigte sie sich zufrieden: „Ich freue mich darüber, dass diese zehn Jahre sehr rund waren.“

 

Während Wiens Landeshauptmann und Bürgermeister Dr. Michael Häupl volles Verständnis für den beruflichen Wechsel von Sonja Wehsely äußerte, wurde ihr Abtreten von der Opposition am heutigen Freitag, den 13. gar als „Glückstag“ (ÖVP) begrüßt. Der grüne Koalitionspartner in der Landesregierung Wiens hofft indes auf eine rasche Nachfolgeregelung.

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