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10. Wiener Schmerztag am 09. März 2018: Chronischen Schmerz mit Cannabis lindern – Wunderdroge oder nicht?

Cannabis ist derzeit „in aller Munde“. Besonders in der Schmerztherapie gilt der Einsatz von cannabishältigen Medikamenten als großer Hoffnungsträger. Doch sind diese Hoffnungen berechtigt? Eine aktuelle Studie belegt nun, dass eine Therapie mit Cannabinoiden vor allem bei chronischem Schmerz vielversprechende Ergebnisse erzielt, sagt Dr.in Astrid Pinsger-Plank (Orthopädisches Spital Speising) als Präsidentin des Schmerzverbandes, die am 10. Wiener Schmerztag am 9. März im Wiener Rathaus einen Vortrag über den sinnvollen Einsatz von Cannabinoiden in der modernen Schmerztherapie halten wird.

Unsicherheit bei Ärzten trotz nachgewiesener Wirksamkeit

Porträt_Dr. Astrid Pinsger-Plank (by Robert Herbst)Synthetisch hergestellte oder aus der Hanfpflanze gewonnene Cannabinoide erleben seit einigen Jahren eine Renaissance in der Medizin. In einigen Ländern wie den USA und Deutschland wurde die Rechtslage angepasst, sodass diese in ihren Wirkungen sehr vielseitigen Substanzen nun auf legaler Basis breiter zum Einsatz kommen können. In der medizinischen Fachwelt wird zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass es im Hinblick auf ihren Einsatz nach wie vor an klinischen Studien mangle, doch erschien Anfang 2017 eine umfangreiche Publikation in der National Academies Press, die eine gesammelte Auflistung und Beurteilung aller bisher in englischer Sprache verfügbaren Studien zu den am Markt erhältlichen Substanzen präsentierte. Das Ergebnis: Es konnte klar gezeigt werden, dass der Einsatz von Cannabinoiden in ausgewählten Indikationen, etwa dem chronischen Schmerz, eindeutig wirksam ist.

Zurückhaltender Einsatz von Cannabinoiden in Österreich

Dr.in Astrid Pinsger-Plank weist darauf hin, dass viele Ärzte, trotz vorliegender Evidenz, den Einsatz von Cannabinoiden bei chronischen Schmerzerkrankungen scheuen. Zum Einen spielten dabei die seltene Kostenübernahme und die damit verbundenen hohen Kosten für die Patienten vor allem bei längerfristiger Gabe eine Rolle, zum Anderen mangle es an fundierten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten – es herrsche einfach Unsicherheit. Pinsger-Plank: „Es ist wünschenswert die Verschreibung der unterschiedlichen auf dem Markt verfügbaren Präparate seitens der Kostenträger zu erleichtern, um den gerechtfertigten medizinischen Einsatz von Cannabinoiden fest zu verankern und gleichzeitig Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, um Kompetenzen auf diesem Gebiet zu erlangen und damit auch die Sorge des missbräuchlichen Einsatzes möglichst gering zu halten.“

Welche medizinischen Anwendungsgebiete gibt es für Cannabis?

Schmerzlindernd, appetitanregend, immunmodulierend – die Bandbreite der verschiedenen von Cannabinoiden Cannabis Photo by Matthew Brodeur on Unsplashhervorgerufenen Effekte ist groß. Außerdem sind Cannabispräparate im Vergleich zu vielen anderen Pharmazeutika vergleichsweise ungefährlich – zumal sie in der Medizin kontrolliert und in geringeren Dosen eingesetzt werden als beim Konsum als Genussmittel. Nicht nur eine direkte schmerzlindernde Wirkung, sondern auch die Beeinflussung von Schlaf, Muskelentspannung sowie Opiat-sparende Effekte scheinen für positive Entwicklungen unter einer Cannabinoid-Therapie verantwortlich zu sein. Darüber hinaus weisen die verfügbaren Cannabinoid-Präparate ein gutes Nebenwirkungsprofil auf.

Cannabinoide helfen zum Beispiel bei multipler Sklerose gegen Spasmen und neuropathische Schmerzen sowie gegen Übelkeit und Erbrechen, die durch die Chemotherapie bei Krebs hervorgerufen werden. Es gibt auch Indizien dafür, dass Cannabinoide der Entstehung von Diabetes und Arterioskleose vorbeugen.

Ausblick der Expertin

Pinsger-Plank betont: „Zum derzeitigen Wissensstand ist es genau so sinnlos, Cannabinoide in Bausch und Bogen zu verteufeln wie sie als Wundermittel hochzustilisieren. Fakt ist: Cannabinoide können bei einigen Indikationen eine wertvolle Hilfe darstellen. Es wird Aufgabe der Zukunft sein, Ärzten die Möglichkeit geben, Expertise auf dem Gebiet der Cannabinoide zu erlangen. Dazu müsste aber einerseits die Verschreibung der derzeit zugelassenen Präparate durch die Kostenträger erleichtert werden, andererseits Ärzten die Möglichkeit geben werden, sich umfassend zu informieren um Kompetenz und Expertise auf dem Gebiet der Cannabinoide zu erlangen. Dazu gehört auch, eine standardisierte Dokumentation des individuellen Therapieverlaufs zu etablieren, um das Ansprechen auf eine Cannabinoid-Medikation bewerten zu können. Diese könnte dabei als Entscheidungshilfe für alle Beteiligten und als Basis für eine konstruktive, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Patienten, verschreibenden Ärzten und Kostenträgern dienen.“