Humor und Suizidalität: Darüber lacht man doch nicht, oder?

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Humor

Wie passen Humor und Suizidalität zusammen? Auf den ersten Blick gar nicht, lautet die vorherrschende Meinung. Unsere Autorin nähert sich diesem vermeintlichen Tabubruch unter einem anderen Blickwinkel und plädiert dafür, mehr Humor in den psychiatrischen Pflegealltag zu integrieren.

Die allgemeine Meinung zum Thema Sterben und Tod und vor allem im Hinblick auf Suizidalität lautet: Da gibt es nichts zu lachen und darüber lacht man auch nicht. Die Lage ist ernst, es gibt keinen Grund zur heiteren Gelassenheit. Trotzdem oder gerade deswegen sollten wir „Humor“ in unsere Arbeit als psychiatrisch Pflegende etablieren. Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass Humor Hemmungen löst, verdrängte Affekte reaktiviert und einen spontaneren Austausch menschlicher Gefühle ermöglicht. Humor setzt kreative Potenziale frei, aktiviert Entscheidungsprozesse und sensibilisiert für neuartige Zusammenhänge.

Liebevoller Humor
Humor ist gottgegeben, jeder hat ihn. Aber Humor ist eine so individuelle Sache wie der eigene Fingerabdruck, daher ist Feingefühl gefragt. Denn so viel Gutes, wie durch richtig eingesetzten Humor erreicht werden kann – so zerstörerisch und verletzend kann Humor sein, der unreflektiert und aus negativen Gefühlen angewendet wird. Laut Volksmund kann man Humor verlieren oder hat man einen Sinn dafür. Er ist da, wenn man trotzdem lacht.

Oberstes Gebot im Einsatz von Humor ist jedoch, dass er von einem eigenen zufriedenen Selbst ausgeht und stets aufbauend und liebevoll gemeint ist. Humor, der aus Verärgerung und Negativität entsteht, ist trotz jeder Art der Bemühung fehl am Platz und würde sofort die Beziehung zum Patienten gefährden oder zerstören. Das Beziehungsangebot sollte verbindlich, verlässlich und strukturiert sein, um mit Humor arbeiten zu können. Hier lassen sich die Aspekte Zuwendung und Verstehen, echt sein, Wahrnehmen und Reflektieren sowie kongruent und im Einklang sein, aus der personenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers mit in die Anwendung einbeziehen.

Menschen humorvoll, spielerisch und würdevoll zu begegnen, bedeutet, sie in ihrem Kern, ihrem Wesen ernst zu nehmen und sie wertzuschätzen.

Präventiver Humor
Warum aber eignet sich nun Humor zur Suizidprävention? In meiner Ausbildung zum Clown habe ich gelernt, dass Clowns genau wie Kinder immer im Hier und Jetzt leben. Sie befassen sich nicht mit Ängsten, die sich bei dem Gedanken an die Zukunft entwickeln. Bedrückende Symptome kommen nicht auf, weil sie nicht mit den Gedanken in der Vergangenheit leben. Sie nutzen das Geschenk, Gefühle skrupellos und schnell wechseln zu können. Ein Beweis dafür: Kleine Kinder sind nicht nachtragend, Clowns auch nicht.

Nun ist es von Vorteil, dass wir Erfahrungen der Vergangenheit und zu erwartende Sanktionen aus der Zukunft miteinander abwägen können und so eine Einschätzung treffen, ob sich ein Tobsuchtsanfall inmitten eines Bewerbungsgesprächs förderlich auf die Karriere auswirkt. Dennoch wird dem Patienten, im Gespräch oder durch Rollenspiele, ein realitätsbezogener Perspektivenwechsel angeboten, indem er aus einem sicheren Hier und Jetzt beispielweise auf ein unsicheres Dort und Damals blicken kann. In der Humorgruppe lernen die Patienten hier vor allem auch voneinander. So werden gerne vermeintlich peinliche Situationen nachgespielt und gemeinschaftlich humorvolle Lösungen gesucht. Bei diesem humorvollen Perspektivenwechsel bleibt der Mensch handlungsfähig, denn er erkennt die Realität an, leugnet sie nicht oder ersetzt sie durch Illusionen. Bewusst wird sich über sie hinweggesetzt.

Es zeigt sich also, dass Humor zu einer der wichtigsten Ressourcen zählt, wenn es um die Förderung der Resilienz geht. Hier ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir aus den Patienten keine Clowns machen wollen, sondern lediglich – ähnlich wie bei einem Achtsamkeitstraining – die Wahrnehmung schärfen. Es geht auch nicht um Phrasen, wie „denk positiv“ oder „das wird schon wieder“, sondern darum, in der Ich-Handlungsfähigkeit bleiben zu können, gerade weil ein Erlebnis so tragisch war oder ist.

Thieme - PPH

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Quelle: Aus der Zeitschrift PPH 03/2018

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