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Luxemburg: Altenhilfe heute – Alles beim Alten?

 

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Jeder feierliche Anlass zum Rückblick verleitet leicht zur nostalgischen Verklärung der Vergangenheit. Ja, früher … – Seit diesem Jahr besteht das „Zentrum für Altersfragen (RBS)“ in Luxemburg bereits 30 Jahre. Doch ist das „Früher“ auch hilfreich, um die Herausforderungen einer von Ökonomisierung und einer zunehmenden „Standardisierung“ von Prozessen und MitarbeiterInnen geprägten Altenhilfe von heute zu bewältigen?

Gastbeitrag von Simon Groß

 

Schaut man sich die Themen der Altenhilfe an, die nach wie vor im Mittelpunkt stehen, dann könnte man schon meinen, dass alles beim Alten geblieben ist. Schnell ist gesagt: „Das ist doch nichts Neues. Damit haben wir uns schon vor 20 Jahren beschäftigt.“ Demenz, Einsamkeit, Depression, personelle Engpässe, Dokumentation, Ansehen des Pflegeberufs, die Liste ist lang und doch nicht überraschend. Wer Altenhilfe sagt, spricht oft über Defizite, Kosten und Belastung. Das hat sich nicht verändert.

Ökonomisierung fördert eine standardisierte Altenhilfe

Doch die Antworten von gestern lösen die Fragen von heute keineswegs auf. Denn der Altenbereich hat sich grundlegend verändert. Was vor 30 Jahren noch kleine, vereinzelte „Familienbetriebe“ waren, hat sich längst zu einem eigenen Wirtschaftszweig entwickelt. Das verändert mehr als man glaubt. Heute geht es um Rechte und Pflichten, Abrechnungsvorgaben, Effizienz, Auslastung, Gewinn, eben Themen, die in der klassischen Industrie schon immer im Vordergrund standen.

Parallel drängt diese wachsende Branche die individuellen Bedürfnisse der zunehmend älteren Pflegebedürftigen in den Hintergrund. Nicht weil das jemand bewusst will, sondern weil die zu beobachtende Industrialisierung der Altenhilfe das Verhalten aller Beteiligten verändert. Große Unternehmen können nur bestehen und auch Gewinne erwirtschaften, wenn die verwendeten Verfahren und Prozesse standardisiert und automatisiert werden.

Dieses Prinzip gilt auch für Träger der ambulanten und stationären Altenpflege. Es hat allerdings den Nachteil, dass für individuelle Wünsche von Pflegebedürftigen kaum Zeit bleibt. Denn Mitarbeiter*innen (und Pflegebedürftige eigentlich auch) müssen sich standardisierter verhalten, um die Vorgaben des Unternehmens und der Pflegeversicherung angemessen erfüllen zu können. Das führt dazu, dass einerseits kaum Platz für zeitraubende Extras der Pflegebedürftigen bleibt.

Andererseits wirkt sich das auf die Einstellung und Arbeitshaltung der Mitarbeiter*innen aus. Daher versuchen heute große Unternehmen durch Fortbildungsmaßnahmen die Kompetenzen, Werte und den Umgangston ihrer Mitarbeiter zu standardisieren. Schließlich können sie sich nicht darauf verlassen, dass sich Mitarbeiter*innen ihrem Betrieb familiär verbunden fühlen sowie die passende Persönlichkeit und Kompetenz mitbringen. Daher wird in die Mitarbeiter*innen „investiert“, um eine hohe Qualität zu erzielen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erleichtern.

Betriebsinterne Fortbildung – Chance oder Pflichtübung?

Das klappt leider gar nicht so gut. Hier ist keineswegs alles beim Alten. Häufig fehlt es an Motivation, sich wirklich ernsthaft auf Bildungsangebote des Unternehmens einzulassen. Schließlich merken Mitarbeiter*innen sehr wohl, welches Ziel ihr Arbeitgeber verfolgt und sehen das oft nicht als eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Es ist eben ein großer Unterschied, ob man etwas aus eigenem Antrieb macht oder ob man es tun muss, weil es von „oben“ angeordnet wird.

Vielleicht ist das die neue Herausforderung für den RBS – Center fir Altersfroen: Ergänzende Alternativen zu betriebsinternen Fortbildungen anzubieten, die für Mitarbeiter so attraktiv sind, dass sie sich gerne anmelden. Heute wie vor 30 Jahren geht es dem RBS darum, eine bessere Altenhilfe durch Bildung zu ermöglichen. Doch die Anforderungen an Fortbildungen haben sich in unserer rasanten Zeit verändert: Mehr Wissen in kürzerer Zeit! Theoretische Fundierung bei gleichzeitiger Verständlichkeit, einfacher Anwendbarkeit und hohem praktischen Nutzen! Inspirierende Referenten, die ermöglichen, eine komplexe Thematik ohne Vorwissen zu verstehen!

Klingt ein wenig nach Kinderüberraschung, die auch nicht immer sinnvoll ist. Daher gilt für den RBS in Zukunft noch mehr: Nichts ist unmöglich, solange es die Altenhilfe voranbringt!

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Über den Autor:

Diplom-Psychologe Simon Groß ist seit 15 Jahren Direktor des Zentrums für Altersfragen (RBS) in Luxemburg. Für Vorträge erreichen Sie den Autor auf seiner eigenen Website: https://midlife.lu