Neue Wege im Burgenland: Pflegende Angehörige werden angestellt und entlohnt

Im Burgenland will die rot-blaue Koalition das Sozialhilfegesetz novellieren, um die Basis zur Umsetzung des „Zukunftsplans Pflege“ zu schaffen.

Bgld._Sozialhilfegesetz

Burgenlands Soziallandesrat Christian Illedits (m.) informierte gemeinsam mit LAbg. KO Géza Molnár (li.) und LAbg. Christian Drobits über die Neuerungen im Sozialhilfegesetz

 

Die Landesregierung hat die Novelle am 02. Juli beschlossen, im September soll diese vom Landtag verabschiedet werden und ab 1. Oktober 2019 in Kraft treten. Die Novelle sieht aber auch ausdrücklich eine Evaluierung des „Anstellungsmodells“ durch die Landesregierung bis spätestens 31. März 2022 vor; danach soll über eine allfällige Anpassung, Verlängerung oder das gänzliche Auslaufen entschieden werden.

Kernpunkt der Neuerung: Für Angehörige, die einen Verwandten der Pflege-stufen 3 bis 5 betreuen, wird die Möglichkeit geschaffen, sich anstellen zu lassen.

Das Land Burgenland plant – nach skandinavischem Vorbild(?) – mit dieser Novelle des Sozialhilfegesetes die häusliche Pflege- und Betreuung durch Angehörige auf staatliche Beine zu stellen. Pflegende Angehörige sollen die Möglichkeit erhalten, in ein Dienstverhältnis mit der neuen „Pflegeservice Burgenland GmbH“ einzutreten und können dann – je nach Pflegestufe des Pflegebedürftigen – bis zu 1.700 Euro netto pro Monat (für 40 Wochenstunden) verdienen. Bedingung ist eine davor zu absolvierende theoretische Heimhilfe-Ausbildung, parallel dazu ist eine praktische Ausbildung bei einer stationären Einrichtung erforderlich. Innerhalb eines Jahres muss über die ganze Ausbildung eine Prüfung abgelegt werden; die Ausbildungskosten werden vom Land getragen.

Die Anstellung wird ab 1. Oktober 2019 möglich sein (Anfragen ab sofort möglich unter der Pflege-Hotline: 057-600-1000). Der Mindestlohn soll künftig für alle Träger von Pflegeeinrichtungen Voraussetzung sein, damit das Land mit ihnen eine Tagsatzvereinbarung abschließt.

Die Pflegebedürftigen wiederum schließen einen Vertrag mit derselben „Pflegeservice Burgenland GmbH“ und müssen dafür den Großteil des zustehenden Pflegegeldes sowie ihres Einkommens bzw. ihrer Rente (über dem Sozialhilfe-Richtsatz) abliefern. Einen Rechtsanspruch dafür gibt es nicht, die Maßnahme ist zudem mit den im Landesbudget vorgesehenen Mitteln begrenzt. Die Entlohnung der Angehörigen ist vergleichsweise hoch und liegt umgerechnet auf den SWÖ-KV (vormals: BAGS) im 22. Dienstjahr einer Heimhilfe oder im 12. Dienstjahr einer Pflegeassistenz. Zur genauen arbeitsrechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses Pflegebedürftige – Angehörige – Pflegeservice GmbH sagt das Gesetz nichts, allerdings soll es dazu Förderrichtlinien des Landes geben.

Modell soll auch mehr Menschen für Pflegeberuf begeistern
Illedits: „Es wird drei Anstellungsmodelle für die Pflegestufen 3, 4 und 5 geben, wobei die Pflegestufe das Ausmaß der Anstellung – 20, 30 oder 40 Stunden – bestimmt. Wir wollen mit einer angemessenen Bezahlung mehr Menschen für diesen Beruf begeistern und vielleicht auch dazu motivieren, nach Ende der Pflege des Angehörigen weiter in diesem Bereich tätig zu sein“.

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Voraussetzung für eine Anstellung ist ein Verwandtschaftsverhältnis bis zur 2. Parentel – d.h. Ehepartner/in (auch eingetragene Partner/in und Personen, die miteinander in einer Lebensgemeinschaft leben und deren Kinder und Enkelkinder), Verwandte in gerader Linie (Großeltern, Eltern, Kinder, Enkelkinder; auch Wahleltern/-kinder) und Verwandte zweiten und dritten Grades in der Seitenlinie (Seitenlinie: Bruder/Schwester, Tante/Onkel, Nichte/Neffe), Verschwägerte in gerader Linie und Verschwägerte zweiten Grades in der Seitenlinie.

Beim Ausfall des Pflegenden etwa durch Krankheit soll es aus einem Pool eine Ersatzpflege geben oder eine vorübergehende Kurzzeitpflege in einer stationären Einrichtung erfolgen. Die Mehrkosten sollen durch eine Erhöhung der Tagsätze durch das Land abgedeckt werden, verspricht Sozial-Landesrat Illedits, der für diese Maßnahme eine Image- und Informationskampagne ankündigte.

Landesweite Informationsveranstaltungen für pflegende Angehörige ab 01. Oktober
Um alle Burgenländerinnen und Burgenländer umfassend über das Modell in Kenntnis zu setzen, werden im Oktober dieses Jahres in allen Bezirken Informations-Abende stattfinden. Die Auftaktveranstaltung wird gleichzeitig mit dem Start des Modells am 1. Oktober 2019 um 19.00 Uhr in Schattendorf stattfinden. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind zu diesen Veranstaltungen willkommen. Neben Soziallandesrat Christian Illedits werden die Geschäftsführung der KRAGES und Pflegeservice Burgenland GmbH sowie Pflege- und Sozialberaterinnen anwesend sein.

>> Nähere Infos hier

 

Kommentar:

Ein ebenso mutiger wie zukunftsweisender Schritt der Burgenländer, pflegende Angehörige durch eine Anstellung sozial abzusichern und zugleich enorme Kosten zu sparen, wenn durch diese Maßnahme mehr und mehr Pflegebedürftige länger im vertrauten häuslichen Umfeld verbleiben können und nicht ins Pflegeheim müssen. Dieses Modell ist auch für höhere Pflegestufen (4 bis 7) geeignet, wenn spezielle – den qualifizierten Pflegeberufen gesetzlich vorbehaltene – Pflegeleistungen mittels Pflegegeld zugekauft werden müssen.

Nach der ersten Evaluation im Jahr 2022 wird sich (hoffentlich) die Richtigkeit dieses innovativen Weges in eindeutigen Zahlen belegen lassen und dessen engagierte Fortsetzung auch politisch legitimieren. Dann werden wohl auch die übrigen acht Bundesländer schrittweise folgen – oder eine bundesweite Ausrollung ähnlich dem Bundespflegegeld erfolgen (ab 1993 erfolgt nach dem Vorreiter-Modell des Landes Vorarlberg).

Erich M. Hofer

> Hintergrund-Info: Die Anstellung von pflegenden Angehörigen am Beispiel Dänemarks (PDF)

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