Rückblick Medicinicum Lech 2019: Am entscheidenden Wendepunkt für Mensch und Umwelt

Lech-Publikum

Die elementare Bedeutung der Umwelt als Wurzel unserer Gesundheit oder krankmachender Faktor wurde lange Zeit sträflich vernachlässigt. Zum Leitthema des Public-Health-Symposiums gewählt, eröffnete sich in den vergangenen vier Tagen ein spannendes Panoptikum der vielfältigen Umwelteinflüsse und damit ein breites Diskussionsfeld. Expert/innen verschiedenster Fachbereiche gaben Einblick in den Stand der Forschung und wertvolle Tipps für eine gesunde Lebensführung. Aufgeworfen wurden damit zugleich die drängendsten Fragen unserer Gegenwart. Denn die Ökologie ist nicht nur Schlüssel zur Gesundheit, sondern auch zu unserer aller Zukunft. 

Das Themenspektrum des heurigen Medicinicum Lech bot einige Überraschungen. Vermeintliche Randaspekte der Medizin und Heilkunde wie Schlafforschung oder der Biophilia-Effekt fanden sich darunter ebenso wie hochbrisante Problemfelder von globaler Bedeutung: angefangen beim Klimawandel über die Zusammenhänge von nachhaltiger Landwirtschaft und gesundheitsfördernder Ernährung bis hin zum Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie. Die gemeinsame Klammer der bunten Themenpalette wurde im Titel deutlich: „Der gesunde Mensch in einer gesunden Umwelt. Ökologie als Schlüsselfrage für unsere Gesundheit und Zukunft.“ Zu diesem Leitthema waren vom 4. bis 8. Juli zahlreiche namhafte Experten nach Lech am Arlberg geladen. Deren hochkarätige Vorträge ergänzten sich zu einem beeindruckenden Panorama über die vielfältigen Einflüsse der Umwelt auf unsere Gesundheit. Dank der Interdisziplinarität des Public-Health-Symposiums wurden die komplexen Zusammenhänge deutlich und entstanden fesselnde fachübergreifende Diskussionen. Schließlich ging es um einige der brennendsten Fragen unserer Zeit.

Ziel des heurigen Medicinicum Lech war es, einerseits den so bedeutenden wie mannigfaltigen Einfluss von Umweltfaktoren auf unsere Gesundheit zu beleuchten. Dabei wurden unter anderem Themen angesprochen, die andererseits als zentrale ökologische Herausforderungen unserer Zeit weit über die Gesundheitsvorsorge hinaus reichen. „Die Wechselwirkungen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Umwelt in Kombination mit der persönlichen Lebensweise werden zur Schlüsselfrage unserer Gesundheit und Zukunft“, brachte es der wissenschaftliche Leiter des Medicinicum Lech Prof. Markus M. Metka auf den Punkt. Damit zeigte sich die viertägige Veranstaltung ganz am Puls der Zeit und widmete sich nicht zuletzt auch der Entwicklung sowie Diskussion nachhaltiger Zukunftsperspektiven.

Umfassender Einfluss der Umwelt auf unsere Gesundheit 
Nach dem erfolgreichen Auftakt am Donnerstag im voll besetzten sport.park.lech, unter anderem mit einem fulminanten Impulsreferat des Philosophen Richard David Precht, folgte am Freitag ein bunter Vortragsreigen zu diversen gesundheitlichen Umweltfaktoren. Den Anfang machte der zweite wissenschaftliche Leiter des Medicinicum Lech, Prof. DDr. Johannes Huber, der über neueste Anti-Aging-Strategien in einer gefährdeten Umwelt referierte. Es folgte der Vortrag des Biologen Dipl.-Ing. Clemens G. Arvay unter dem Titel „Der Biophilia-Effekt: Heilung aus dem Wald“. Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erklärte der Bestsellerautor, inwieweit Pflanzen mit unserem Immunsystem kommunizieren und der Wald als hochkomplexer Lebensraum ein wahrer Gesundbrunnen für Körper und Seele ist.

Des Weiteren referierte der bekannte Chronobiologe und Arzt Dr. Jan-Dirk Fauteck, wissenschaftlicher Leiter der European Academy of Preventive and Anti-Aging Medicine, zum Thema „Licht – die Störfaktoren unserer inneren Uhr“. Als einer der renommiertesten Experten auf diesem Gebiet brachte er überraschende Fakten wie zum Einfluss des unsichtbaren Nahinforarot-Lichtes auf unsere Gesundheit und gab zahlreiche Ratschläge, wie Licht als Taktgeber des menschlichen Organismus gezielt eingesetzt werden kann. Ebenso spannend gestaltete sich anschließend der Vortrag des Schlafpsychologen und Mediziners Prof. Dr. Günther Amann-Jennson, der u. a. die zentralen Einflussfaktoren für einen gesunden Schlaf erläuterte. Äußerst relevant, denn 80 % der Erwerbstätigen haben Schlafprobleme oder Schlafmangel.

Am Freitagnachmittag gab der Theologe und Biodiversitätsexperte Erich Stekovics zunächst eine amüsante Anekdote zum Besten. Aus Zufall traf er in einem Wiener Haubenlokal auf einen chinesischen Minister, der ihn aufgrund der Begeisterung über den Geschmack von Stekovics’ Tomaten als Berater für Biolandwirtschaft nach China einlud. Des Weiteren berichtete der begeisterte und bekannte Gemüsebauer über den Strukturwandel in der heimischen Landwirtschaft. Im Anschluss daran referierte Dr. Gerhard Drexel, Vorstandvorsitzender von SPAR Österreich, über das im positiven wie im negativen Sinn wechselseitige Zusammenspiel von Umwelt, Lebensmittel und Gesundheit. Abschließend kam am Freitag auch noch das Thema Mikroplastik und dessen Wirkung auf das menschliche Hormonsystem zur Sprache.

Brandheiße Themen – von Allergien bis zur „Akte Glyphosat“  
In den Samstag gestartet wurde mit dem Vortrag von Mag. Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Zentral- und Osteuropa sowie Obmann von Greenpeace Europa, über „Klimawandel und der Einfluss auf unsere Gesundheit“. Unter Schilderung der drastischen Folgen der derzeitigen Entwicklung sprach er einem grundlegenden Transformationsprozess das Wort und sieht als wichtigste Maßnahme eine ökosoziale Steuerreform. Schließlich gehe es um nicht weniger als das Überleben der Menschen. Ein Umdenken der Politik forderte im Anschluss auch Prof. Dr. Hans-Peter Hutter, stellvertr. Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien. In seinem Vortrag „Der lange Arm der Luftverunreinigungen: Auswirkungen auf die Kindergesundheit“ gab er einen vertiefenden Einblick in die laut WHO größte Gesundheitsgefährdung weltweit. So sind durch die Luftschadstoffbelastung nicht nur die Atemwege, sondern über den Blutkreis auch andere Organe wie das Gehirn betroffen, was erwiesenermaßen zu kognitiven Beeinträchtigungen führt und eine Ursache für Alzheimer sein könnte.

Anschließend stellten sich Vertreter der Schüler- und Studentenbewegung „Fridays for Future“ aus Vorarlberg einer Publikumsdiskussion. Die Debatte gewann schnell an Fahrt und zeigte sich durchaus kontrovers. So forderte etwa Markus M. Metka von den Jugendlichen ein radikaleres Auftreten ein. Diese verwiesen diesbezüglich auf die Notwendigkeit, weite Teile der Jugend bzw. der gesamten Bevölkerung für das Anliegen zu gewinnen. Zudem betonten sie, dass nicht nur demonstriert wird, sondern auch zahlreiche andere Aktionen zur Bewusstseinsbildung gesetzt werden. Als die Jugendlichen darüber berichteten, dass sie in Kontakt mit Gewerkschaften sind und gerade am Planen eines Generalstreiks, ernteten sie starken Applaus. Zum Abschluss des Vormittags referierte der wissenschaftliche Leiter des Medicinicum Lech über ein alljährliches Kernthema: die Ernährung als bedeutenden Umweltfaktor und somit auch Gesundheitsfaktor. Zudem wusste er von der neu geschmiedeten Allianz gegen zu viel Zucker gemeinsam mit einigen Medizinern zu berichten.

Am Nachmittag widmete sich Prim. Dr. Hans Concin, Präsident des Arbeitskreises für Vorsorge- und Sozialmedizin, der Volkskrankheit Nummer eins. Unter dem Titel „Warum nehmen die Allergien immer mehr zu? Ist die Umwelt schuld?“ ging er insbesondere auf die Hygienehypothese ein, laut der die frühkindlichen hygienische Bedingungen bei der Entwicklung von Allergien eine entscheidende Rolle spielen. So zeigt sich, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, deutlich seltener an Asthma, Heuschnupfen oder anderen Allergien erkranken. Es dürfte von Vorteil sein, im Säuglingsalter in Kontakt mit möglichst vielen verschiedenen Bakterien zu kommen. Denn hat das Immunsystem nichts zu tun, suche es sich einen Feind, so Concin.

Die „Akte Glyphosat“

Im folgenden Vortrag gab der Umweltchemiker DI Dr. Helmut Burtscher-Schaden von Global 2000, Mitinitiator der Initiative „Stopp Glyphosat“, spannende Einblicke in die „Akte Glyphosat“. Vom arglistigen Vorgehen des Konzerns Monsanto bis zum Versagen der Behörden offenbarte sich der Bericht des erfolgreichen Aktivisten nahezu wie ein Krimi. Höchst spannend gestaltete sich auch die abschließende Podiumsdiskussion zum Titel „Das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie. Führt eine entfesselte Ökonomie zum ökologischen Desaster?“ Gerhard Drexel, Alexander Egit, Hans-Peter Hutter, Markus M. Metka und der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Hartmut Schröder debattierten dabei u. a. über zielführende Strategien, was Bewusstseinsbildung für die notwendige Wende in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft betrifft, um dem Klimawandel zu begegnen.

Zur Zukunft von Mensch und Mutter Erde 
Den Sonntag eröffneteHartmut Schröder, Mitbegründer des Therapeium Innovative Konzepte in Berlin, mit seinem Vortrag zur „Kulturheilkunde. Über die heilsame Kraft unserer Kultur – Brauchen wir Kultur auf Rezept?“ Dabei stellte er dem medizinisch-pharmakologischen Denkmodell, wie er es nannte, sein „Kontextmodell“ gegenüber, in dem die „Patienten“ als Experten für ihre eigene Gesundheit verstanden werden. Selbstwirksamkeit sieht Schröder als den Schlüsselfaktor für den therapeutischen Erfolg. Es folgte ein Beitrag von der Therapeutin und Autorin Julia Hayden. Nach ihrer Eloge auf die US-amerikanische Fantasy-Fernsehserie „Game of Thrones“ gab sie drei Geschichten zum Besten, in denen auch ihr Alter Ego „Prinzessin Gaia“ eine Rolle spielte. Kernbotschaft der Erzählerin Hayden war die Macht von Geschichten.

Abgeschlossen wurde die Vortragsreihe des viertägigen Public-Health-Symposiums durch Reflexionen des Arztes Dr. Gerhard Kögler zu„Naturphilosophie – Anleitung für eine nachhaltige Symbiose von Mensch und Natur“. Markus M. Metka ließ dann bei seinem Resümee der heurigen Veranstaltung unter dem Titel „Ist die Welt noch zu retten?“ einige zentrale Erkenntnisse und zukunftsweisende Überlegungen Revue passieren. Bevor das Medicinicum Lech 2019 schließlich beim gemütlichen Vorarlberg Brunch seinen festlichen Ausklang fand, gab Metka

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Save the date: 09. – 12. Juli 2020

Medicinicum Lech 2020 – Thema: „Ewig jung. Auf dem Weg zur Unsterblichkeit.“ 

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