Gesundheitspflege-Kongress, 01. – 02. November, Hamburg: Pflegekräfte aus dem Ausland – warum bleiben viele nicht lange?

Hamburg-Panorama

Zwar ist die Zahl der Pflegefachkräfte, die pro Jahr nach Deutschland kommen, mittlerweile auf das Sechsfache gestiegen: Von knapp 1.500 im Jahr 2012 auf mehr als 8.800 im Vorjahr. Doch viele bleiben nicht lange – warum eigentlich?

Fluchtweg

„Viele bleiben nicht, sie wechseln die Abteilung oder das Krankenhaus, gehen in ein anderes Land oder kehren in ihre Heimat zurück“, berichtet Dr. Minna-Kristiina Ruokonen-Engler vom Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt. „Das ist angesichts des hohen Aufwands für beide Seiten eine unbefriedigende Situation.“ Wie läuft die betriebliche Integration am Arbeitsplatz Pflege, wo liegen die Probleme? Dieser Frage geht eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung auf den Grund, die Ergebnisse stellt Ruokonen-Engler auf dem 17. Gesundheitspflege-Kongress von Springer Pflege am 1. und 2. November 2019 in Hamburg vor.

Unterschiedliche Erwartungshaltungen prallen aufeinander

Die Sozialwissenschaftlerin und ihre Kollegen haben insgesamt 60 einheimische und zugewanderte Pflegefachkräfte sowie deren Vorgesetzte zu ihren Erfahrungen befragt. Ein Ergebnis: „Viele Pflegefachkräfte aus dem Ausland sind frustriert, weil sie das Gefühl haben, ‚unter Wert’ arbeiten zu müssen“, sagt Ruokonen-Engler. Im Gegensatz zu Deutschland haben nämlich Pflegefachkräfte z.B. aus Spanien, Portugal, Griechenland und Polen an Hochschulen studiert und sind es gewohnt, mehr medizinnahe Tätigkeiten und Management-Aufgaben zu übernehmen, die in Deutschland meistens Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind.

Betten machen oder Patienten waschen sind Assistenzaufgaben

Betten machen oder Waschen der Patienten sind in ihren Herkunftsländern oft Tätigkeiten, die Hilfskräfte übernehmen. Einheimische Pflegefachkräfte beklagen wiederum die „Praxisferne“ der ausländischen KollegInnen. „Die Konflikte werden oft stereotyp auf kulturelle Unterschiede zurückgeführt, dabei handelt es sich eigentlich um strukturelle Unterschiede, was Ausbildung und Arbeitsabläufe angeht“, erklärt Ruokonen-Engler. Diese „Kulturalisierung“ verschärfe oft die Spannungen am Arbeitsplatz.

„Ein interkulturelles Kompetenztraining ist nicht die alleinige Lösung, denn im schlimmsten Fall verstärkt oder produziert es neue Stereotype“, betont die Sozialwissenschaftlerin. „Es gilt, sich mehr über die Unterschiede im beruflichen Selbstverständnis und über die unterschiedlichen Erwartungen im Arbeitsalltag auszutauschen.“ Alle sollten sich mehr um ein respektvolles Arbeitsklima und transparente Kommunikation bemühen, so Ruokonen-Engler. „Im besten Fall können die Erfahrungen, die Pflegefachkräfte aus dem Ausland mitbringen, die in Deutschland notwendigen Reformen der Arbeitsorganisation und Aufgabenteilung voranbringen.“

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Veranstaltet wird der 17. Gesundheitspflege-Kongress vom Fachbereich Springer Pflege. Kooperationspartner sind traditionell die großen Kliniken aus der Region sowie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).

Kongressorganisation und Anmeldung:
Andrea Tauchert | Springer Pflege | tel +49 30 82787-5510 |

> Nähere Infos und Programm finden Sie hier.

Kommentar

Die berufliche Pflege hierzulande wird nicht müde, mehr Wertschätzung sowie interprofessionelle Zusammenarbeit der Heil- und Gesundheitsberufe „auf Augenhöhe“ einzufordern. Leider schafft sie genau das in den eigenen Reihen oftmals nicht. Kolleg/innen aus dem Ausland werden nicht für voll(wertig) genommen und im Pflegealltag – fernab jeder wertschätzenden „Augenhöhe“ – allzu oft mit Hilfstätigkeiten abgespeist. Wenn wundert es, wenn diese falsch eingesetzten (akademisch qualifizierten) Fachkräfte frustriert sind und nach kurzer Zeit das Handtuch werfen? Wenn wir dieses herablassende, völlig unangebrachte Verhalten nicht grundsätzlich ändern – wofür die Führungskräfte in ihren Teams zu sorgen haben! – dann wird Deutschland seine Pflegebedürftigen in Zukunft wohl ohne ausländische Hilfe pflegen müssen. Denn schon der Volksmund weiß: Hochmut kommt vor dem Fall.

Erich M. Hofer

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