Erfolgskurs des AKH Wien: Pro Jahr 165.000 Stunden weniger Pflegedokumentation!

Weg von der Volldokumentation, hin zu Basisleitlinien und einer vereinfachten, individualisierten Dokumentation – so lautet das Erfolgsrezept des AKH Wien. Dafür hat es jetzt den Lohfert-Preis 2019 erhalten, berichtet Nicole Lindgens jetzt auf  pflegen-online.de.

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Nach einem imperativen Impuls der Pflegedirektorin Sabine Wolf (li.) machten sich David Bayer (Bildmitte), Leiter der Abteilung Pflege- und Betriebsprozesse, und Pflegeberaterin Renate Hadi (re.) im Jahr 2009 – von Beginn weg unter rechtlicher und pflegewissenschaftlicher Begleitung – an die Aufgabe, den Ist-Zustand der Pflegedokumentation zu analysieren und einheitliche Leitlinien für die Pflegedokumentation im größten Klinikum Wiens zu schaffen. Denn bis dahin war möglichst umfangreiches Dokumentieren das Maß aller Dinge – und so musste viel Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen für einen solchen Paradigmenwandel hin zu einer radikal verschlankten PDok geleistet werden.

Der neue Weg: In Leitlinien das Allgemeine zusammenfassen

Heute wird weitgehend mit definierten Leitlinien in einem stationsübergreifend einheitlichen SAP-System dokumentiert. Diese fassen vieles zusammen, was ohnehin auf der Hand liegt und für alle Patienten gilt. Nur wenn tatsächlich pflegerelevante Risiken oder aktuelle Probleme über einen längeren Zeitraum von mehr als 72 Stunden vorliegen, findet eine individualisierte Maßnahmenplanung statt. Denn nur jeder 3. Patient braucht individuelle Pflegeplanung.

Jährlich versorgen die rund 1.600 Pflegekräfte auf den Normalstationen des AKH Wien mehr als 120.000 Patient*innen. Dass die Inhalte der PDok verschlankt und digitalisiert wurden, bedeutet der Autorin Nicole Lindgens zufolge für ihre tägliche Arbeit:

  • Ein Drittel der Patienten lässt sich im elektronischen Pflegebericht (eDekurs) allein mithilfe der Basisleitlinien abbilden; für ein weiteres Drittel gelten zusätzliche, spezifizierte Leitlinien, die auf einzelne Abteilungen abgestimmt sind.
  • Bei diesen beiden Gruppen ist pflegediagnostisch im Schnitt kein erhöhtes Risiko oder aktuelles Problem gegeben, sodass sich ein pflegerischer Pfad in vordefinierter Breite anbietet. Im eDekurs werden einzig Abweichungen von diesen Pfaden dokumentiert
  • Ein Drittel der Patienten bedarf dagegen einer Pflegeplanung: Sie orientiert sich am Prinzip „Risiko, aktuelles Problem und Prophylaxe“ (RaPP). Im IT-System ist hierfür ein Add-on installiert, das derzeit 25 RaPP-Bausteine wie Angst, Bewegungseinschränkung oder Sturz umfasst. Aus dieser Liste kann der für den einzelnen Patienten pflegerisch relevanteste Punkt ausgewählt werden, um alle sich daraus ergebenden Maßnahmen im Freitext zu subsumieren. Je nach Hauptproblem schlägt das System zusätzlich verschiedene evidenzbasierte Maßnahmen vor, über die ebenfalls individuell entschieden werden kann.

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Neue PDok spart Arbeitsleistung von 100 Vollzeitkräften im Jahr

Das AKH Wien spart nach eigenen Angaben seither bei der stationären Dokumentation einen Zeitumfang ein, der den jährlichen Nettoarbeitsstunden von 100 Vollzeitkräften entspricht – kostbare Pflegezeit, die den Patient*innen zugute kommen soll. Verstärkt wird dieser zeitsparende Effekt zudem dadurch, dass alle hierzu befugten Pflegefachkräfte heute von jedem Arbeitsplatz aus direkt auf die elektronischen Dokumentationen zugreifen können.

Mit Lohfert-Preis 2019 ausgezeichnet

Für diese praxiserprobzen Erfolge wurde das Gesamtprojekt unter der Leitung von Pflegedirektorin Sabine Wolf mit dem Lohfert-Preis 2019 in Höhe von 20.000 Euro prämiert. Dessen Ausschreibung stand unter dem Motto „Mehr Zeit für den Patienten – digitale Konzepte zur Entlastung der Pflege“.

Als Schlüssel zur erfolgreichen Verschlankung der PDok erwies sich der Einsatz vonPflegeberater*innen auf allen Stationen, ist David Bayer überzeugt. Sie leisteten auf kollegialer Ebene wichtige Überzeugungsarbeit in den einzelnen Kliniken und sorgten so für die Verbreitung sowie für Verständnis und Akzeptanz der neuen PDok.

AKH-Wien Karrierevideo

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Seit 2015 arbeiten die Pflegekräfte auf den Normalstationen mit den verschlankten Prozessen. In den folgenden Jahren haben weitere Krankenhäuser im In- und Ausland Inhalte aus diesem Modell übernommen. Auch das Gesundheitsministerium verweist in der 2017 aktualisierten ‚Arbeitshilfe Pflegedokumentation‘ auf die Beispiel gebende Philosophie am AKH Wien.

Wer mehr über das Projekt „Vereinfachung und Vereinheitlichung der stationären Pflegedokumentation“ erfahren möchten, kann sich direkt an das AKH Wien wenden über die E-Mail-Adresse:

Foto: Michael Rauhe/Lohfert Stiftung

Lohfert-Preis 2020 ausgeschrieben – auch die Pflege ist gefragt!

Ausschreibung 2020 Lohfert-Preis

Trotz der vielfältigen Fortschritte und Errungenschaften gibt es im Bereich der Patientensicherheit weiterhin erheblichen Verbesserungsbedarf. Die Christoph Lohfert Stiftung greift diese Notwendigkeit auf und schreibt für das Jahr 2020 den mit 20.000 Euro dotierten Lohfert-Preis zum Thema Messbare Innovationen zur Verbesserung der Patientensicherheit“ aus. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

Über den Lohfert-Preis

Mit dem Lohfert-Preis fördert die Christoph Lohfert-Stiftung Projekte zur Verbesserung der Patientenorientierung und -sicherheit in Krankenhäusern und Kliniken. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung und Präsentation des prämierten Projektes findet im Rahmen des Gesundheitswirtschaftskongresses im September 2020 in Hamburg statt.

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