Kanton Bern (CH): Corona-verängstigte Patienten werden mit Plakaten und social media umworben

Eine bedenkliche Nachwirkung der Corona-Krise: Patient*innen getrauen sich nicht mehr in die Spitäler, die ihre freien Betten jetzt sogar mit einer Plakataktion der Kantonalregierung anbieten.

Besonders wenn eine Operation oder eine dringliche Untersuchung und Behandlung wegen Corona verschoben wurde, sollten Betroffene sich jetzt umgehend melden: Der Kanton Bern startete jetzt eine Kampagne mit großen Plakaten (Bild) und Video-Clips in den sozialen Medien. Gelingt dies nicht, drohen Milliarden-schwere Schadenersatzzahlungen.

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Nicht nur der Kanton, sondern auch die Gesundheitseinrichtungen machen mit: Spitäler, Arztpraxen, Spitex-Organisationen der Hauskrankenpflege sowie die Alters- und Pflegeheime werben für einen schnellstmöglichen Besuch, berichtet das Branchenblatt MedInside. Wahlweise werden die Betrachter dazu aufgefordert, sich ins Spital, zur Ärztin, zur Therapeutin, ins Alters- oder Pflegeheim, zum Psychiater oder in die Reha zu begeben, oder auch Spitex-Hilfe zu beantragen.

Behörden und Politik verunsicherten die Risikopatient*innen

Einer der Gründe für die Kampagne ist die ernsthafte Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung. Esther Hilfiker, Präsidentin der Aerztegesellschaft des Kantons Bern, ist überzeugt: „Viele Patienten verzichten auf medizinische Behandlungen, obwohl sie nötig wären“. Als Ursache vermutet sie: „Die Kommunikation des Bundesamts für das Gesundeitswesen (BAG) verunsicherte gerade die Risikopatienten!“ Fachleute fürchten die Folgen: Dieses Zögern berge bei Menschen, die ärztliche oder pflegerische Betreuung in Anspruch nehmen sollten, die Gefahr von längerfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Politik sorgt sich um massive Ertragsausfälle der Spitäler

Leerbetten Krankenhaus

Es gibt auch noch einen zweiten Grund für die ungewöhnliche Kampagne, denn die Sorge um die wegbrechenden Einnahmen der Spitäler lassen massive Schadenersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe an die öffentliche Hand erwarten. Anfang Mai zeichnete sich bereits ab, dass allein der Kanton Bern ungefähr 270 Mio. Franken (252 Mio. Euro) Einnahmeausfälle aus Steuermitteln ersetzen muss. Da die Pandemie keine hohe Bettenauslastung erforderte und hunderte Krankenhausbetten wegen des behördlichen Shutdowns wochenlang leer standen, wären zahlreiche Häuser in deren Existenz bedroht. Ähnliche Szenarien zeigen sich auch bereits in Deutschland und Österreich sowie weiteren EU-Staaten.

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