Österreich: Steht ein „Lehrberuf Pflege“ vor der Türe? Experten warnen vor falschem Reformschritt

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Nachdem man die Pflegereform politisch jahrelang vor sich hergeschoben hat, will man jetzt schnelle und einfache Lösungen finden.

Bereits im Mai hatte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) mit der Ankündigung aufhorchen lassen, die gesetzliche Grundlage für die Einführung einer „Pflegelehre“ nach
dem Schweizer Modell der „Fachfrauen/-männer Gesundheit (FaGe)“ schaffen zu wollen. Gegen diese vermeintliche „Lösung“ des Problems Fachkräftemangel hatte sich der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) aus vielen triftigen Gründen – im Einklang mit zahlreichen weiteren Experten – mehrfach und sehr eindeutig  ausgesprochen.Einige dieser Gründe sind:

  • Die Personalressourcen, die für die praktische Ausbildung der Lehrlinge unentbehrliche Voraussetzung sind – nämlich Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheit- und Krankenpflege (DGKP) – sind aktuell in Österreich nicht vorhanden. Die anleitende Unterstützung in der praktischen Ausbildung durch DGKP würde zusätzlich Fachpersonal abziehen. Dies würde zu Lasten der Patient*innen gehen. Auch wie die finanziellen Ressourcen für eine Umsetzung der „Pflegelehre“ gewonnen werden sollen, müsse den Kritikern zufolge hinterfragt werden. Sie können jedenfalls nicht durch Einsparungen im Gesundheitssystem gewonnen werden.
  • Der ÖGKV spricht sich für nachhaltige Ausbildungsstrukturen und durchgängige Bildungskarrieren aus, die Menschen längerfristig für den Beruf gewinnen und im Beruf halten. Dies sei durch das Schweizer Modell nicht gegeben. Die für das Jahr 2020 erwarteten 4.500 Lehrabschlüsse in der Schweiz sehen auf den ersten Blick gut aus. Dem gegenüber steht allerdings eine Drop Out-Quote von 50-60 Prozent. Vielmehr müssten die bereits bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten, wie bei anderen gesellschaftsrelevanten Berufsgruppen (z.B. Polizei), finanziell und organisatorisch unterstützt werden, um die Attraktivierung des Pflegeberufs und somit eine länger anhaltende Tätigkeit im Berufsfeld zu erreichen.
  • „Diese weitere Fragmentierung des Ausbildungsangebotes für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe schaffe Unsicherheit in der bestehenden Ausbildungslandschaft und stelle keine nachhaltige und zukunftsorientierte Lösung dar“, warnte die ehemalige ÖGKV Präsidentin Ursula Frohner bereits im Vorjahr. Viel eher seien in Zukunft Themen wie die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe, Handlungsfelder wie etwa das der „Community Nurse“ zu forcieren, um eine kompetente, niedrigschwellige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
  • Die Menschen in Pflegeberufen sind durch die derzeitige Ausbildungsstruktur kompetent und gut ausgebildet. Jedoch ist die Ausbildungsreform durch die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) 2016 und die damit verbundene Einführung des neuen Ausbildungslevels der „Pflegefachassistenz“ noch nicht einmal richtig in der Pflegepraxis angekommen.
  • Ein wichtiger Punkt ist auch die Zusammenarbeit mit weiteren Gesundheitsberufen. Die „Pflegelehre“ würde dies nicht unterstützen, sondern die Pflegeberufe in Zukunft vermehrt von anderen Gesundheitsberufen abhängig machen – was keineswegs das Image sowie die Attraktivität des Berufes fördere, befürchten Kritiker – und das sei das eigentliche Nachwuchsproblem der Pflegeberufe.

Richtungswechsel

Aus gutem Grund gibt es keine „Hebammen-Lehre“ oder Lehrberufe in den sieben Sparten der medizintechnischen Dienste. Die von Bundesminister Rudolf Anschober für den Herbst angekündigte Pflegereform umfasst viele Themen, die dringend angesprochen werden müssen. Die Pflegelehre sei keines davon, warnen Kritiker vor einem Schritt in die falsche Richtung. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob der durch die GuKG-Novelle 2016 beschrittene Reformweg erfolgreich und gemeinsam weiter gegangen wird – oder eine völlig systemwidrige „Pflegelehre“ geradewegs ins Chaos führt.

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