Pflegewissenschaft leistet wichtige Beiträge: So kann soziale Teilhabe in der Altenpflege trotz der COVID-19-Pandemie ermöglicht werden

So kann soziale Teilhabe in der Altenpflege trotz der COVID-19-Pandemie ermöglicht werden: Zwei Forschungsprojekte der Uni Witten/Herdecke sind jetzt abgeschlossen: Die S1-Leitlinie gibt Mitarbeitenden von Altenpflegeeinrichtungen Handlungssicherheit, und eine neue Website bündelt Erfahrungen über kreative Ideen und Maßnahmen zur Förderung der sozialen Teilhabe.

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Die COVID-19-Pandemie hat das Leben in Altenpflegeeinrichtungen stark verändert. So konnten über lange Zeit Besuche nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden, was bei vielen Bewohner*innen – von ´Lazarus´ schon seit Beginn des Lockdowns als völlig überzogen und sogar gefährlich kritisiert – zu körperlicher und sozialer Isolation führte. Je länger der pauschale Lockdown der Altenheime andauerte, umso deutlicher wurden die Gefahren für die Gesundheit der hochbetagten Bewohner*innen erkennbar.

Die Wissenschaft erkannte den dringlichen Handlungsbedarf, um größeren Schaden von den pauschal und unfreiwillig „kasernierten“ Heimbewohner*innen fern zu halten. Auch das Department für Pflegewissenschaft der UWH trug mit zwei Projekten unter der Leitung von Prof. Dr. Margareta Halek (re.) zur Problemlösung bei.

Neue Leitline

Unter der Koordination der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) e.V. in Person von Prof. Daniela Holle von der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum leitete Halek die Erstellung der >> S1-Leitlinie zur „Sozialen Teilhabe und Lebensqualität in der stationären Altenhilfe unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie“ bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF).

Erstmalig wurde somit eine Leitlinie unter dem Dach der AWMF federführend pflegewissenschaftlich verantwortet. Die Leitlinie umfasst 22 Handlungsempfehlungen, wie soziale Teilhabe und Lebensqualität von Bewohner*innen bei bestmöglichem Infektionsschutz gesichert werden können. „Es war uns besonders wichtig, dass auch in dieser herausfordernden Zeit soziale Teilhabe und Lebensqualität im Zentrum der pflegerischen Arbeit stehen. Die neue Leitlinie soll die Handlungsfähigkeit von Mitarbeitenden stärken und Orientierung geben“, so Halek.

Ein wichtiger Punkt in der Leitlinie ist die individuelle Beziehungsgestaltung. Durch die Reduktion von direkten Kontakten zu Familie und/oder Freunden sind Bewohner*innen dem Risiko ausgesetzt, zu vereinsamen und sozial isoliert zu sein. Die Leitlinie empfiehlt daher – wie von ´Lazarus´ schon vor Monaten gefordert – zuerst eine individuelle Einschätzung des Risikos vorzunehmen, um Angebote bedürfnisgerecht planen zu können.

Eine Herausforderung unter der Pandemie ist dann zum Beispiel der Körperkontakt, der in der Pflege nicht wegzudenken ist. Bei nicht vorhandener Infektionsgefahr könnten Berührungen zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Angehörigen zum Beispiel unter Bereitstellung der geeigneten Schutzausrüstung und Beratung durch Hygienefachkräfte gestattet werden.

Neue Website unterstützt fachlichen Austausch

Ein zweites Projekt zu dieser Thematik am Lehrstuhl für Pflegewissenschaft wurde durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Ziel des Projektes war es, praktische Handlungsempfehlungen zur Förderung sozialer Teilhabe im Pflegealltag während der Covid-19-Pandemie digital für die Pflegeheime bereitzustellen. Hierzu wurde neben der Suche nach aktueller Literatur und Leitlinien ein deutschlandweites Survey mit Pflegeeinrichtungen und Interviews mit Expertinnen und Experten zu spezifischen Themen durchgeführt. Die gewonnenen Empfehlungen und Erfahrungsberichte sind ab jetzt auf der Webseite >> www.gemeinschaft-gestalten.de abrufbar.

So wurde zum Beispiel deutlich, dass Videotelefonie ein wichtiger Baustein zum Erhalten von Kontakten ist, hier aber neue Kompetenzen bei Pflegenden notwendig sind, datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden und technische Voraussetzungen geschaffen werden müssen (z.B. ein ausreichendes WLAN-Netz). In der Pandemie gingen viele Einrichtungen kreativ mit den Anforderungen um, so wurde beispielsweise das Heimfernsehen für gymnastische Übungen umfunktioniert, um die Bewegungsfähigkeit der Bewohner*innen zu erhalten.

„Wir erhoffen uns durch die Internetseite einen einfachen Zugang zu Informationen über sozialer Teilhabe zu ermöglichen und den Austausch über individuelle Lösungen zwischen den Pflegeeinrichtungen zu stärken. Die Seite soll sich durch die Kommentare und Diskussionen der Lesenden weiterentwickeln“, so Dominique Autschbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Projekt.

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