Neuer Tarifvertrag ab Juli 2021: Kommt jetzt bundesweit gleiche(!) und bessere Entlohnung der Altenpflege?

Ver.di und BVAP einigen sich auf einen Tarifvertrag für die Altenpflege. Dieser kann in der Folge von Bundesarbeitsminister Heil per Verordnung auf die gesamte Pflegebranche erstreckt werden (wie dies bereits in der „konzertierten Aktion Pflege“ vereinbart wurde). Die Arbeitgeberverbände bpa und VDAB schäumen und setzen ihr bisheriges mediales Trommelfeuer gegen einen künftigen bundesweiten „Flächentarifvertrag“ weiter fort.

Geldübergabe

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) einigten sich vorgestern, Mittwoch auf ein vorläufiges Tarifergebnis, das vom Bundesarbeitsministerium auf die gesamte Pflegebranche erstreckt werden soll. „Mit einem Tarifvertrag, der bei der Bezahlung aller Altenpfleger*innen ein Mindestniveau sichert, soll der Beruf wieder attraktiver werden“, erklärte Sylvia Bühler vom Ver.di-Bundesvorstand.

Der Tarifvertrag soll am 01. Juli 2021 in Kraft treten. Bis dahin würden im Sinne des Arbeitnehmerentsendegesetz in drei Schritten die Mindestentgelte angehoben, sodass Pflegefachpersonen in der Langzeitpflege ab Januar 2023 wenigstens 18,50 Euro pro Stunde erhalten. Bei einer 39-Stunden-Woche ergebe das einen Bruttoverdienst von 3.137 Euro im Monat.

Die Eckpunkte des Tarifvertrags (schrittweise Erhöhungen bis Anfang 2023)

  • Mind. 18,50 Euro/Stunde für examinierte Altenpflegepersonen ab Januar 2023 (3.137 Euro Monatsbrutto bei 39-Stunden-Woche)
  • Mind. 14,15 Euro/Stunden für Pflegehilfspersonen ohne Ausbildung
  • Mind. 15 Euro/Stunde für Pflegehilfspersonen mit ein- bis zweijähriger Ausbildung
  • Urlaubsgeld in Höhe von 500 Euro (bei Vollzeit)
  • Mind. 28 Tage Jahresurlaub
  • Gleiche Löhne in Ost- und Westdeutschland ab Juli 2021 (!)

geldsparen

Zusätzlicher Tarifvertrag für Auszubildende (nur für BVAP-Mitgliedsunternehmen):

  • Ab Januar 2021 je nach Ausbildungsjahr monatliche Vergütung zwischen 1.100 und 1.250 Euro
  • Ab September 2022 steigen diese Beträge auf 1.250 bis 1.400 Euro.
  • Regelungen zu Einsätzen vor und nach Unterrichtsphasen
  • Zuschläge sowie eine Jahressonderzahlung
  • Freie Tage zur Prüfungsvorbereitung
  • 28 Tage Jahresurlaub

„Wir haben überhaupt kein Verständnis für den Widerstand der privaten Arbeitgeberverbände, die eine Verfassungsklage angekündigt haben. Da diese betonen, dass die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste sowieso bei 3.032 Euro in der Branche liegen – da ist es doch kein weiter Schritt, das Tarifergebnis von BVAP und ver.di zu verhandeln,“ reagierte Präsidentin Christel Bienstein vom Berufsverband DBfK in einer Aussendung. Sie wies darauf hin, dass die Bezahlung der beruflich Pflegenden deutlich besser werden müsse, damit dem Fachkräftemangel etwas entgegengesetzt wird.

Wie erinnerlich, fordert der DBfK ein Bruttoeinkommen von 4.000 EUR für alle Pflegefachpersonen als Einstiegsgrundgehalt in den Beruf. Das Bruttogehalt steigt dann mit zunehmender Berufserfahrung und der beruflichen Spezialisierung sowie den üblichen Zulagen.

Quelle: Ver.di

Glosse:

Hunderttausende Pflegefachkräfte in der mobilen Hauskrankenpflege in Deutschland verkaufen ihre Dienstleistung weit unter Wert: Um bis zu 36 Prozent weniger beträgt ihr Verdienst gegenüber den Kolleg*nnen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, so die offizielle Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag. Wie erklärt sich diese massive Disbalance? Woher stammt dieses Lohngefälle überhaupt?

Die mehr als 13.000 ambulanten Pflegedienste sind zu wei Drittel privat und Inhaber-geführte Kleinunternehmen mit zumeist weniger als zehn Beschäftigten. Damit fehlt ihnen jegliche Verhandlungsstärke gegenüber den Kranken- und Pflegekassen, um bessere Tarifvergütungen für ihre Leistungen zu erkämpfen – und damit ihre Mitarbeiter*innen besser zu entlohnen. Krankenhäuser und Pflegeheime dagegen befinden sich überwiegend in öffentlicher oder kirchlicher Trägerschaft und bieten daher deutlich bessere öffentlich-rechtliche Gehaltstabellen bzw. Kollektivverträge als im ambulanten Pflegebereich.

balance

Im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten hat die Bundesregierung bereits den flächendeckenden „gesetzlichen Mindestlohn“ eingeführt sowie die Kranken- und Pflegekassen gesetzlich verpflichtet, ihre Vergütungsleistungen entsprechend zu verbessern. Doch das reicht bei weitem nicht aus und es ist hoch an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen (s. Artikel oben). Es führt kein Weg daran vorbei, den jetzt vereinbarten Tarifvertrag mit politischer Verordnungsmacht flächendeckend für ganz Deutschland verbindlich zu machen.

Nur so wird es gelingen, die für eine gute Versorgung so unverzichtbare Balance herzustellen – zwischen den Lohnniveaus der Beschäftigten in Kliniken, Heimen und ambulanten Pflegediensten einerseits, aber auch zwischen Ballungszentren und schwächeren ländlichen Regionen.

 Erich M. Hofer

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