Glosse: Reflexionen zur Corona-Pandemie und der staatlichen Ordnungsmacht

Warum scheitern Gesundheits-Kanpagnen immer wieder – vielleicht auch jetzt in der Corona-Pandemie 2020/21? Weil die Vernunft – leider – kein Massenphänomen ist.
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Denn was für die vernünftig handelnde Einzelperson gelten mag, beschreibt der „kategorische Imperativ“ Immanuel Kants treffend so: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde!“ Diesem kognitiven Part steht jedoch bei Massenphänomenen das „irrationale“ limische System (Gefühle) unseres Gehirns zumeist diametral entgegen. Die ideale Verknüpfung beider Systeme „mit Herz und Hirn“ – die sog. emotionale Intelligenz – gelingt nur wenigen. Warum aber handeln Menschen in der Masse so völlig anders?
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Es ist das „Reaktanz“-Phänomen (Jack W. Brehm, USA 1966), das bei einigen (Millionen) Menschen bei jeder – objektiv notwendigen – gesetzlichen Regelung diffuse Ängste vor individuellem Freiheitsverlust auslöst, verweigernde Trotzreaktionen hervorruft und – heute massiv verstärkt durch Facebook, Twitter & Co. – abstruse Verschwörungstheorien wie eine Seuche grassieren lässt.
 
Ein Beispiel von vielen: Als im Jahr 1971 in Deutschland 21.332 Verkehrstote beklagt wurden, führte die Regierung die allgemeine Gurten-Anschnallpflicht auf Autovordersitzen ein. Dies löste bei der Bevölkerung einen hysterischen Glaubenskrieg und vielfache Verweigerung des „Lebensretters Sicherheitsgurt“ aus. Die Gurtmuffel wurden erst mit empfindlichen Strafen (ab 1984) von der Sinnhaftigkeit staatlicher Gewalt überzeugt, die zu diesem Thema heute keiner mehr in Frage stellt.
 
Als das lebensgefährliche Handy-Telefonieren am Steuer verboten und – im Interesse aller Verkehrsteilnehmer – auch bestraft wurde, war ein ähnlicher Aufschrei vorprogrammiert. Ebenso beim Alkoholverbot am Steuer, bei der lebensrettenden Helmpflicht für Radfahrer, und, und, und…
Und bei Corona? Mal sehen…
Erich M. Hofer
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