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Corona-Impfung: Wieder gemeinsames Essen im Altenheim – Gericht leistet Sozialarbeit

Im vorauseilenden Gehorsam wurde den rund 900.000 alten, wehrlosen Menschen in Deutschlands Pflegeheimen das soziale Leben über ein Jahr hinweg einfach weggenommen. Peinlich genug, dass nun ein Gericht die Sozialarbeit der furchtsamen Führungskräfte übernehmen musste und ein Machtwort zugunsten unserer Altengeneration gesprochen hat: Das gemeinsame Essen in Heimen muss wieder erlaubt werden.

Der Streit um gemeinsames Essen geimpfter Bewohner*innen der Seniorenresidenz Mühlehof in Steinen (Baden-Württemberg) ist entschieden. die Cafeteria seit vergangenem Mittwoch wieder geöffnet. „Es herrscht eine richtige Aufbruchstimmung“, sagte Geschäftsführer Wolfram Uhl erfreut. Alle am Desaster mitverantwortlichen Landesbehörden haben einem Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) zugestinnt. Dieser Erfolg hat bundesweite Auswirkungen, denn das Gericht hat damit klar gemacht, dass die vom Land ursprünglich eingewendeten inhaltlichen Vorbehalte irrelevant seien.

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Der Streit um das gemeinsame Essen in der Cafeteria hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. An der Entscheidung könnten sich auch andere Einrichtungen orientieren, sagte der Vorsitzende des Landesseniorenrats, Eckart Hammer. In den Pflegeheimen seien im Schnitt 80 bis 90 Prozent der Bewohner gegen Corona geimpft.

BaWü-Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) kündigte weitere Änderungen mit Blick auf Geimpfte in stationären Pflegeeinrichtungen an. So sollen bei einer Durchimpfungsrate von 90 Prozent der Bewohner wieder mehr Besuche ermöglicht werden. Maskenpflicht und die Testung vor Zutritt für Besuche gelten aber weiterhin.

Das renommierte Kuratorium Deutsche Altershilfe (siehe >KDA) forderte Lockerung der Corona-Einschränkungen für geimpfte Heimbewohner und warnte vor Grundrechtsverletzungen. „Es ist ganz grundsätzlich eine Frage, ob die sehr restriktiven Einschränkungen, die in Seniorenheimen gelten, überhaupt vertretbar sind“, erklärte KDA-Mitglied und Sozialpolitik-Professor Frank Schulz-Nieswandt. Auch Heimbewohner hätten das Recht, zumindest mit darüber zu entscheiden, ob und in welche Gefahr sie sich bringen wollen, um etwa Freiheitsrechte nicht gänzlich zu verlieren.

Kommentar

Wurden unsere Alten wirklich danach gefragt, ob sie – ein Jahr lang – in ihren Zimmern einzeln kaserniert, von jeder Gemeinschaft mit den Mitbewohner*innen rigoros ausgeschlossen und vor den so lebenswichtigen Besuchen nächster Angehöriger völlig abgeschottet werden wollen? Sicherlich nicht. Die solchermaßen erlittene Entmündigung und Ent-Rechtung war und ist an Grausamkeit kaum zu überbieten und grenzt für mich – abgesehen von der grundsätzlichen Menschenrechtsverletzung – auch an den Straftatbestand der schweren Körperverletzung sowie der vorsätzlichen Verwahrlosung wehrloser, hilfsbedürftiger Menschen.

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Der völlig einseitig (medizinisch) fokussierte Blick auf das Ziel, die Alten vor einer Covid-19-Erkrankung „um jeden Preis“ schützen zu müssen, war gerade mal in den Schrecksekunden der ersten Pandemiewochen im Vorjahr zumindest verständlich. Die völlig überforderten Politiker überließen die Entscheidungsgrundlagen ihren eilig zusammengestellten „Taskforces“, die Medizin-lastig vor allem mit realitätsfernen Professor*innen besetzt waren.

Den viel zu hohen Preis dafür bezahlen heute und wohl die nächsten Jahre hindurch die von enormen „Kollateralschäden“ betroffenen 1) Altenheimbewohner*innen sowie 2) unsere Kinder und Jugendlichen und nicht zuletzt 3) auch die Wirtschaft – durch immer weiter verlängerte Lockdowns, ein deutliches Ansteigen der psychischen Erkrankungen, hohe Arbeitslosigkeit, neue Armut, und, und …

Diese behördlich angeordnete und von zahllosen Leitungskräften unreflektiert und widerspruchslos befolgte Totalschließung der Altenheime und hunderttausendfache „Einzelhaft“ (d.h. Entzug jeglicher sozialen Teilhabe) war und ist gegenüber jenen Menschen, die unseren Wohlstand erarbeitet, unser hervorragendes Bildungs- und Sozialsystem aufgebaut sowie unsere Kinder großgezogen haben, auch aus ethischer Sicht vollkommen inakzeptabel. Wird doch dieses Fehlverhalten auch dann nicht richtiger, weil es „kollektiv“ von Landesbehörden und Heimleitungen gemeinsam begangen wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses wegweisende Gerichtsurteil und die deutlichen Warnungen des KDA ein rasches Umdenken in allen deutschsprachigen D-A-CH Ländern herbeiführen!

Erich M. Hofer