Österreich: Erste Pflegereform-Gesetze im Nationalrat eingebracht

ÖVP und Grüne haben vier Gesetzesanträge zur Umsetzung der von der Bundesregierung angekündigten Pflegereform vorgelegt. Demzufolge sollen die Befugnisse von Pflegeassistenzberufen erweitert, pflegenden Angehörigen ein Pflegebonus von jährlich 1.500 € ausbezahlt, den Bundesländern zusätzlich 520 Mio. € für höhere Gehälter im Pflegebereich bereitgestellt und der Demenz-Zuschlag beim Pflegegeld erhöht werden.

Mehr Befugnisse für Pflegekräfte

Umgesetzt werden die Vorhaben unter anderem durch eine Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (2653/A). Demnach soll es Pflegeassistent*innen künftig gestattet sein, laufende Infusionen – ausgenommen Zytostatika und Bluttransfusionen – bei liegendem periphervenösen Gefäßzugang an- und abzuschließen, etwa wenn das für einen Toilettengang oder pflegerische Maßnahmen nötig ist. Bisher war diese Tätigkeit der Pflegefachassistenz vorbehalten. Pflegefachassistent*innen wiederum sollen auch subkutane Injektionen und Infusionen verabreichen sowie Venen- bzw. Hautkanülen legen bzw. entfernen dürfen. Die bisherige Einschränkung auf die Injektion von Insulin und blutgerinnungshemmende Arzneimittel entfällt.

Außerdem wollen ÖVP und Grüne die Bestimmung, wonach Pflegeassistent*innen nur noch bis Ende 2024 in Krankenhäusern tätig sein dürfen, aufgrund des hohen Bedarfs an Pflegepersonal aus dem GuKG streichen.

In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, dass die für die neuen Tätigkeiten erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen der bestehenden Ausbildungen bzw. im Rahmen von Schulungen vermittelbar seien. Zudem sei Pflegefachassistent*innen schon jetzt die Durchführung von Venenstichen zur Blutabnahme erlaubt und das Legen und Entfernen von Kanülen damit vergleichbar.

Bonus von jährlich  1.500 € für pflegende Angehörige

Geldübergabe

Mit der Änderung des Bundespflegegeldgesetzes (2655/A) wird ein Pflegebonus für pflegende Angehörige eingeführt. Wer nahe Angehörige  in häuslicher Umgebung betreut und deshalb seinen Job aufgegeben hat bzw. als pflegende:r Angehörige:r versichert ist, soll ab 2023 einen Bonus von 1.500 € pro Jahr erhalten. Voraussetzung ist der Bezug von Pflegegeld in Höhe der Stufe 4 durch die pflegebedürftige Person. Zudem können pflegenden Angehörigen künftig Zuschüsse für pflegerische Kurse in Höhe von bis zu 200 € pro Jahr und pflegebedürftiger Person gewährt werden.

Beim Pflegegeld wird ein pauschaler Erschwerniszuschlag von monatlich 25 auf 45 Stunden für Erwachsene mit einer schweren geistigen bzw. psychischen Behinderung erhöht. Das betrifft gemäß den Erläuterungen vor allem Personen mit schweren dementiellen Beeinträchtigungen, die körperlich oft noch „rüstig“ sind und daher aktuell häufig nur in Pflegestufe 3 eingestuft werden.

Ausbildungszuschuss von 600 €

Mit dem künftig vorgesehenen – steuer- und abgabenfreien – Ausbildungszuschuss für Erstausbildungen in einem Pflegeberuf in der Höhe von 600 € wollen ÖVP und Grüne die Pflegeausbildung attraktivieren und somit mehr Pflegepersonal gewinnen. Hierfür stellt der Bund den Ländern bis zum Jahr 2025 insgesamt 225 Mio. € zur Verfügung.

Höhere Gehälter für Pflegepersonal

Mit einem weiteren Zweckzuschussgesetz, dem Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz (2656/A), soll die angestrebte Gehaltserhöhung für Pflegepersonal budgetär abgesichert werden. Zu diesem Zweck werden den Ländern für die Jahre 2022 und 2023 insgesamt bis zu 520 Mio. € überwiesen, welche dann für die weiteren Detailregelungen zuständig sind. Wobei die Mittel zum einen für die Verringerung bestehender Gehaltsunterschiede für gleiche Tätigkeiten und zum anderen für die Abgeltung zusätzlicher Aufgaben durch Kompetenzerweiterungen gedacht sind. Grundsätzlich sollen die Gelder auf Basis kollektivvertraglicher Vereinbarungen verteilt werden.

Parlament Österreich 032018

Zugute kommen sollen die Mittel laut Zweckzuschussgesetz Pflege- und Betreuungspersonal in Kranken- und Kuranstalten, in stationären und teilstationären Pflegeeinrichtungen, bei mobilen Betreuungs- und Pflegediensten, in Reha-Anstalten sowie bei Einrichtungen der Behindertenarbeit. Konkrete Beträge werden im Gesetz nicht genannt – stellt man die zur Verfügung stehenden 260 Mio. € pro Jahr den rund 120.000 Personen (Vollzeitäquivalenten) gegenüber, die laut Erläuterungen im Pflegesektor beschäftigt sind, ergeben sich daraus allerdings durchschnittlich 2.160 € pro Jahr je Vollzeit-Mitarbeiter*in. Ziel der besseren Bezahlung ist es, mehr Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen.

Weitere geplante Maßnahmen

Nicht Teil des vorliegenden Pakets sind unter anderem die geplante Weiterentwicklung der 24-Stunden-Betreuung, das angekündigte Pflegestipendium in der Höhe von 1.400 €, die Einführung einer Pflegelehre im Rahmen eines Modellversuchs sowie die Überführung der im Herbst 2020 gestarteten Schulversuche in das Regelschulwesen. Dabei geht es um eine Kombinationsausbildung an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, die auch den Zugang zu Pflegeberufen umfasst (>wir berichteten). Gemäß den Erläuterungen sind die bisherigen Erfahrungen mit den Schulversuchen Erfolg versprechend, weshalb im zuständigen Bildungsministerium bereits Vorarbeiten für eine beschleunigte Überführung laufen.

Kommt die duale „Pflegelehre“ schon ab 2023?

Der Lehrberuf „Fachfrau/-mamm Gesundheit (FaGe)“ hat sich in der Schweiz innerhalb von zehn Jahren zum Erfolgsmodell entwickelt (wir berichteten mehrfach). Zum ersten österreichischen Modellversuch der dualen „Pflegelehre“ soll bis spätestens Anfang 2023 – abgestimmt mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium – ein Gesetzentwurf vorliegen.,. Ebenfalls in Planung sind weitere Maßnahmen im Berufs- und Ausbildungsrecht, etwa was die Spezialausbildungen im Bereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege und neue Berufsbilder – Community Health Nurse, School Nurse – betrifft.

Quelle: Parlamentskorrespondenz Nr. 761 vom 24.06.2022

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