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Glosse: Pflegepersonalbemessung PPR 2.0 endlich auf dem Weg in den Deutschen Bundestag

Am 15. September hat das Regierungskabinett den überarbeiteten Entwurf des Krankenhauspflege-Entlastungsgesetzes von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beschlossen. Das darin vorgesehene Mitspracherecht des Bundesfinanzministers in Fragen der Finanzierung der künftigen Pflegepersonalbemessung wird von Pflegeverbänden scharf kritisiert. Warum eigentlich?

Hofer_09-2022

Anstatt sich zu freuen, dass Lauterbach die PPR 2.0 nach Jahren des politischen Stillstands endlich aus der Schublade holt und auf den gesetzlichen Weg bringt, hagelt es neuerlich Kritik. Obwohl das Einvernehmen mit dem Finanzminister immer schon üblicher Standard bei allen größeren Finanzierungsvorhaben ist – ja sein muss. Denn letztendlich bestimmen nicht irgendwelche Fachverbände oder Berufsgruppen ein „Wünsch Dir was“-Spiel, sondern die (Budget-)Politik – im gesellschaftlichen Gesamtinteresse aller Steuerzahler – die Möglichkeiten (und Grenzen) der finanziellen Umsetzung.

Laut überarbeitetem Entwurf kann Lauterbach „durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen bis zum 30. November 2023 Vorgaben zur Ermittlung der Anzahl der eingesetzten und der auf der Grundlage des Pflegebedarfs einzusetzenden Pflegekräfte“ erlassen. Einziger Wermutstropfen dabei: Es vergeht ein weiteres Jahr, bis mit der Erhebung konkreter Bedarfe begonnen werden kann …

Wer zahlt, schafft an

Zwar sind in der Vorlage der zusätzliche Personalbedarf in der Pflege und damit die Mehrkosten nicht genannt. Allerdings verweist das 99-seitige Dokument auf Angaben des Statistischen Bundesamts, wonach eine Pflegeperson rd. 65.000 Euro pro Jahr koste. Damit würden z. B. 10.000 zusätzliche Pflegende ab 2025 laut Hochrechnung die Kostenträger jährlich mit rd. 650 Mio. Euro belasten. Damit wird klar, warum der Finanzminister ein Mitspracherecht braucht, damit das Budget wegen diverser „Wunschlisten“ anderer Ministerien nicht aus dem Ruder läuft. Zudem gilt nach wie vor: Wer zahlt, schafft an.

„Umfassende Krankenhaus-Strukturreform die einzige Lösung“

Die einzige weitblickende Reaktion unter den zahlreichen Wortmeldungen lieferte m. E. Herr Jens Scholz, Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands: „Wir müssen ganzheitlich denken und Strukturen verändern.“ Eine umfassende Krankenhaus-Strukturreform sei die „einzige Lösung“.

AngesagteKatastrophen finden zumeist nich statt. So wenig, wie der angebliche „Pflexit“ die beruflich Pflegenden scharenweise aus dem Beruf vertreibt, so wenig wird auch die künftige PPR 2.0 an der Realität des weiter zunehmenden Fachkräftemangels zu ändern vermögen – es sei denn, die überfällige Krankenhaus-Strukturreform wird zeitgleich mit umgesetzt.

Der weitere Fahrplan: Die Erprobungsphase für die PPR 2.0 soll im Januar 2023 in ausgewählten Kliniken starten. Ab 2025 soll die Personalbemessung für die Pflege im Krankenhaus dann bundesweit verbindlich ausgerollt werden.

Erich M. Hofer

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