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Wien: Zunehmende Probleme der Spitalsärzte folgen jenen der Pflege

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 Es sei eine besondere Ironie, dass ausgerechnet eine Erhebung unter den Ärzt*innen die Auswirkungen des Pflegepersonalmangels sehr gut aufzeigt, so der ÖGKV. Nahezu alle Prozesse in der Patientenversorgung im Krankenhaus laufen entlang der Pflege. Ohne Pflegepersonen würde niemand aufgenommen und niemand entlassen werden. Es würde niemand operiert und kein Mensch dialysiert werden, um nur einige Beispiele zu nennen.

„Bricht die Pflegestruktur ein, fällt das ganze System Krankenhaus.“

Das ist es, was wir vielerorts gerade schmerzlich erleben und die in Österreich lebenden Menschen ausbaden müssen.Die Auswirkungen einer zu dünnen Personaldecke werden in der kürzlich präsentierten >MissCare-Studie eindrucksvoll verdeutlicht.
 Potzmann_Elisabeth_ÖGKV-Pressefoto_2022
„Wir brauchen zwecks qualitätsvoller Patientenversorgung und für die Dienstplanstabilität dringend eine bessere Personalausstattung in der Pflege und eine Entlohnung, die der Leistung der Kolleginnen und Kollegen gerecht wird“, sagt Elisabeth Potzmann (li.), Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV).

Unzufrieden seien neben den Ärzti*nnen auch die Pflegekräfte, mahnte AK-Wien-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Knapp 85 Prozent sagen, dass in ihrem Team in den letzten zwei Wochen mindestens eine Pflegetätigkeit oft weggelassen oder mit Verzögerung durchgeführt werde. Viele notwendige Pflegeleistungen würden unter den Tisch fallen, da dafür die Zeit fehle. Dadurch würden etwa gefährliche Situationen seltener erkannt und viele Menschen schlecht informiert aus dem Krankenhaus entlassen werden. Das wiederum resultiere in einer Vielzahl von vermeidbaren Wiederaufnahmen im Krankenhaus („Drehtür-Effekt“).

In dieselbe Kerbe schlug am vergangenen Dienstag auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Die Politik muss dringend Rahmenbedingungen schaffen, die die Pflegekräfte entlasten und gute Pflege ermöglichen. Allen voran geht es da um mehr Zeit und dafür braucht es eine Erhöhung der Personalschlüssel“, wird sie in einer Aussendung zitiert.

>zur Nachlese: MISSCARE Austria Studie: Implizit rationierte Pflege in Spitälern bereits Realität

>Artikel vom 22.11.2022 von Hanna Mayer und Ana Valente dos Santos Cartaxo (NÖPPA)

Der aktuelle Hintergrund:

„Die Ärzteschaft fühlt sich alleine gelassen mit ihren Problemen“, fasste Peter Hajek die Ergebnisse einer Umfrage unter 1.894 angestellten Ärzten in Wien zusammen. Grund der Befragung im Auftrag der Wiener Ärztekammer war eine Reihe von sogenannten Gefährdungsanzeigen.

Deutliche Qualitätsverluste in der Patientenversorgung

Acht von zehn (84 %) der Wiener Spitalsärzt*innen stimmen der Aussage zu, dass „die aktuellen Rahmenbedingungen im Spital zu einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in der medizinischen Betreuung der Patient*innen führen“. Nahezu ebenso viele Befragte meinen zudem, dass es große Engpässe bei der Patient*innen-Versorgung an den Wiener Spitälern gebe, aber auch einen anhaltenden Qualitätsverlust in der medizinischen Ausbildung von Turnusärzt*innen.

Der Präsident der Wiener und der österreichischen Ärztekammer, Johannes Steinhart, erläuterte, dass solche Gefährdungsanzeigen als internes Instrument eigentlich zu Veränderungen führen sollten, dies sei aber nicht geschehen. Vizepräsident Stefan Ferenci erklärte dazu, dass es Gefährdungsanzeigen schon länger gebe, es seien aber keine Konsequenzen gezogen worden. Deshalb hätten sich die Kolleg*innen an die Öffentlichkeit gewandt.

Von Seiten des Wiener Gesundheitsverbundes (WIGEV) habe es stattdessen eine „Maulkorberlass“ gegeben. Ferenci warf dem WIGEV vor, dass zahlreiche Kolleg*innen kündigen, weil der Gesundheitsverbund ihnen sage, dass sie gehen sollten, wenn ihnen die Rahmenbedingungen nicht passen würden.

Die Wiener Ärztekammer ermutigt die Kolleg*innen, weiterhin Missstände zu melden. Zur raschestmöglichen Verbesserung der Situation schlägt Ferenci als erste Schritte vor, zunächst offen und ehrlich über die Baustellen zu reden und die Probleme anzusprechen. Zudem müssten zunächst alle offenen Dienstposten besetzt werden – „koste es, was es wolle.“

(APA/Red)