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Deutschlands Krankenhausreform: Neues Konzept für Notfallversorgung vorgelegt

Die Krankenhausreform nimmt mehr und mehr Gestalt an (wir berichtetten). Kürzlich wurde ein weiterer (vierter) Reformschritt – diesmal zur grundlegenden Neugestaltung der bundesweiten Notfallversorgung – vorgestellt. Ob die Bundesländer mitziehen, wird sich zeigen.

Patient*innen sollen in medizinischen Notfällen an Krankenhäusern künftig schneller und effektiver versorgt werden. Dafür sollen flächendeckend integrierte Notfallzentren (INZ) sowie integrierte Leitstellen (ILS) aufgebaut werden. Das empfiehlt die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“. Dieses Konzept stösst auf anerkennende Reaktion des Pflegeberufsverbandes DBfK (siehe unten).

Es komme darauf an, dass die Notfall- und Akutversorgung rund um die Uhr in der Lage ist, Hilfesuchende unmittelbar zielgerichtet zur richtigen Versorgung zu steuern, heißt es in der Stellungnahme der Kommission“.

„Patienten in Not schnell und effektiv zu helfen, ist Ziel einer guten Akutversorgung. Dafür müssen wir vorhandene Strukturen aufbrechen und neu ordnen. Leitgedanke muss dabei sein, dass Versorgung dort stattfindet, wo sie medizinisch auch sinnvoll ist. Für eine solche Reform sind die Empfehlungen der Krankenhauskommission eine gute Grundlage. Das Krankenhaus muss im Notfall nicht immer die erste Adresse sein. Aber es muss im Notfall schnelle Hilfe anbieten können.“ (BGM Prof. Karl Lauterbach)

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach dazu im Video:

                                                     

Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen:

1. Flächendeckender Aufbau von integrierten Leitstellen (ILS):

  • Hilfesuchende, die sich in einem Notfall an den Rettungsdienst (112) oder an den kassenärztlichen Notdienst (116117) wenden, sollen initial durch eine integrierte Leitstelle nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden.
  • Aufgrund unmittelbarer Erreichbarkeit rund um die Uhr, guter medizinischer Beratung und telemedizinischer ärztlicher Hilfe sowie verbindlicher Terminvermittlung sollen ILS für Betroffene so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden.
  • Durch von medizinisch qualifizierten Fachkräften in den ILS vorgenommene standardisierte, wissenschaftlich validierte, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung soll eine Über- oder Unterversorgung von Notfällen verhindert werden. Gleichzeitig werden die knappen Ressourcen optimal genutzt. Notaufnahmen in Krankenhäusern sollen so möglichst nur von Hilfesuchenden genutzt werden, die diese komplexen Strukturen wirklich benötigen.

2. Aufbau von sog. integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung

  • INZ sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notfallpraxis sowie einem „Tresen“ als zentrale Entscheidungsstelle bestehen.
  • Durch den Aufbau von INZ an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung (insgesamt derzeit rd. 420 in Deutschland) sollen Patientinnen und Patienten durch eine bedarfsgerechte Steuerung den richtigen Strukturen zugewiesen werden – entweder in die Notaufnahme des Krankenhauses oder die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung.
  • Die Beteiligung sowohl der KVen als auch der Krankenhäuser am INZ ist verpflichtend. Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden.
  • Zudem sollen integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendmedizin (KINZ) an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie Krankenhäusern mit einer pädiatrischen Abteilung aufgebaut werden.

 Berufsverband DBfK lobt weitblickende Einbindung der Pflege

Die Regierungskommission habe aus Sicht des (DBfK „weitsichtige Vorschläge“ unterbreitet, die den Problemen und zukünftigen Herausforderungen gerecht würden.

DBfK-GF-neu_Klapper_Dr_DGKS_Bernadette_01-10-2021

„Die Analyse der Kommission zeigt, dass die bestehenden Probleme der Notfallversorgung auch durch die Fehlversorgung in anderen Gesundheitsbereichen begründet sind“, sagt DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper (Bild). Es sei daher dringend notwendig, die Notfall- und Akutversorgung sektoren- und professionsübergreifend zu denken. „Pflegerische Kompetenzen müssen dabei strukturell verankert werden“, so Dr. Klapper.

Der DBfK begrüßt vor allem, dass Pflegefachpersonen in den Vorschlägen eine zentrale Rolle beigemessen wird. „Insbesondere hochschulisch ausgebildete Pflegefachpersonen haben die Kompetenz, den Versorgungsbedarf einzuschätzen und die Versorgung zu steuern“, meint Klapper. „Auch die von der Kommission vorgeschlagene wohnortnahe pflegerische Notfallversorgung wird aus unserer Sicht deutliche Verbesserungen für die Patient:innen bringen. Pflegefachpersonen mit Masterabschluss wie Advanced Practice Nurses und Community Health Nurses können beispielsweise in Primärversorgungszentren genau diese Aufgaben übernehmen, sobald die Weichen im Heilberufe- und Leistungsrecht gestellt sind.“

Community Health Nursing_DBfK_Logo

„Wir sehen, dass Menschen immer wieder in die Notaufnahmen kommen, weil sie nicht wissen, wo sie sonst Hilfe bekommen, oder weil sie mit einer chronischen Erkrankung schlecht versorgt sind. Man muss hier an die Strukturen der Primärversorgung“, fordert Klapper.

Gesundheitskioske in betroffenen Stadtteilen oder Primärversorgungszentren im ländlichen Raum, die interprofessionell arbeiten und von Community Health Nurses geleitet werden können, seien das Mittel der Wahl und müssten daher aus Sicht des DBfK zuerst kommen. „Jetzt müssen Bundes- und Landesregierungen zeigen, dass sie den Mut für diese weitsichtigen und notwendigen Reformen aufbringen“, so Klapper.

Patientenschützer: Personal endlich dort einsetzen, wo Patient*innen dies brauchen“

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Die Deutsche Stiftung Patientenschutz dringt trotz Protesten auf Reformen bei der Aufstellung der Kliniken. „Es ist überfällig, dass die deutschen Krankenhäuser sich jetzt endlich auf den Bedarf der kranken Menschen ausrichten“, sagte Vorstand Eugen Brysch (Bild) der Deutschen Presse-Agentur. Personelle Ressourcen kämen bisher nicht dort zum Einsatz, wo Patientinnen und Patienten sie bräuchten.

Um den ländlichen Raum zu stärken, solle Lauterbach eine geplante Reform der Notfallversorgung zunächst dort an den Start bringen. Damit bekämen nicht nur Patient*innen eine effiziente stationäre Versorgung in der Fläche. Auch die Länder könnten beweisen, wie ernst sie die Stärkung der Landkreise nehmen.

Brysch sagte, Länder und Kliniken liefen Sturm gegen die Pläne und warnten vor einem Kahlschlag v.a. auf dem Land. Er verwies dagegen darauf, dass es in der Krankenpflege seit 2017 ein Beschäftigungsplus von +13 Prozent (+43.000 Fachkräfte) gebe. Auch bei ärztlichen Berufen gebe es einen Anstieg. Die Bettenauslastung der Kliniken sei hingegen zugleich gesunken.

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> 4. Stellungnahme der Kommission zur Krankenhausreform