Integration pauschal gedacht – und wo bleiben die schwerst Pflegebedürftigen?

Österreich will die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen auf Punkt und Beistrich für alle Betroffenen umsetzen. Doch darf dies undifferenziert getan werden? Eine erfahrene Pflegeexpertin und Stationsleitung in der Steiermark hat diese wichtige ethische Frage zum Thema ihrer Masterarbeit gemacht. Ein Diskussionsbeitrag:

 

Die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen hat sich die totale Inklusion beeinträchtigter Menschen zum Ziel gesetzt. Behinderte Menschen sollen möglichst in die Gesamtgesellschaft integriert werden, am besten mit einer eigenen Wohnung und persönlicher Assistenz. Das ist für Menschen, deren Behinderung nur gering einschränkend ist, sehr wünschenswert.

 

Doch birgt diese sozialpolitische Idee folgende Problematik:  Bis zum Jahre 2020 sollen Einrichtungen, die v.a. einen medizinisch/pflegerischen Schwerpunkt haben, abgeschafft werden. (Ähnlich gelagert ist auch das Problem mit der Schließung der Sonderschulen, das in der Steiermark gerade medial diskutiert wird.)

Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen wurden offensichtlich im Nationalen Aktionsplan der österreichischen Bundesregierung vergessen. Wie sollen Menschen mit Behinderungen, die zusätzlich beispielsweise ein Tracheostoma oder eine zentralvenöse Ernährung benötigen, von nichtmedizinischem Personal versorgt werden? Ist es sinnvoll, Menschen, die stark fremdaggressiv sind, in die Gesellschaft zu integrieren?

 

Wenn Österreich die UN-Konvention auf diese Weise umsetzen will, werden pflegebedürftige Menschen unbetreut auf der Straße stehen. Ursache dafür ist, dass alle Behinderungen zusammengefasst werden und kein Unterschied in der Schwere der Behinderungen gemacht wird. Gerade für pflegebedürftige Menschen mit Behinderungen, die nicht für sich selbst sprechen können, müssen Pflegende den zum Leben notwendigen Bedarf schildern – nur so kann gewährleistet werden, dass Menschen die spitalsähnliche Betreuungssettings zum Leben brauchen, weiterhin versorgt werden können.

 

DGKS Claudia Hirzenberger, M.A.

 

 

Literaturtipp (zum Download  hier )

Hirzenberger_Masterarbeit

Gefährden institutionelle Wohnformen die Würde von Menschen mit Behinderungen?
Das gesellschaftspolitische Verdikt gegen Spezialeinrichtungen mit medizinisch-pflegerischem Schwerpunkt aus ethischer Sicht

 

image_pdfimage_print