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Rückblick: Fachtagung „Aktivierung im Alter“ in Graz

Erstmals organisierte die Österreichische Gesellschaft für Aktivierung und Gedächtnistraining am 24.6.2017 in Graz eine Fachtagung zum Thema „Aktivierung im Alter“ mit rund 90 Teilnehmenden.

Aktivierung

Im ersten Vortrag „ Aktivierung und psychosoziale Interventionen im Alter – nice or need to have?“ gab die Referentin Anne Brandt aus Norderstedt bei Hamburg Beispiele für sinnvolle Aktivierungsangebote unter dem Motto: „Weniger ist mehr! Alles kann – nichts muss!“ Wichtig bei der Aktivierung mit dementen Menschen sind Sinnesangebote, Musik ist der Königsweg. Viel reden und erklären hält sie nicht für effektiv. Es ist besser, etwas vorzumachen, das dann leicht nachgemacht werden kann. Einfühlsames Beobachten und nonverbale Kommunikation sind Methoden, um die Wünsche und Bedürfnisse der dementen Menschen zu erkennen und sie empathisch zu begleiten. Eine Balance zwischen Ruhe und Entspannung und geistiger und körperlicher Aktivität zu finden ist nicht immer einfach und bei jedem Heimbewohner individuell.

Der lebhafte, kurzweilige Vortrag wurde durch das Loriot-Video: „Einfach nur sitzen….“ ergänzt, das darauf aufmerksam machen sollte, dass jeder natürlich das Recht hat, Aktivierungsangebote abzulehnen. Die Ausführungen ließen erkennen, dass Anne Brandt viele praktische Erfahrungen mit Menschen mit und ohne Demenz gesammelt hat. Ihre wertvollen Hinweise konnten die Zuhörer gut nachvollziehen und unmittelbar in die Praxis transferieren.

Auch die nachfolgende Präsentation „Das Recht aktiv zu leben – vom Lebenssinn Hochbetagter in unserer Gesellschaft“ von Jörg Fuhrmann aus Salzburg konnte überzeugen. Seine mit viel Elan vorgetragenen Ausführungen erinnerten daran, dass wir Menschen mit Demenz häufig unterschätzen. In unserer Leistungsgesellschaft wird das Kognitive überbewertet, alles muss perfekt sein. Dabei ist die emotionale Intelligenz mindestens ebenso wertvoll. Demente Menschen haben bis zum Tod eine hohe Erlebnisfähigkeit, sie fühlen besonders intensiv und haben ein Recht auf aktives Leben.

Seine Kernthese lautet „Das Herz wird nicht dement!“ Viele eindrucksvolle Bilder konnten diesen Satz bestätigen. Fuhrmanns Forderungen: Die Gesellschaft sollte umdenken. Nicht die dementielle Erkrankung darf im Vordergrund stehen, sondern die Biografie des Betroffenen, die dahintersteckt. Mit Hochachtung sprach er von dementen Menschen. Nur wer sich selbst spürt, erlebt, seinen Lebenssinn findet und seine Wünsche und Bedürfnisse wahrnimmt, kann auf Mitmenschen eingehen, sie empathisch begleiten und Beziehung aufbauen. Wer pflegt und betreut, muss stabil und belastbar sein, sonst kann er anderen nicht helfen. Wer sein Leben lebt, das er sich wünscht, kann  Emotionen und Ängste intensiver spüren. Was zählt im Leben? Durch das imaginäre Packen eines Lebenskoffers wurde jedem deutlich, was in seinem Leben bedeutend und wertvoll ist. Jeder bestückt seinen Koffer anders.

Lacher waren zu vernehmen, als das Bild eines Lebenskoffers mit vielen Nutellagläsern gezeigt wurde. Überhaupt fiel der Vortrag überaus lebendig und witzig aus und gab Anregungen, über sein eigenes Leben und die Befindlichkeiten nachzudenken.

Die Vorstandmitglieder hatten eine gute Auswahl kompetenter Referenten zusammengestellt. Das galt auch für die  Workshops am Nachmittag mit Maria Putz, Salzburg. Ihr Thema: „Der Garten als Lebensraum“.

Auf mehreren Stationen konnten die TeilnehmerInnen Ringelblumensalbe abfüllen, Kräuterlimonaden verkosten, Samen den richtigen Pflanzen zuordnen, die Blätter verschiedenster Pflanzen betasten und vieles mehr. Der einfühlsame Vortrag von Frau Putz zeigte die vielfältigen Möglichkeiten der Gartentherapeutischen Arbeit auf und demonstrierte praktische Beispiele aus dem Seniorenbereich.

Der 2. Workshop wurde von Dagmar Dillinger-Stevic, Graz, geleitet und handelte von den Möglichkeiten der Musiktherapie bei Alter und Demenz. Selbsterfahrung stand im Vordergrund. U.a. wurden mehr als 10 verschiedene Lieder und instrumentale Musikstücke vorgespielt. Jeder Teilnehmer konnte auf einen Bogen seine Gefühle und Erinnerungen dazu vermerken, die Biografie bedingt teils konträr ausfielen. Um positive Effekte in der Altenarbeit zu erzielen, ist die überlegte Auswahl ein entscheidender Faktor.

Jörg Fuhrmann hatte viele Teilnehmer in seinem Workshop: „Entdecke die Kraft Deines Humors. Ein Erlebnisworkshop mit Dr. Balu.“  Auch in dieser Veranstaltung gab es viel zu lachen. Gerade in der Arbeit mit dementen Menschen ist Humor eine wunderbare Kraft zur Befreiung und Stärkung für  Therapeuten und Betreuer und natürlich auch für die Heimbewohner. Besonders anschaulich waren die viele praktischen Beispiele und dargestellten witzigen Situationen, die zur Nachahmung animierten.

Edith Draxl und Madeleine Lissy, beide vom Kunstlabor Graz, beeindruckten ihre Teilnehmenden mit dem Workshop „Kunst ist Schokolade für Hirn, eine Einführung in die künstlerische Arbeit mit Hochbetagten“. Wieder durften die TeilnehmerInnen selbst tätig sein und gemeinsam in Gruppen, allerdings mit geschlossenen Augen, einen Klumpen Ton zum Leben erwecken. Weiter stellten die beiden Referentinnen erfolgreiche Projekte aus Seniorenheimen vor, wie eine Fotosession, in der die Senioren und Seniorinnen nicht nur fachkundig gestylt und mit exklusiver Kleidung aus dem Theaterfundus versorgt wurden; auch der Bildhintergrund durfte selbst gewählt werden. Alles wurde dann in einer Veranstaltung Interessierten und Angehörigen vorgestellt.

Interessant und vielseitig gestaltete sich der Info-Tisch mit Literatur zur Vertiefung der referierten Themen und zu anderen Bereichen der Aktivierung und Betreuung von Senioren. Auch der Aktivierungs- und Gedächtnistrainingsparcours war stets gut besucht und bot neue Ideen für die berufliche Arbeit.

Insgesamt war es ein überaus gelungener Fortbildungstag mit engagierten Zuhörern, die die Gelegenheit zum fachlichen Austausch intensiv nutzten und sich schon heute auf den nächsten Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Aktivierung und Gedächtnistraining freuen.

 

Die Österreichische Gesellschaft für Aktivierung & Gedächtnistraining versteht sich als Plattform für Wissensaustausch und Interprofessionelle Vernetzung auf dem Gebiet der psychosozialen Interventionen und Trainingsmöglichkeiten im Betreuungs- und Pflegebereich. Seit über fünf Jahren werden regelmäßig Treffen und Fortbildungen für Interessierte aus diesen Bereichen angeboten.

 

Dr. Ellen Prang
Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats

Dr. Helga Schloffer
Obfrau

Bericht als PDF

www.aktivvernetzt.at