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Oberösterreich: Maßnahmenpaket gegen drohenden Fachkräftemangel vorgestellt

Erste Aufnahmestopps in einzelnen Pflegeheimen zeigen die Dringlichkeit auf, dem Fachkräftemangel gegenzusteuern. Deshalb hat die zuständige oö. Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer (Bild) kürzlich ein Maßnahmenpaket der Landesregierung vorgestellt.

Der drohende Mangel an Personal in den Sozial- und Gesundheitsberufen ist ein mittlerweile viel diskutiertes Thema, das nicht nur arbeitsmarktpolitisch sondern auch gesellschaftspolitisch hohe Brisanz aufweist. Bereits jetzt können 54 vorhandene Heimplätze wegen fehlendem Personal nicht belegt werden, wie die Rückmeldung der regionalen Träger Sozialer Hilfe ergeben hat. Diese 54 Plätze verteilten sich auf 8 Heime von insgesamt 133 Heimen in Oberösterreich, in 125 Heimen konnten am Stichtag auf Grund der Personalsituation alle Plätze vergeben werden. Für die stationäre Pflege stehen in Oberösterreich 12.499 Altenheimplätze zur Verfügung.

Bis zum Jahr 2025 werden in Oberösterreich rund 1.600 zusätzliche Personen in der Altenpflege und –betreuung benötigt. Deshalb ist es dringend notwendig, alles zu tun, um in den nächsten Jahren genügend ausgebildetes Personal zur Verfügung zu haben. Dies kann nur gelingen, wenn es gemeinsame Anstrengungen seitens der Oberösterreichischen Landesregierung gibt und eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden, die Interessierten eine Ausbildung in der Pflege ermöglichen.

In den nächsten Jahren werden jährlich zwischen 125 und 280 zusätzliche Personaleinheiten benötigt.

Die Ergebnisse des Projektes Sozialressort 2021+ zeigen, dass – jährlich variierend – zwischen 125 und 280 zusätzliche Personaleinheiten benötigt und entsprechend fertig ausgebildet werden müssen. Dieses Ausbildungserfordernis kumuliert sich bis zum Jahr 2025 auf die Zahl von rund 1600 Personaleinheiten in Vollzeit. Grund für diesen Anstieg sind mehrere Faktoren: Einerseits eine größere Anzahl von Pflegekräften, die in Pension gehen wird, andererseits die demografische Entwicklung mit der Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen und einem Anstieg der Pflegeintensität. Um die Mehrbedarfe an Personal entsprechend ausbilden zu können, sind die bisherigen Instrumente nicht ausreichend. Es scheitert nicht an der Anzahl an Ausbildungsplätzen, sondern viel mehr an der Anzahl an Bewerberinnen und Bewerbern. Während in den Jahren 2011 bis 2016 pro Jahr rund 500 Fachsozialbetreuer/innen Alternarbeit (FSB „A“) ausgebildet wurden, werden aufgrund der sinkenden Anmeldezahlen derzeit nur mehr rund 380 Absolvent/innen erwartet. „Es ist leider eine Tatsache, dass das Interesse an Ausbildungskursen stark zurückgegangen ist“, sagt Landesrätin Birgit Gerstorfer.

Als wesentliche Hürde auf dem Weg zur Ausbildung wird immer wieder die fehlende Finanzierung des Lebensunterhaltes während der Ausbildung genannt.

6 Maßnahmen gegen den drohenden Fachkräftemangel

– Pflegekräfteagentur als zentrale Drehscheibe für Personalakquise

– Ausbildungslehrgang „Junge  Pflege“ für Pflichtschulabsolvent/innen

– Altenheim – Implacementstiftung

– gemeinsames Marketing und Werbung für die Ausbildungsträger

– Fortführung und Ausweitung des Fachkräftestipendiums

– Existenzsicherung während der Ausbildung

Pflegekräfteagentur für zentrale Personalakquise

Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer: „Es ist auf Landesebene nötig, Initiativen zur Personalgewinnung zu setzen, weshalb ich die Abteilung Soziales und SoNe Soziales Netzwerk GmbH beauftragt habe, ein Konzept für die zentrale Personalbeschaffung über eine Pflegekräfteagentur auszuarbeiten“.

Ziel einer neu zu gründenden Pflegekräfteagentur soll es sein, Personalrekrutierung und     -entwicklung für die Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen zu übernehmen. Es ist vorgesehen, dass im Rahmen der Pflegekräfteagentur in den Jahren 2019 bis 2025 jährlich mindestens 300 Personen zusätzlich eine Ausbildung zum/zur Fach-Sozialbetreuer/in absolvieren. Zielgruppen sind vorwiegend veränderungswillige Umsteiger/innen, migrantische Personen sowie 15-17-Jährige. Die Sicherung des Lebensunterhaltes während der Ausbildung erfolgt über einen Pflegeausbildungsfonds, der von Heimträgern, Land und Bund gespeist werden soll.  Durch die bereits breit vorhandene und langjährige Kompetenz kann die SoNe Soziales Netzwerk GmbH als Träger der Pflegekräfteagentur dienen, da dort bereits jetzt viele Ausbildungswillige Beratung und Unterstützung bei der Entscheidungsfindung für einen Pflegeberuf finden.

Junge Menschen in die Ausbildung bringen – Ausbildungsmodul „Junge Pflege“

Menschen, die in einem Pflegeberuf arbeiten, haben meist eine ausgeprägte soziale Ader. Der Beruf erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Auch die psychische Anforderung darf nicht unterschätzt werden, weil der Umgang mit kranken oder gar sterbenden Menschen eine ziemliche Belastung darstellen kann. „Im Pflegeberuf hilft sicher die Lebenserfahrung, welche ältere Personen, die eine Ausbildung machen wollen, mitbringen. Wir wollen aber auch junge Menschen, die Interesse am Pflegeberuf zeigen, nicht verlieren, weshalb ich plane, für junge Menschen unter 17 Jahren eine eigene Ausbildungsschiene anzubieten.“

Klassische Lehre mit 2 Monaten Theorie und 10 Monaten Praxis pro Jahr ist für die Pflege ungeeignet

„Das klassische Lehrlingsmodell mit zwei Monaten Theorie und zehn Monaten Praxis je Ausbildungsjahr ist für den Pflegeberuf ungeeignet“, ist Landesrätin Gerstorfer sicher: „Als ehemalige Arbeitsmarktchefin kenne ich diese Thematik sehr gut. Ich weiß, dass wir hier einen altersgerechten Ausbildungsansatz brauchen, der eine bessere Kombination zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung ermöglicht. 15- oder 16-Jährige an das Pflegebett zu stellen, ist keine optimale Lösung. Das Pilotprojekt in Vorarlberg hat gezeigt, dass innerhalb von 7 Jahren lediglich 78 Personen die Pflegelehre begonnen haben. Von 20 im ersten Jahr Eingestiegenen haben 12 die vorangestellte „Betriebsdienstleistungslehre“ abgeschlossen und lediglich 7 Personen die weiterführende Pflegelehre begonnen“.

Ausbildungslehrgang „Junge Pflege“ für Pflichtschulabsolvent/innen

„Eine unkomplizierte und zeitnahe Möglichkeit, junge Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, ist es, einen eigenen Ausbildungslehrgang anzubieten, der drei Jahre dauert.  Diese Ausbildung (angrenzend an die Schulpflicht) für 15- bis 16-Jährige wird didaktisch und pädagogisch an die Zielgruppe angepasst. Der Abschluss erfolgt als Fachsozialbetreuer/in Altenarbeit“, so Gerstorfer. „Zudem bedarf es für diese Ausbildungsform keiner Gesetzesänderung auf Bundesebene, diese Lösung können wir in Oberösterreich durch Änderung des Sozialberufegesetz selbst herbeiführen.“

Mag.a Wilhelmine Steinbacher-Mittermeir,  Leiterin der Altenbetreuungschule zum Thema „Junge Pflege“

Ziel dieses Speziallehrganges ist es, interessierten Jugendlichen ab 15 bzw. 16  Jahren einen Zugang für die Ausbildung Fach-Sozialbetreuung, Schwerpunkt Altenarbeit, zu ermöglichen. Es soll einerseits die Lücke im Ausbildungssystem des Gesundheits- und Sozialbereiches schließen, andererseits sollen junge Pflichtschulabsolvent/innen nicht an andere Ausbildungsberufe verloren gehen.

Der Speziallehrgang beinhaltet eine Reihe von Modulen, um den Betreuungs- und Pflegebereich näher kennen zu lernen.

Themen (beispielhaft): Kommunikation und soziale Kompetenz inkl. persönliche Orientierung im Gesundheits- und Pflegeberuf, Ethik, betreute Personen und ihre Lebensbereiche, Konzepte kennen und Methoden und Grundsätze beachten, fördern und Erhalten von Gesundheit und Hygiene, Strukturen und Rahmenbedingungen kennen und nutzen, gesellschaftliche Entwicklungen vs. Lebensbedingungen von älteren Menschen. In den ersten 18 Monaten der Ausbildung steht die Theorie im Vordergrund, in den letzten 18 Ausbildungsmonaten wird die praktische Ausbildung intensiviert.

Altenheim – Implacementstiftung

Die ALIS Altenheim-Implacementstiftung und andere Implacementstiftungen koordinieren die Ausbildung von Fachkräften für den Sozial- und Gesundheitsbereich.  Das Modell Implacement hat sich als Instrument zur Personalrekrutierung bisher sehr bewährt. Wir vernetzen Einrichtungen mit aktuellem bzw. mittelfristigem Personalbedarf und Interessent/innen mit fehlender Qualifikation, die von Seiten des AMS als förderungswürdig gelten. Die Ausbildungskosten werden vom Land OÖ übernommen, den Lebensunterhalt bezahlt das AMS, die Praktikumsgeber als zukünftige Arbeitgeber bezahlen einen monatlichen Unkostenbeitrag an die Stiftung.

Gemeinsames Marketing zur Bewerbung von Pflegeberufen

Die attraktiven und schönen Seiten der Sozialberufe (große Jobsicherheit, Tätigkeit mit Menschen, gute Weiterbildungsmöglichkeiten, sinnstiftende Aufgabe, usw.) müssen noch besser kommuniziert werden, damit sich die Pflege in Konkurrenz mit der Wirtschaft durchsetzen kann. Landesrätin Birgit Gerstorfer will dazu alle Ausbildungsträger für ein gemeinsames Konzept zur Bewerbung von Pflegeberufen gewinnen. Eine konsequente Imagearbeit ist gerade für dieses Berufsfeld besonders wichtig.

Fachkräftestipendium für Sozial- und Gesundheitsberufe

Die finanzielle Existenzsicherung während der Zeit der Ausbildung ist ein wesentlicher Beweggrund, denn viele Personen interessieren sich zwar für einen Einstieg in den Pflegebereich, können es sich aber schlicht und einfach nicht leisten, zwei Jahre oder länger ohne Einkommen zu leben. Deshalb hat die Konferenz der Landessozialreferenten auf Antrag von Landesrätin Birgit Gerstorfer bereits die zuständige Ministerin aufgefordert, das Fachkräftestipendium wieder für alle Gesundheits- und Sozialberufe zu öffnen: „Ich fordere die Sozialministerin auf, den einstimmigen Beschluss aller Sozialreferent/innen der Länder umzusetzen und die Ausbildung zur Fachsozialbetreuer/in Altenarbeit in die Liste der Fachkräftestipendien aufzunehmen. Dadurch werden wieder mehr Menschen in die Ausbildung gehen“, sagt Gerstorfer. Zudem wurde die Ministerin von allen Sozialreferent/innen aufgefordert, das 2018 auslaufende Fachkräftestipendium unbefristet zu verlängern.

Existenzsicherung während der Ausbildung

Für eine Ausbildung geeignete Interessent/innen benötigen oftmals für die Zeit der Ausbildung eine Finanzierung ihres Lebensunterhaltes (Berufsumsteiger/innen). Aufgrund der guten Arbeitsmarktsituation ist die Zahl jener Personen rückläufig, die durch eine AMSMaßnahme eine Ausbildung absolvieren können. Wegen fehlender finanzieller Alternativen bleibt es Personen oftmals verwehrt, sich für die Pflege ausbilden zu lassen.

Hier setzt das Modell des Landespflegestipendiums (gespeist aus dem Pflegeausbildungsfonds) an. Es soll nur jene Personen unterstützen, die keine anderen Möglichkeiten der Finanzierung des Lebensunterhaltes in Anspruch nehmen können. Es darf nicht mit vorhandenen Angeboten bzw. Möglichkeiten der Finanzierung des Lebensunterhaltes konkurrieren (z.B. Implacementstiftung oder Fachkräftestipendium). Das Landespflegestipendium soll die Mindest-AMS-Leistung nicht übersteigen. Konkrete Überlegungen bewegen sich bei etwa 900,- Euro brutto pro Ausbildungsmonat.

Für junge Menschen, die sich nach der Pflichtschule für den dreijährigen Ausbildungslehrgang „Junge Pflege“ entscheiden ist eine Ausbildungsentschädigung erforderlich, die geplant bei der Hälfte des Pflegekräftestipendiums liegt.