Int. Jahr der Pflegeberufe und Hebammen 2020: Aktionismus oder doch substanzielle Fortschritte?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das Jahr 2020 zum internationalen Jahr der Pflegefachpersonen und Hebammen ausgerufen. Sie appelliert an die Regierungen weltweit, diese beiden Berufsgruppen zu fördern und derem Kompetenzen und Potenziale besser zu nutzen. Auch in den deutschsprachigen D-A-CH Staaten besteht hierfür erheblicher Handlungsbedarf.
Pflegefachpersonen und Hebammen sind ein fundamentaler Teil der Gesundheitsversorgung. Sie machen weltweit die Hälfte der Gesundheitsfachpersonen aus. In vielen Ländern sind sie oft die einzig überhaupt erreichbaren Fachpersonen und sie übernehmen damit in der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung eine tragende Funktion. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 weltweit ein Mangel an 9 Millionen Pflegefachpersonen und Hebammen herrschen wird.
“Pflegekräfte und Hebammen sind das Rückgrat jedes Gesundheitssystems. Im Jahr 2020 rufen wir alle Staaten dazu auf, in diese verstärkt zu investieren.“
Dr Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor WHO (Bild o.)
Die WHO fordert die Regierungen weltweit explizit dazu auf, in die Ausbildung und in bessere Arbeitsbedingungen für Pflegefachpersonen und Hebammen zu investieren. Ein Mangel an Pflegefachpersonen und Hebammen würde dazu führen, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele SDG (Sustainable Development Goals) aus der UN-Agenda 2030 nicht zu erreichen sind. Das betrifft nicht nur direkt gesundheitsbezogene Ziele, sondern auch zahlreiche andere Ziele, wie etwa das Ziel „Bekämpfung von Armut“ sowie „nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung“ oder auch „Zugang zu sanitären Anlagen“.
Pflegefachpersonen und Hebammen erhöhen Qualität und senken Kosten
Pflegefachpersonen und Hebammen tragens wesentlich dazu bei, unnötige und kostspielige Interventionen zu reduzieren und die Versorgungsqualität und Patientensicherheit zu erhöhen, betont WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Gebreyesus (Bild o.) in einem Interview mit der Schweizer Berufszeitschrift ´Krankenpflege´. Dazu ist es aber notwendig, dass ausreichend Hebammen und Pflegefachpersonen ausgebildet werden und ihr Potenzial auch genutzt wird – nicht nur in der direkten Patientenversorgung, sondern auch in der interprofessionellen Zusammenarbeit (etwa in Gesundheits- oder Primärversorgungszentren) und auf der Führungsebene von Gesundheitsinstitutionen und in der Gesundheitspolitik.
Handlungsbedarf auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Auch in den deutschsprachigen D-A-CH Ataaten wird ein zunehmender Fachkräftemangel immer deutlicher spürbar – bis hin zu Aufnahmesperren in Pflegeheimen bzw. Betten- und sogar Stationssperren in Krankenhäusern. Genauso wie in vielen Ländern der Welt ist die Politik gefordert, Massnahmen zu ergreifen, damit eine professionelle Versorgung aller Patien*tinnen auch in Zukunft gewährleistet ist. Die Alterung der Gesellschaft wird den Bedarf an Pflegeleistungen drastisch erhöhen.
Berufsverweildauer zu niedrig – neue Modelle sind gefragt
Eine grosse Herausforderung sowohl bei den Hebammen wie bei den Pflegefachpersonen stellt die tiefe Berufsverweildauer dar. Ein Hauptfokus muss daher auf die Arbeitsbedingungen gerichtet werden, denn diese sind derzeit zu wenig attraktiv, sodass viele ausgebildete Fachkräfte den Beruf frühzeitig verlassen. Es braucht dringend neue interprofessionelle Versorgungsmodelle, in welchen alle Beteiligten in eigener fachlicher Verantwortung tätig sein können. Diese Kompetenzerweiterung steigert die Attraktivität des Tätigkeitsfeldes und motiviert zum längeren Verbleib im Pflegeberuf und hilft damit nicht zuletzt auch Kosten einzusparen. Solche innovative Versorgungsmodelle werden in einigen EU-Ländern bereits „gelebt“ und stützen sich auf Erkenntnisse von international bewährten Modellen aus der Pflege- und Hebammenwissenschaft.
Es braucht Hebammen und Pflegefachpersonen in Führungspositionen sowie in Politik und Verwaltung
Ohne die vielfältigen Kompetenzen von Pflegefachpersonen und Hebammen wird es nicht gelingen, die Herausforderungen an die Gesundheitsversorgung der Zukunft zu meistern. Daher müssen sich diese Berufsgruppen an Entscheidungsprozessen beteiligen können. „Ich ermutige alle Staaten, die noch keine ´Chief Nursing and Midwifery Officers´ (wie etwa bereits in Österreich, Anm.d.Red.) haben, eine solche zu ernennen. Diese spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von gesundheitspolitischen Strategien“, so der WHO-Generaldirektor im Interview.
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