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Gesetz zur Digitalisierung in der Pflege 2021 macht den Weg frei: Wagt Deutschlands Pflegeprofession den grossen Schritt ins 3. Jahrtausend?

Digitale Helfer für die Pflege, mehr Telemedizin und eine leistungsfähige Telematik-Vernetzung (auch) im Gesundheitswesen – das sind die Ziele des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG).
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Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf am 20. Januar beschlossen, Mitte des Jahres soll das Gesetz in Kraft treten. „Die Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, welchen Unterschied die Digitalisierung im Gesundheitswesen machen kann, oder auch machen könnte, wenn sie weiter vorangeschritten wäre“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Zwar sei eine Pflege ohne menschliche Zuwendung nicht möglich. Aber digitale Anwendungen und Apps „..können in der Pflege einen Unterschied machen und die Kosten werden von den Pflegekassen erstattet“, so Spahn.

Apps sollen zum Beispiel bei der Sturzprophylaxe oder der Dekubitusversorgung unterstützend zum Einsatz kommen. Auch die Pflegeberatung soll durch digitale Elemente erweitert werden.

„Gute Pflege braucht menschliche Zuwendung. Sinnvolle Apps und digitale Anwendungen können Pflegebedürftigen aber helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Deshalb machen wir digitale Helfer jetzt auch für Pflege nutzbar. Wir erleichtern den Zugang zur Videosprechstunde, entwickeln die elektronische Patientenakte und das E-Rezept weiter. Und die Telematikinfrastruktur bekommt ein nutzerfreundliches Update“, umreisst Spahn die weitreichenden Absichten des Gesetzes.

Die wichtigsten Regelungen im Überblick

Neue digitale Anwendungen auch in der Pflege

  • Digitale Pflegeanwendungen (DiPAs) sind digitale Helfer und auf mobilen Endgeräten oder als browserbasierte Webanwendung verfügbar. Sie können von den Pflegebedürftigen genutzt werden, um den eigenen Gesundheitszustand durch Übungen und Trainings zu stabilisieren oder zu verbessern (z.B. Sturzrisikoprävention, personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz, Versorgung von Menschen mit Dekubitus) oder die Kommunikation mit Angehörigen und Pflegefachkräften zu verbessern.
  • Es wird ein neues Verfahren zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen und zur Aufnahme in ein entsprechendes Verzeichnis beim BfArM geschaffen.
  • Auch die Pflegeberatung wird um digitale Elemente erweitert.

Die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) wird weiterentwickelt

  • Versicherte bekommen die Möglichkeit, Daten aus DiGAs komfortabel in ihre elektronische Patientenakte einzustellen.
  • Leistungen von Heilmittelerbringern und Hebammen, die im Zusammenhang mit DiGAs erbracht werden, werden künftig vergütet.
  • Datenschutz und Informationssicherheit von DiGAs werden gestärkt: Es wird ein verpflichtendes Zertifikat für die Informationssicherheit eingeführt.

Telemedizin wird ausgebaut und attraktiver

  • Die Vermittlung von Vor-Ort-Arztterminen wird um die Vermittlung telemedizinischer Leistungen ergänzt, so dass Versicherte ein Angebot aus einer Hand erhalten; auch der kassenärztliche Bereitschaftsdienst soll telemedizinische Leistungen anbieten.
  • Der Gemeinsame Bundesausschuss wird beauftragt, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung zu ermöglichen.
  • Telemedizinische Leistungen werden auch für Heilmittelerbringer und Hebammen ermöglicht.

Die Telematikinfrastruktur bekommt ein Update

  • Die gematik erhält den Auftrag, einen sicheren, wirtschaftlichen, skalierbaren und an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer angepassten Zugang zur Telematikinfrastruktur als Zukunftskonnektor zu entwickeln.
  • Die sicheren Übermittlungsverfahren zwischen Versicherten, Leistungserbringern und Kostenträgern werden erweitert. Sie umfassen künftig neben der E-Mail-Funktion auch einen Videokommunikationsdienst und einen Messagingdienst.
  • Versicherte und Leistungserbringer erhalten ab 2023 digitale Identitäten, um sich zum Beispiel für eine Videosprechstunde sicher zu authentifizieren.
  • Die künftig auch bei Leistungserbringern kontaktlos einlesbare elektronische Gesundheitskarte dient in Zukunft als Versicherungsnachweis der Versicherten und nicht mehr als Datenspeicher.
  • Die Notfalldaten werden zusammen mit Hinweisen der Versicherten auf den Aufbewahrungsort persönlicher Erklärungen zu einer elektronischen Patientenkurzakte weiterentwickelt.
  • Der elektronische Medikationsplan wird innerhalb der Telematikinfrastruktur in eine eigene Anwendung überführt, die nicht mehr auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert wird. Genau wie bei der elektronischen Patientenakte können Versicherte künftig über ihre persönliche digitale Benutzeroberfläche auch auf diese digitalen Anwendungen selbstständig zugreifen.
  • Abgabe, Änderung und Widerruf der Organspendeerklärungen in dem vom BfArM zu errichtenden Organspenderegister können künftig auch über die Versicherten-Apps der Krankenkassen getätigt werden, selbst dann, wenn die Versicherten keine elektronische Patientenakte nutzen.
  • Zur Stärkung grenzüberschreitender Patientensicherheit soll bis spätestens Mitte 2023 die nationale E-Health-Kontaktstelle aufgebaut werden, so dass Versicherte ihre Gesundheitsdaten auch Ärztinnen und Ärzten im EU-Ausland sicher und übersetzt zur Verfügung stellen können.

E-Rezept und elektronische Patientenakte werden weiterentwickelt

  • Für den Bereich der häuslichen Krankenpflege, außerklinischen Intensivpflege, der Soziotherapie, der Heil- und Hilfsmittel, der Betäubungsmittel und weiterer verschreibungspflichtiger Arzneimittel werden elektronische Verordnungen eingeführt.
  • Um hierbei eine flächendeckende Nutzbarkeit der jeweiligen elektronischen Verordnungen sicherzustellen, werden die entsprechenden Erbringer der verordneten Leistungen (z.B. Pflegedienste oder auch die Heil- und Hilfsmittelerbringer) zum sukzessiven Anschluss an die Telematikinfrastruktur verpflichtet. Die ihnen dadurch entstehenden Kosten werden ihnen, genau wie den Ärztinnen und Ärzten, erstattet.
  • Jeder Versicherte erhält die Möglichkeit, Rezept- und Dispensierinformationen komfortabel in seiner elektronischen Patientenakte einzustellen und dort im Sinne einer Arzneimittelhistorie zu nutzen.
  • Versicherte sollen künftig Rezepte in der Apotheke auch personenbezogen mit Identitätsnachweis abrufen können. Auch bei Apotheken im europäischen Ausland soll es möglich werden, elektronische Rezepte einzulösen.

 Digitale Vernetzung wird ganzheitlich gefördert

  • Bei der gematik werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Interoperabilitätsverzeichnis zu einer Wissensplattform weiterentwickelt und eine neue Koordinierungsstelle für Interoperabilität im Gesundheitswesen eingerichtet wird; diese soll die Bedarfe für die Standardisierung identifizieren und Empfehlungen für die Nutzung von Standards, Profilen und Leitfäden entwickeln und fortschreiben. Die Einzelheiten regelt das BMG im Rahmen einer Rechtsverordnung.

Digitale Gesundheitskompetenz wird weiter gestärkt

  •  Für das bereits bestehende Nationale Gesundheitsportal ist eine breite und verlässliche Datenbasis notwendig. Diese soll nun weiter ausgebaut werden, in dem dort künftig noch mehr Informationen zur vertragsärztlichen Versorgung zugänglich gemacht werden. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen werden beauftragt, entsprechende Daten zusammenzuführen und nutzbar zu machen.
  • Versicherte können künftig auch über die elektronische Patientenakte und das elektronische Rezept verlässliche Informationen direkt auf dem Portal abrufen.

Leistungserbringer werden durch gesetzliche Datenschutz-Folgenabschätzung entlastet

  • Mit dem Gesetz übernimmt der Gesetzgeber für die Verarbeitung personenbezogener Daten in den Komponenten der dezentralen Telematikinfrastruktur (z.B. Konnektoren und Kartenlesegeräte) die sogenannte Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).  Von dieser Möglichkeit, die Datenschutz-Folgenabschätzung vom Gesetzgeber durchzuführen, wird erstmalig in Deutschland Gebrauch gemacht.
  • Ärztinnen und Ärzte werden dadurch erheblich von Bürokratie entlastet: Die Einsparungen betragen einmalig rund 730 Mio. Euro für die Erstellung der Datenschutz-Folgenabschätzung und jährlich rund 548 Mio. Euro für Anpassungen. Ausserdem werden Kosten von rund 427 Mio. Euro jährlich eingespart, weil die Leistungserbringer keinen Datenschutzbeauftragten benennen müssen.

(Quelle)

>> zum Gesetzentwurf vom 20.01.2021 (Regierungsvorlage an den Bundestag)

Im Interview zum Thema

„Die Diskussion über „Digitalisierung ODER Mensch“, dieses Gegeneinanderhalten, ist Schnee von gestern. Denn es geht darum, wie man aus beiden Welten das Beste für die Pflegenden und die zu Pflegenden herausholt.“.. (Prof. Dr. David Matusiewicz, FOM Hochschule)

>> zum Interview: „Digitalisierung in der Pflege – Potenzial enorm, Reifegrad winzig.“