Die Zah der Beschäftigten in der Altenpflege sowie Gesundheits- und Krankenpflege steigt seit Jahren weiter an, unterliegt aber natürlichen saisonalen Schwankungen. Dennoch wird ein „Massen-Exodus“ aus den Pflegeberufen herbeigeschrieben. Diese wenig glaubwürdige Dramatisierung ist fehl am Platz, schadet der Pflege insgesamt und ist wegen der nahen Bundestagswahlen wohl eher politisch motiviert.
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Das Tauziehen um die Datenwahrheit zur angeblichen „Berufsflucht“ und drohenden „Massenkündigungen“ wurde vom Weltbund ICN ausgelöst – doch was nützt dies der beruflichen Pflege?
Den in den vergangenen Monaten diskutierten Rückgang von 9.000 Beschäftigten in der Pflege kann die Bundesagentur für Arbeit aus den aktuell veröffentlichten Daten nicht bestätigen. Zwar sei die Zahl der insgesamt rund 1,8 Millionen beschäftigten Alten- sowie Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in den Monaten März bis Juli 2020 minimal gesunken (-0,5 %). Allerdings sei dieser saisonale Rückgang in der Gesundheits- und Krankenpflege jedes Jahr festzustellen und daher überwiegend nicht – wie fälschlich kolportiert – der Corona-Pandemie geschuldet. Vielmehr seien z. B. endende Ausbildungsverhältnisse und angepasste Stellenbesetzungsprozesse vor den Sommerferien Gründe dafür, analysiert die BA.
Plus von 43.000 Beschäftigten
Im Oktober 2020 hat die BA 1,77 Mio. sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie Altenpflege gezählt. Das seien 43.300 mehr als ein Jahr zuvor. In den vergangenen fünf Jahren sei in der Pflege ein Beschäftigungszuwachs um +14 % zu verzeichnen, so die amtliche BA-Statistik. Aber auch diese Zahlen sind höchst vorsichtig zu interpretieren: So reduzieren beispielsweise v.a. weibliche beruflich Pflegende aus familiären Gründen auf Teilzeit (Kinder, Pflege naher Angehöriger, nebenberufliches Studium o.ä.), um später wieder auf Vollzeit aufzustocken.
Der Präsident des privaten Arbeitgeberverbandes bpa, Bernd Meurer, sagte angesichts der jüngsten Zahlen der BA: „Politiker verschiedener Parteien und Gewerkschaften haben diesen angeblichen Rückgang instrumentalisiert und erklärt, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege so schlecht seien. Jetzt zeigt sich, dass diese Behauptung auf tönernen Füßen stand.“
Zwar steigt die Beschäftigtenzahl, doch bleibt der Fachkräftemangel weiterhin evident, bestätigt die BA – aber: Bei Pflegehelfer*innen gebe es bereits mehr Bewerber*innen als offene Stellen.
Kassandrarufe des ICN als Auslöser
Auch in der Schweiz besteht der Fachkräftemangel – seit Jahren und ungeachtet der Coronakrise – mit aktuell rund 6.000 offenen Stellen weiterhin fort. Bereits vor der Pandemie ist nahezu die Hälfte der ausgebildeten Pflegefachpersonen aus dem Beruf ausgestiegen – viele bereits vor ihrem 35. Geburtstag.
Auslöser für die Kassandrarufe von der angeblichen Berufsflucht aus der Pflege dürfte die Warnung des Weltbundes ICN zum diesjährigen International Nurses Day am 12. Mai gewesen sein, die prompt und undifferenziert von nationalen Berufsverbänden nachgebetet wurde. Der ICN geht davon aus, dass die Belastungen durch die Covid-Pandemie dazu führen könnten, dass drei Millionen Pflegefachleute (von weltweit insgesamt 27,8 Mio.) den Beruf verlassen. Wie viele gut ausgebildete Neueinsteiger*innen es im gleichen Zeitraum geben wird, bleibt unerwähnt. Solch einseitig verzerrte Schätzungen sind unseriös und schaden der beruflichen Pflege weit mehr als sie politisch nützen.
„Pflege bleibt Beschäftigungsmotor mit überdurchschnittlichem Lohnzuwachs“
„Fast 40 Prozent mehr Ausbildungsanfängerinnen und -anfänger, mehr als 30 Prozent Lohnsteigerung in zehn Jahren, Lohnzuwächse von zehn Prozent oberhalb der Gesamtwirtschaft – diese Zahlen zeigen eines ganz klar: Es gibt keinen Grund, die Pflege schlechtzureden und wer dies tut, ignoriert die Fakten.“ Das sagte bpa-Arbeitgeberpräsident Bernd Meurer angesichts der in Deutschland aktuell veröffentlichten amtlichen Zahlen. Demzufolge hat das Interesse an einer Alten- bzw. Krankenpflegeausbildung stark zugenommen: 2019 gab es +39 Prozent mehr Anfänger*innen als zehn Jahre zuvor.
Fehlinterpretation von Statistiken – bessere Daten erforderlich
Angesichts dieser angeblich drohenden „Kündigungswelle“ warnte bereits der Deutsche Pflegerat vor Fehlinterpretationen von Statistiken und forderte, die Erhebung und Analyse von Daten in der Pflege „dringend zu verbessern“. Derzeit seien exakte Aussagen aufgrund fehlender Daten oft nicht möglich. Zudem würden aus Zahlen nicht selten falsche Schlüsse gezogen.
DPR-Präsident Dr.h.c. Franz Wagner (re.) betonte dazu: „Statistische Zahlen müssen immer sogfältig geprüft und in einen Kontext gestellt werden.“ Dennoch gelte weiterhin: „Die Arbeitsbedingungen müssen sich jetzt ändern. Hier ist weiterhin ein dringender Handlungsbedarf gegeben“, so Wagner). So könnten Pflegekammern einen „ausgezeichneten Beitrag“ leisten, die Datenlage in der Pflege zu verbessern.