Österreichs Pflegereform – Teil 2: Berufsverband ÖGKV und Rotes Kreuz sehen einige „Kernforderungen erfüllt“

Der erste Teil der Pflegereform brachte keinen großen Wurf für die professionelle Pflege. Im zweiten Teil hingegen werden essenzielle Forderungen erfüllt. Jetzt müsse die Umsetzung gelingen, so der Verband. Auch das Rote Kreuz sieht positive Ansätze in die geforderte Richtung, die Diakonie dagegen sieht ein Stückwerk und vermisst ein Gesamtpaket.

• Erst- und Weiterverordnung von Medizinprodukten durch DGKP:

In Zukunft dürfen Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen (DGKP) bestimmte Medizinprodukte, die pflegerelevant sind, auch erstverordnen. Das Gesetz zur Weiterverordnung dieser Medizinprodukte (nach Erstverordnung durch Ärzt*innen) gibt es seit der GuKG Novelle 2016. Es konnte aber nie in der Praxis angewendet werden, da die entsprechende Änderung im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz bis heute verhindert wurde. Nun gilt es, diese Änderung sowohl für die Erstverordnung, als auch die Weiterverordnung zügig umzusetzen. „Jetzt müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden“, freut sich ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann (Bild).

• Pflegegeldeinstufung durch Pflegekräfte:

Der Einsatz von Pflegefachpersonen bei der Pflegegeldbegutachtung im Rahmen von Erhöhungsanträgen hat sich bewährt. Für eine Erstbegutachtung besucht üblicherweise eine Ärztin oder ein Arzt die pflegebedürftige Person zu Hause. Künftig darf diese Aufgabe auch Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal übernehmen.

• Erhöhte Durchlässigkeit bei der Ausbildung:

Pflegefachassistent*innen erhalten leichteren Zugang zur verkürzten Diplomausbildung. Gleichzeitig soll es DGKP, die an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen ausgebildet wurden, erleichtert werden, den Bachelorgrad an Fachhochschulen zu erlangen. Die Anrechnungsmöglichkeiten werden erweitert. Diese Durchlässigkeit der Ausbildung werde den Pflegeberuf sicher attraktiver machen, ist der ÖGKV überzeugt.

Auch die Nostrifikationserleichterungen (d.h. Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen) und die UBV-Anerkennung für Zivildiener sind wichtige Forderungen, die nun erfüllt werden. Nun muss eine rasche Umsetzung in die Praxis folgen, fordert der Berufsverband.

Kritisch sieht der ÖGKV dagegen die „Teilbarkeit der 24-h-Betreuung“. Künftig sollen bis zu drei Menschen, die in keinem Familien- oder Verwandtschaftsverhältnis stehen, von einer 24-h-Personenbetreuerin betreut werden können. Hier wünscht sich der ÖGKV eine „Fachaufsicht“ durch diplomierte Pflegefachpersonen – dies aber würde die Kosten für die häuslich betreuten Menschen erhöhen und zudem wohl auch am Fachkräftemangel scheitern.

> Die 18 Punkte der Pflegereform-II im Detail

Rotes Kreuz: Erste Schritte begrüsst, weitere müssen folgen

Die Bundesregierung hat jetzt 18 weitere Maßnahmen für die Pflege präsentiert, für die bis Ende 2024 120 Mio. Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Einige langjährige Forderungen sieht das ÖRK darin berücksichtigt. „Das sind positive Signale. Das Ziel muss aber sein, dass langfristige Strukturen geschaffen werden, um den Beruf für neue Pflegekräfte attraktiv zu gestalten. Jede/r, der in Österreich im Pflegeberuf arbeiten möchte, sollte sich willkommen fühlen“, sagt Generalsekretär Michael Opriesnig (Bild).

Die Anhebung der Förderung in der 24-Stunden-Betreuung auf 800 Euro sowie die finanzierte Ausweitung der Hausbesuche von diplomiertem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal als qualitätssichernde Maßnahme auf vier pro Jahr sei zu begrüßen. Wichtig wäre dabei auch die Anhebung der Einkommensgrenze von derzeit 2.500 auf 3.900 Euro, um den Wertverlust seit der letzten Anpassung im Jahr 2007 auszugleichen.

Die langjährige Forderung, dass diplomierte Pflegekräfte die Ersteinstufung des Pflegegeldanspruchs und Erstverordnungen von Medizinprodukten vornehmen können, werten den Beruf zusätzlich auf. Positiv sei zudem, dass pflegende Angehörige für den Erhalt des Angehörigenbonus nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben müssen. Generalsekretär Opriesnig: „Für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung ist in Zukunft aber eine jährliche Indexanpassung notwendig.“ Mit diesen Maßnahmen im Gepäck und der Aufgabe, für eine langfristige und stabile Finanzierung in diesem Bereich zu sorgen, ließen sich von der Bundesregierung tiefgreifende Strukturen entwickeln, um dem prognostizierten Engpass an Pflegekräften entgegen zu wirken.“

Diakonie Österreich: Reform greift zu kurz – Blick aufs Ganze notwendig

Der „Teil 2 der Pflegereform“ greift zu kurz, mahnt die Diakonie Österreich ein Gesamtkonzept an: „Was fehlt, ist der Blick aufs Ganze, ein Herumdoktern an Einzelmaßnahmen ist zu wenig. Blick aufs Ganze heisst: grundlegende Pflegereform und Ausbau von bedarfsgerechten Pflegeangeboten,“ so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser (Bild).

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