Jahrelange häusliche Sorgearbeit durch An- oder Zugehörige wird zumeist unentgeltlich geleistet und ist zwar für die Pflegebedürftigen vorteilhaft, für die Pflegenden jedoch häufig mit Nachteilen verbunden. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, brachte Bayern dazu einen Antrag bei der 95. Justizministerkonferenz am 5./6. Juni in Hannover ein.
Justizminister Georg Eisenreich (Bild) schlägt vor, die Anerkennung für häusliche Pflege im Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschland-weit klar zu regeln. Eisenreich: „Im Alltag vergessen die Beteiligten häufig, entsprechende Regelungen zu treffen oder sie trauen sich aus emotionalen Gründen nicht, das Thema anzusprechen. Rechtliche Probleme können auch auftreten, wenn Zweifel an der Geschäfts- oder Testierfähigkeit des gepflegten Erblassers aufkommen“.
Die alternde Gesellschaft sei immer stärker auf die Hilfe von Pflegenden angewiesen. Eisenreich: „Wenn wir einen Anreiz für häusliche Pflege schaffen wollen, muss die Anerkennung für häusliche Pflege klar und rechtssicher im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden – sei es als Vermächtnis oder in anderer Form wie etwa als Nachlassverbindlichkeit“. Denn: Das Engagement von pflegenden An- und Zugehörigen sichert der pflegebedürftigen Person nicht nur den gewünschten weiteren Verbleib im häuslichen Umfeld, sondern auch Lebensqualität und soziale Teilhabe.
Und: Nicht zuletzt schont die private häusliche Pflege ja auch das Vermögen des Gepflegten, da Heimplätze und ambulante Pflegedienste mit teuren Selbstbehalten verbunden wären.
Aus Sicht des bayerischen Justizministers ist dabei insbesondere zu klären, ob der Kreis der Anspruchsberechtigten beschränkt sein sollte, wie der Betrag konkret bemessen werden soll und welche zeitlichen Grenzen angemessen sind: „Jeder, der schon mal einen Angehörigen gepflegt hat, weiß, wie herausfordernd diese Aufgabe physisch und psychisch sein kann und wie viel Zeit es die Pflegenden kostet. Der Bundesjustizminister ist gefordert, eine klare Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu schaffen.“
Kommentar:
Tatsächlich erfahren pflegende An- und Zugehörige oftmals gravierende persönliche Nachteile. So zehrt die vielfach körperlich anstrengende und psychisch belastende Sorgearbeit – mangels ausreichender Entlastungsangebote – an der Gesundheit der Pflegenden selbst. Hinzu kommt die drohende Altersarmut, weil die Rund-um-die-Uhr-Betreuung der/des Pflegebedürftigen eine eigene Berufstätigkeit unmöglich macht und folglich auch der Rentenanspruch – oft über Jahre – entsprechend verringert wird. Nicht zuletzt ist in vielen Fällen auch die Lebensqualität der pflegenden Person deutlich beeinträchtigt und deren soziale Teilhabe stark reduziert.
Daher ist die Idee aus Bayern sehr gut und zielt in die richtiger Richtung – ist aber vermutlich in der realen Umsetzung viel zu kompliziert, bürokratisch und durch reale Klippen gefährdet (klagende Erben, arglistige Erbschleicherei, …). Zudem würden erbberechtigte pflegende An-/Zugehörige in den zahlreichen Fällen eines Mangels an Erbmasse ohnedies völlig leer ausgehen, weshalb ggf. der Staat mit einer angemessenen, gerichtlich festgestellten „Entschädigungszahlung“ einspringen müsste.
Bewährtes „Anstellungsmodell“ für pflegende An-/Zugehörige
Als Alternative zur Entschädigung UND zugleich sozialen Absicherung von häuslich pflegenden An- und Zugehörigen bietet sich das „Anstellungsmodell“ nach dem Vorbild Dänemarks an, wie es auch im österreichischen Burgenland schon seit Jahren nachweislich erfolgreich umgesetzt wird.
>Details zu den Anstellungsmodellen in Dänemark und Österreich finden Sie hier
Erich M. Hofer