Schweizer Medienberichte zeichnen ein erschreckendes Bild: Medizinische und pflegerische (Beinahe-)Fehlermeldungen würden oft nur halbherzig erfasst, Maßnahmen kaum umgesetzt: Ein TV-Beitrag von SRF Investigativ meldet Zweifel am CIRS-System an. Von einem „Meldefriedhof“ spricht CIRS Mitbegründer Sven Staender. Eine klärende Studie wurde um Jahre hinausgezögert …
Rund fünf Prozent der Patienten erleiden während einer medizinischen Behandlung einen vermeidbaren Schaden – so Schätzungen des Bundes. Um die Patientensicherheit zu verbessern, wurde im Jahr 2020 das >Critical Incident Reporting System (CIRS) eingeführt – ein anonymes Meldesystem, das Missstände und Risiken im Gesundheitswesen erfassen, analysieren und Gegenmassnahmen ableiten soll. Doch die Umsetzung lässt – obwohl für Spitäler verpflichtend – mangels externer (unabhängiger) Evaluationen – vielerorts zu wünschen übrig.
Auch die Pflege steht unter (Schweige-)Druck
Laut Recherchen der SRF-Sendung >Rundschau werden in vielen Spitälern Meldungen lediglich aus Pflichtbewusstsein registriert – eine systematische Auswertung und die Umsetzung von Massnahmen bleiben jedoch oft aus.
Auch gegenüber SRF Investigativ berichten mehrere Pflegefachfrauen, dass die Stationsleitung sie angewiesen habe, keine Meldungen mehr zu erfassen, zum Beispiel „..weil es ein schlechtes Licht auf die Station werfe.“
Eine Pflegende schildert gegenüber dem TV-Team: „Ich könnte täglich Meldungen erfassen, aber es passiert sowieso nichts…“ Das Meldesystem sei wichtig, oft fehle es aber an Zeit und Ressourcen für vertiefte Analysen.
Interessenskonflikte …
Ein früherer leitender Arzt des Unispitals Zürich betont, dass die Offenlegung von Qualitätsmängeln zu einem Dilemma führe: Einerseits sei sie essenziell, um Probleme zu beheben, andererseits bestehe die Angst der Spitäler vor einem Image- und Vertrauensverlust, was wiederum eine Abnahme der Patientenzahl bedeuten könnte.
CIRS Mitbegründer Sven Staender sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. CIRS sei „in gewissen Spitälern zum Meldefriedhof verkommen. Deshalb muss man unbedingt gegensteuern“, erklärt er im SRF-Beitrag. Aus der Vielzahl an Meldungen müssten die relevanten Fälle herausgefiltert und sorgfältig analysiert werden. Staender fordert deshalb einen Neustart zum «CIRS 2.0».
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Bereits 2019 hatte der vom Bundesamt für Gesundheit beauftragte Oxford-Professors Charles Vincent laut der «Beobachter» berichtet, dass es in der Schweiz nahezu keine Transparenz über die Qualität in Spitälern gibt. Eine vom Bundesrat 2021 gegründete Qualitätskommission sollte eine umfassende Studie in Auftrag geben, um das Ausmaß der Qualitätsmängel in Schweizer Spitälern zu dokumentieren. Dieser Auftrag wurde jedoch erst im April 2024 an das Lausanner Universitätszentrum für Allgemeinmedizin und öffentliche Gesundheit (Unisanté) erteilt. Ergebnisse werden bis Ende April 2026 erwartet. (…)