Der Pflegemarkt ist im Umbruch: Während Tagespflege und ambulant betreute Wohnformen boomen, gehen die personalintensiven Pflegeheimplätze deutlich zurück. Einer aktuellen Umfrage des bpa zufolge kann bereits jedes zweite Pflegeheim in Deutschland wegen Personalmangels nicht mehr alle Plätze belegen.
Neben dem Fachkräftemangel ist wahrscheinlich auch der für viele Pflegebedürftige zunehmend nicht mehr leistbare, stetig steigende finanzielle Eigenanteil in den Heimen ein Motor für diesen sich abzeichnenden Paradigmenwechsel in der Pflegelandschaft.
Derweil bpa-Präsident Bernd Meurer im ARD-Mittagsmagazinvon einer „tiefen Krise“ der gegenwärtigen Pflegebranche spricht, erkennen immer mehr Heimträger die veränderten Kundenbedürfnisse und erweitern ihr (schrumpfendes) vollstationäres Pflegeangebot um Tagespflege und ambulant betreute Wohnformen. Beides ist wesentlich weniger personalintensiv, folgkich auch deutlich kostengünstiger für die Pflegebedürftigen und sichert das wirtschaftliche Fortbestehen der vollstationären Heime zusätzlich für die Zukunft ab.
Und nicht zuletzt bieten Tagespflege und Betreutes Wohnen auch die Chance einer besseren Einbindung der Angehörigen in den Betreuungs- und Pflegeprozess (siehe Bericht von Versorgungsforscher Prof. Dr. Wolfgang George in dieser Ausgabe >hier).
Kommentar:
Hat das personal- und kostenintensive Hotel-Modell nun tatsächlich bald ausgedient? Ja, denn: Zweifellos sind Pflegeheime der ersten Generationen mit „bewahrendem“ Charakter und einem fachlich wie menschlich völlig überholtem „Warm – satt – sauber“-Pflegekonzept (Prof. Erwin Böhm) am Ende ihrer rund 200-jährigen Geschichte angelangt. (So wurde beispielsweise das einst größte Pflegeheim Mitteleuropas – das „Geriatriezentrum Am Wienerwald“ in Wien-Lainz mit mehr als 3.000 Plätzen – im Jahr 2015 endgültig geschlossen und die Bewohner*innen in dezentral angelegte 100 Plätze-Pflegewohnhäuser verlegt).
Heime mit einem „Wohngruppen-Konzept“ – das die Bewohner*innen weitestmöglich (re-)aktiviert und damit deren Pflegebedürftigkeit mindert bzw. verzögert – werden sich weiterhin auf dem Pflegemarkt behaupten können. Diese Häuser benötigen deutlich weniger Fachpersonal und können folglich dem Fachkräftemangel erfolgreich entgegen treten. Zudem können deren stationäre und teilstationäre Angebote kostengünstiger gestaltet werden und so das Problem der stetig steigenden finanziellen Zuzahlungen durch die Pflegebedürftigen entschärfen.
Und nicht zuletzt erkennen immer mehr Heimträger die veränderten Kundenbedürfnisse und erweitern vorausblickend ihr (schrumpfendes) vollstationäres Pflegeangebot um Tagespflege und ambulant betreute Wohnformen sowie innovative „Mitmach-Heime“ mit verstärkter Angehörigen-Integration.
Die Politik ist gefordert, diesen Wandel durch möglichst unbürokratische Rahmenbedingungen zu unterstützen und auch die finanziellen Förderungen entsprechend anzupassen.
Erich M. Hofer