Europa: Gesicherte Medikamentenversorgung muss integraler Teil der Landesverteidigung sein

Zur aktuellen Diskussion um Europas militärischer Aufrüstung gehört auch die „zivile Landesverteidigung“ – etwa im Gesundheitsbereich, denn: Ohne Antibiotika, Anästhetika oder Thrombolytika bricht auch die Sicherheit eines Landes zusammen. Darauf weisen jetzt 11 Gesundheitsminister in einem Offenen Brief hin und fordern eine Arzneimittel-Offensive mit Verteidigungsgeldern.

So wie die Europäische Union sich jetzt um militärische Unabhängigkeit von den USA bemüht, so werde sie sich auch für die Unabhängigkeit von der Arzneimittelversorgung aus Asien  anstrengen müssen. Elf europäische Gesundheitsminister veröffentlichten deshalb kürzlich einen gemeinsamen Appell für eine „Wiederaufrüstung“ des Kontinents – mit Medikamentenherstellern. Denn diese Abhängigkeit von 60 – 80 Prozent von asiatischen Lieferketten sei die „Achillesferse“ der europäischen Verteidigung, so der Aufruf.

Abb.: Euronews

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Unterzeichnet wurde der Text von den Gesundheitsministern Frank Vandenbroucke (Belgien), Vlastimil Valek (Tschechien), Spyridon-Adonis Georgiadis (Griechenland), Hosam Abu Meri (Lettland), Mónica García Gómez (Spanien), Karl Lauterbach (Deutschland), Ana Paula Martins (Portugal); Riina Sikkut (Estland), Marija Jakubauskienė (Litauen), Valentina Prevolnik Rupel (Slowenien) und Michael Damianos (Zypern).
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Die Minister schildern das Risiko am Beispiel der Antibiotika: „Stellen Sie sich beispielsweise vor, dass die Lieferkette bei Antibiotika in einem eskalierenden Konflikt unterbrochen wird. Dieses Szenario ist nicht weit hergeholt. 80 bis 90 Prozent der Antibiotika dieser Welt werden in Asien hergestellt – vor allem in China. Ohne diese essenziellen Arzneimittel werden Routineeingriffe zu Hochrisiko-Operationen, und Infektionen, die sonst einfach zu behandeln sind, können tödlich werden.“ Es sei leicht für ausländische Parteien, diese Abhängigkeit auszunützen, um Europas Verteidigungs-Fähigkeit zu sabotieren. Denn: „Ohne Antibiotika würden unsere Gesundheitssysteme kurzerhand zusammenbrechen.“, warnen die elf Minister eindringlich.

Vorwärts – einen Schritt zurück

Die Fehlentwicklung am (über-)lebenswichtigen Arzneimittelsektor – also die langjährige Auslagerung der Produktion nach Asien – müsse raschestmöglich korrigiert werden.
Zwar sei die EU tätig geworden: Mit dem „Critical Medicines Act“ vom Mai 2023 wurde versucht, die Lieferketten besser abzusichern. Doch die geopolitische Situation habe sich schon wieder verändert, so die Minister in ihrem Aufruf.
Es sei hoch an der Zeit, den Critical Medicines Act umfassender zu formulieren – wie dies etwa die USA tun, wo mit dem „Defense Production Act“ die Pharma-Lieferketten als Problem der nationalen Sicherheit definiert werden. Jetzt müsse Europa „entschlossen handeln und, wo nötig,  möglichst eine heimische Produktion aufbauen“ – auch mit Verteidigungsgeldern, wird gefordert.
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