Deutschland: 11.000 Pflegefachkräfte warten auf Berufsanerkennung

Fachkräftemangel hin oder her: In Deutschland warten – auch wegen langwieriger bürokratischer Hürden – laut Recherchen von CORRECTIV Tausende ausländische Pflegekräfte trotz abgeschlossener Ausbildung monatelang auf ihre Anerkennung.

Regelmäßig schlagen die Branchenvertreter der Pflege wieder Alarm: Der Mangel an Pflegefachkräften im Land sei riesig, und er wachse von Jahr zu Jahr, schreibt das gemeinwohlorientierte Medienhaus correktiv.org

Laut Deutschem Pflegerat würden derzeit bundesweit 115.000 Pflegefachkräfte fehlen. Und in zehn Jahren würden es eine halbe Million sein. Die Folge sei, dass überall im Land Familien verzweifelt darauf warten, Angehörige in Pflegeheimen unterbringen zu können. Denn den Heimbetreibern fehle es an Personal, um die Betroffenen versorgen zu können.

Ein recht großer Teil dieses Problems sei aber hausgemacht – durch die deutsche Bürokratie. Derzeit steckten rund 11.000 fertig ausgebildete Pflegefachkräfte aus anderen Ländern teils seit Monaten im sogenannten Anerkennungsverfahren fest.

Diese Zahl habe der bpa-Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste für CORRECTIV bei seinen Mitgliedsunternehmen erfragt. Jene rund 11.000 Pflegekräfte seien demnach in ihren Heimatländern zu Pflegefachkräften ausgebildet worden und wären von ihren Kenntnissen her sofort für die Pflege einsetzbar. Das hieße, sie könnten eigenverantwortlich Medikamente verabreichen, Spritzen setzen, Pflegepläne für Pflegebedürftige erstellen und die Verantwortung für die im Pflegedienst besonders unbeliebten Nachtdienste übernehmen.

Besser gesagt: Sie könnten es theoretisch. Praktisch nämlich dürften die Heimbetreiber sie nicht als Fachkräfte einsetzen, solange sie nicht den erforderlichen Stempel der jeweils zuständigen Behörde auf ihrer Arbeitserlaubnis trügen. Von den 11.000 Kräften solle etwa die Hälfte, also rund 5.500, von den Betreibern perspektivisch in der Altenpflege eingesetzt werden, die andere Hälfte in Krankenhäusern.

Fachkräfte arbeiten offiziell als Hilfskräfte

Zum großen Teil arbeiteten die Pflegenden, um die es gehe, laut bpa schon jetzt in deutschen Pflegeheimen und Krankenhäusern – allerdings als Hilfskräfte. Somit könnten Heimbetreiber mit ihnen im Personalplan auch keine neuen Pflegeplätze schaffen.

Die Pflegeheime stehen wegen des Personalmangels ebenso unter Druck wie tausende Familien, die für pflegebedürftige Angehörige keinen Heimplatz erhalten, so bpa-Präsident Bernd Meurer (Bild)

Foto: bpa

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Der bpa habe auch hochgerechnet, wie viele neue Pflegeheimplätze bundesweit von heute auf morgen geschaffen werden könnten, wenn jene 5.500 Pflegefachkräfte sofort die erforderliche Arbeitserlaubnis bekämen: Er komme auf mehrere tausend. Die deutsche Bürokratie verhindere demnach für viele Familien, dass ihre pflegebedürftigen Angehörigen in ein Heim einziehen und dort versorgt werden könnten.

„Die Familien stehen unter massivem Druck, Angehörige müssen die eigene Berufstätigkeit reduzieren oder sogar ganz aufgeben. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagt der Präsident des Verbandes bpa, Bernd Meurer, gegenüber CORREKTIV.

Welche Behörde dafür zuständig ist, die Abschlüsse der ausländischen Fachkräfte anzuerkennen, ist von einem Bundesland zum nächsten unterschiedlich: Ausländerämter seien beteiligt, zudem Anerkennungsbehörden, die mal den Landesregierungen, mal den Bezirksregierungen unterstehen.

Forderung an die neue Gesundheitsministerin

 

Ist jetzt zu raschem Handeln aufgefordert: Die neue BGM Nina Warken

Foto: Deutscher Bundestag

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bpa-Chef Meurer richtet sein dringendes Anliegen, für schnellere Anerkennungsverfahren zu sorgen, an die neue Bundesregierung – vor allem an die designierte Gesundheitsministerin Nina Warken. Konkret fordert der Verband, künftig nach sogenannter Kompetenzvermutung vorzugehen. Das hieße, dass internationale Pflegekräfte mit mindestens dreijähriger Ausbildung und ausreichenden Sprachkenntnissen sofort als Fachkräfte eingesetzt werden dürften – und die offizielle Anerkennung später erfolgen könne. Laut Verband wäre dies innerhalb weniger Tage per Verordnung vom Bundesgesundheitsministerium durchsetzbar.

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