
Deutsche Verbände und Länder warnen: Streichung der Pflegepersonaluntergrenzen gerfährdet die Patientensicherheit
Der Referentenentwurf zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) sieht vor, die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) durchgängig als Qualitätskriterium bei der Festlegung von Leistungsgruppen zu streichen. Damit wird der letzte wirksame Schutz für Patient:innensicherheit und Pflegequalität aus der Leistungsgruppensystematik entfernt.
Als Grund für diesen Schritt werden Bürokratieabbau, der Abbau von Doppelregelungen und Zweifel an der Wirksamkeit genannt. Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller warnt allerdings: „Diese Untergrenzen helfen, dass Patientinnen und Patienten gut versorgt werden und Pflegekräfte nicht überlastet sind. Sie einfach aus der Krankenhausplanung zu streichen, ohne eine gute Alternative zu haben, wäre ein Fehler.“
Das Brandenburger Gesundheitsministerium sieht in den PpUGV ein bewährtes Mindestinstrument, das erst dann entfallen sollte, wenn gleichwertige oder bessere Steuerungs- und Qualitätsmechanismen flächendeckend etabliert sind. Unnötige Bürokratie könnte auch ohne Abschaffung der Untergrenzen verringert werden, zum Beispiel durch digitale Nachweise und einfachere Regeln. Die Pflegepersonaluntergrenzen seien ein wichtiges Instrument, um die Qualität der Krankenhausversorgung zu sichern.
Wer von Qualität in der Krankenhausversorgung spricht, darf die Pflege nicht ausklammern
Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) warnt davor, die Krankenhausreform ohne Qualitätsvorgaben für die Pflege umzusetzen. Da der Gesetzentwurf vorsieht , die Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) nicht länger als Struktur- und Prozessvoraussetzung in den Leistungsgruppen zu verankern, entfällt der bislang einzige pflegerische Bezugspunkt in diesem Teil des Gesetzes. Der DBfK stellt klar: PpUG sind kein geeignetes Instrument zur Sicherung von Pflegequalität. Sie markieren lediglich eine rote Linie, die nicht unterschritten werden darf – mehr nicht. Dennoch dürfen sie nicht aus den Leistungsgruppen herausgelöst werden, solange es keinen besseren verbindlichen Maßstab gibt.
Der DBfK schlägt deshalb fünf konkrete Schritte vor, wie Pflegequalität systematisch in den Leistungsgruppen verankert werden kann:
1. Pflegepersonalgrenzen übergangsweise beibehalten: Die PpUG sind kein Qualitätsindikator, aber aktuell der einzige Hinweis auf pflegerische Versorgung im Gesetz. Sie müssen deshalb solange bestehen bleiben, bis die PPBV verbindlich in die Leistungsgruppen integriert ist.
2. Pflegepersonalbemessung verankern: Die PPBV ist das zentrale Instrument für eine bedarfsgerechte Personalausstattung. Der DBfK fordert, einen verbindlichen Erfüllungsgrad von mindestens 80 Prozent festzuschreiben und sukzessive auf 100 Prozent zu steigern.
3. Qualifikationen berücksichtigen: Versorgungsqualität hängt nicht nur von der Zahl, sondern auch von der Qualifikation des Personals ab. Dazu gehören verbindliche Quoten für akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen sowie die gezielte Einbindung spezialisierter Pflegefachpersonen und Advanced Practice Nurses in einzelnen Leistungsgruppen.
4. Prozessqualität erfassen: Pflege muss in den Leistungsgruppen auch über die Gestaltung und Steuerung der Abläufe sichtbar werden. Dazu gehören die Durchführung des Pflegeprozesses nach § 4 PflBG sowie die gleichberechtigte Beteiligung an interdisziplinären Prozessen, etwa im Tumorboard oder beim Entlassungsmanagement.
5. Ergebnisqualität entwickeln: Pflegequalität muss auch an den Ergebnissen gemessen werden. Neben klassischen Parametern wie Sturz- oder Dekubitusraten braucht es vor allem Patient:innenberichte zu Erfahrungen und Outcomes (PREMs, PROMs). Dafür ist Forschungsförderung in der Pflegewissenschaft notwendig.
Das ist ein hochriskanter Schritt mit potenziell fatalen Folgen
„Die PpUGV ist die einzige geltende Leitplanke, die pflegerische Mindeststandards im Krankenhaus in den aktuellen Reformbestrebungen verbindlich absichert. Wenn sie fällt, bleibt keine einzige pflegespezifische Anforderung im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) mehr übrig. Das ist ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten“, warnt auch Christine Vogler (Bild), Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR).
Zwar blieben die Pflegepersonaluntergrenzen formal bestehen, jedoch ohne jede Verbindung zur Leistungsgruppensystematik. Das bedeutet: Pflegequalität wird nicht mehr zum Planungskriterium und damit inhaltlich wieder abgewertet. „Wenn Pflegequalität aus den Leistungsgruppen verschwindet, wird sie zur Nebensache. Das können wir nicht hinnehmen“, so Vogler.
Auch der DPR sieht in der PpUGV ist kein Idealbild, sondern den letzte Rettungsanker gegen pflegerische Unterbesetzung. Bis die gesetzlich zugesicherte Personalbemessung PPR 2.0 als verbindliches, an Erfüllungsgrade geknüpftes Instrument umgesetzt ist, muss sie bleiben. „Solange es keine gesetzlich verpflichtenden Erfüllungsgrade im Sinne der PPR 2.0 gibt, ist die PpUGV die rote Linie. Ihre Streichung aus den Leistungsgruppen oder gar der komplette Wegfall wären ein Frontalangriff auf die pflegerische Versorgung, mit kalkulierten Risiken für Patient:innen“, betont Vogler.
Hintergrund: Die Pflegepersonaluntergrenzen (PpUGV) wurden 2019 eingeführt, um sicherzustellen, dass in besonders pflegeintensiven Krankenhausbereichen – etwa Intensivstationen, Geriatrie, Unfallchirurgie oder Kardiologie – eine Mindestzahl an examinierten Pflegekräften eingesetzt wird. Ziel ist es, sowohl die Patientensicherheit als auch die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zu verbessern.