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Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

v. li: Team Rosemarie Löcker, Andreas Eichhorn, Gudrun Auer, Sylvie Kirchmayr, Gabriele Plank, Barbara Huber, LR Heinrich Schellhorn (Foto: LMZ/Neumayr/SB)

Ein plötzlicher Pflegefall in der Familie oder im näheren Umfeld kann viele Fragen aufwerfen: Welche Pflege- und Betreuungsleistungen gibt es in Salzburg? Wie können wir das finanzieren? Antworten darauf sowie Hilfe und Unterstützung bietet die Pflegeberatung des Landes. 2.400 Menschen wurden 2017 vom Team beraten. „Die Mitarbeiterinnen haben umfassendes Wissen und sind stets bemüht, so einfach und schnell wie möglich zu helfen“, so Sozialreferent Landesrat Heinrich Schellhorn.

Derzeit arbeiten neun Mitarbeiterinnen in der Pflegeberatung. Das Service ist kostenlos und wird landesweit angeboten. Seit zehn Jahren gibt es kompetente und unabhängige Beratung, wenn Salzburgerinnen und Salzburger sowie deren Angehörige Fragen zum Thema Pflege und Betreuung haben. Entsprechend der persönlichen Situation wird jeweils ein individuelles Maßnahmenpaket geschnürt. Die Beratungen werden telefonisch oder persönlich und in Sprechstunden (in Gemeinden und Krankenhäusern) angeboten. Auf Wunsch kommen die Profis auch nach Hause.

     Mehr als 5.200 Betreuungstage

2017 wurden 2.406 Klientinnen und Klienten beraten, etwa die Hälfte davon im Zentralraum und die andere Hälfte im Pinzgau, Pongau und Lungau. Insgesamt gab es mehr als 5.200 Betreuungstage, die sich ziemlich gleichmäßig auf alle Landesteile verteilen. Das Durchschnittsalter der betreuten Personen lag bei knapp 74 Jahren, wobei es hier in den Bezirken durchaus Unterschiede gibt: Während das durchschnittliche Beratungsalter im Zentralraum 64,8 Jahre betrug, waren es im Pongau 76 Jahre.

„Ich bin stolz, diese kostenlose Beratungseinrichtung in Salzburg zu haben. Bei allen Themen rund um die Pflege in Salzburg weiß ich, dass die Salzburgerinnen und Salzburger mit einem Anruf ausgezeichnete Lösungsvorschläge und Antworten auf die drängendsten Fragen bekommen“, betonte Landesrat Schellhorn, der anlässlich des 10-Jahre-Jubiläums allen Mitarbeiterinnen, auch den ehemaligen, für deren Einsatz, Bemühen und Arbeit dankte. „Das Team hat aufgrund der jahrelangen Erfahrung und ständiger Weiterbildungen ein unverzichtbares Wissen. So etablierte sich die Pflegeberatung zu einem hochfrequentierten und wertvollen, auf individuelle Problemlagen ausgerichteten Beratungs-Service für die Salzburgerinnen und Salzburger.“

     Pflegeberatung wird ausgebaut

Das Beratungsangebot steht pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen, deren Angehörigen als auch allen Personen, die an Pflegethemen interessiert sind, offen. Die Pflegeberatung des Landes Salzburg berät auch bei Fragen rund um Pflege von Kindern oder etwa nach Arbeitsunfällen. „Das Land wird seiner Aufgabe, ausreichend Plätze, Geld und Angebote sicherzustellen, bestmöglich nachkommen. In den kommenden Jahren ist sowohl bei ‚Pflege daheim‘ als auch bei den Pflegeeinrichtungen für Seniorinnen und Senioren ein weiterer Ausbau erforderlich. Auch der Bedarf an Kurzzeitpflege und Übergangspflege wird steigen, auf den wir reagieren werden. Die Pflegeberatung soll dem weiterhin angepasst werden und immer die Anlaufstelle Nummer Eins sein. Aufgrund der demographischen Entwicklung und der Pflegeregress-Abschaffung werden wir generell – im Bundesland Salzburg und auch österreichweit – mehr Plätze und vor allem mehr Personal brauchen“, sagte Schellhorn.

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Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

Erstmals organisierte die Österreichische Gesellschaft für Aktivierung und Gedächtnistraining am 24.6.2017 in Graz eine Fachtagung zum Thema „Aktivierung im Alter“ mit rund 90 Teilnehmenden.

Aktivierung

Im ersten Vortrag „ Aktivierung und psychosoziale Interventionen im Alter – nice or need to have?“ gab die Referentin Anne Brandt aus Norderstedt bei Hamburg Beispiele für sinnvolle Aktivierungsangebote unter dem Motto: „Weniger ist mehr! Alles kann – nichts muss!“ Wichtig bei der Aktivierung mit dementen Menschen sind Sinnesangebote, Musik ist der Königsweg. Viel reden und erklären hält sie nicht für effektiv. Es ist besser, etwas vorzumachen, das dann leicht nachgemacht werden kann. Einfühlsames Beobachten und nonverbale Kommunikation sind Methoden, um die Wünsche und Bedürfnisse der dementen Menschen zu erkennen und sie empathisch zu begleiten. Eine Balance zwischen Ruhe und Entspannung und geistiger und körperlicher Aktivität zu finden ist nicht immer einfach und bei jedem Heimbewohner individuell.

Der lebhafte, kurzweilige Vortrag wurde durch das Loriot-Video: „Einfach nur sitzen….“ ergänzt, das darauf aufmerksam machen sollte, dass jeder natürlich das Recht hat, Aktivierungsangebote abzulehnen. Die Ausführungen ließen erkennen, dass Anne Brandt viele praktische Erfahrungen mit Menschen mit und ohne Demenz gesammelt hat. Ihre wertvollen Hinweise konnten die Zuhörer gut nachvollziehen und unmittelbar in die Praxis transferieren.

Auch die nachfolgende Präsentation „Das Recht aktiv zu leben – vom Lebenssinn Hochbetagter in unserer Gesellschaft“ von Jörg Fuhrmann aus Salzburg konnte überzeugen. Seine mit viel Elan vorgetragenen Ausführungen erinnerten daran, dass wir Menschen mit Demenz häufig unterschätzen. In unserer Leistungsgesellschaft wird das Kognitive überbewertet, alles muss perfekt sein. Dabei ist die emotionale Intelligenz mindestens ebenso wertvoll. Demente Menschen haben bis zum Tod eine hohe Erlebnisfähigkeit, sie fühlen besonders intensiv und haben ein Recht auf aktives Leben.

Seine Kernthese lautet „Das Herz wird nicht dement!“ Viele eindrucksvolle Bilder konnten diesen Satz bestätigen. Fuhrmanns Forderungen: Die Gesellschaft sollte umdenken. Nicht die dementielle Erkrankung darf im Vordergrund stehen, sondern die Biografie des Betroffenen, die dahintersteckt. Mit Hochachtung sprach er von dementen Menschen. Nur wer sich selbst spürt, erlebt, seinen Lebenssinn findet und seine Wünsche und Bedürfnisse wahrnimmt, kann auf Mitmenschen eingehen, sie empathisch begleiten und Beziehung aufbauen. Wer pflegt und betreut, muss stabil und belastbar sein, sonst kann er anderen nicht helfen. Wer sein Leben lebt, das er sich wünscht, kann  Emotionen und Ängste intensiver spüren. Was zählt im Leben? Durch das imaginäre Packen eines Lebenskoffers wurde jedem deutlich, was in seinem Leben bedeutend und wertvoll ist. Jeder bestückt seinen Koffer anders.

Lacher waren zu vernehmen, als das Bild eines Lebenskoffers mit vielen Nutellagläsern gezeigt wurde. Überhaupt fiel der Vortrag überaus lebendig und witzig aus und gab Anregungen, über sein eigenes Leben und die Befindlichkeiten nachzudenken.

Die Vorstandmitglieder hatten eine gute Auswahl kompetenter Referenten zusammengestellt. Das galt auch für die  Workshops am Nachmittag mit Maria Putz, Salzburg. Ihr Thema: „Der Garten als Lebensraum“.

Auf mehreren Stationen konnten die TeilnehmerInnen Ringelblumensalbe abfüllen, Kräuterlimonaden verkosten, Samen den richtigen Pflanzen zuordnen, die Blätter verschiedenster Pflanzen betasten und vieles mehr. Der einfühlsame Vortrag von Frau Putz zeigte die vielfältigen Möglichkeiten der Gartentherapeutischen Arbeit auf und demonstrierte praktische Beispiele aus dem Seniorenbereich.

Der 2. Workshop wurde von Dagmar Dillinger-Stevic, Graz, geleitet und handelte von den Möglichkeiten der Musiktherapie bei Alter und Demenz. Selbsterfahrung stand im Vordergrund. U.a. wurden mehr als 10 verschiedene Lieder und instrumentale Musikstücke vorgespielt. Jeder Teilnehmer konnte auf einen Bogen seine Gefühle und Erinnerungen dazu vermerken, die Biografie bedingt teils konträr ausfielen. Um positive Effekte in der Altenarbeit zu erzielen, ist die überlegte Auswahl ein entscheidender Faktor.

Jörg Fuhrmann hatte viele Teilnehmer in seinem Workshop: „Entdecke die Kraft Deines Humors. Ein Erlebnisworkshop mit Dr. Balu.“  Auch in dieser Veranstaltung gab es viel zu lachen. Gerade in der Arbeit mit dementen Menschen ist Humor eine wunderbare Kraft zur Befreiung und Stärkung für  Therapeuten und Betreuer und natürlich auch für die Heimbewohner. Besonders anschaulich waren die viele praktischen Beispiele und dargestellten witzigen Situationen, die zur Nachahmung animierten.

Edith Draxl und Madeleine Lissy, beide vom Kunstlabor Graz, beeindruckten ihre Teilnehmenden mit dem Workshop „Kunst ist Schokolade für Hirn, eine Einführung in die künstlerische Arbeit mit Hochbetagten“. Wieder durften die TeilnehmerInnen selbst tätig sein und gemeinsam in Gruppen, allerdings mit geschlossenen Augen, einen Klumpen Ton zum Leben erwecken. Weiter stellten die beiden Referentinnen erfolgreiche Projekte aus Seniorenheimen vor, wie eine Fotosession, in der die Senioren und Seniorinnen nicht nur fachkundig gestylt und mit exklusiver Kleidung aus dem Theaterfundus versorgt wurden; auch der Bildhintergrund durfte selbst gewählt werden. Alles wurde dann in einer Veranstaltung Interessierten und Angehörigen vorgestellt.

Interessant und vielseitig gestaltete sich der Info-Tisch mit Literatur zur Vertiefung der referierten Themen und zu anderen Bereichen der Aktivierung und Betreuung von Senioren. Auch der Aktivierungs- und Gedächtnistrainingsparcours war stets gut besucht und bot neue Ideen für die berufliche Arbeit.

Insgesamt war es ein überaus gelungener Fortbildungstag mit engagierten Zuhörern, die die Gelegenheit zum fachlichen Austausch intensiv nutzten und sich schon heute auf den nächsten Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Aktivierung und Gedächtnistraining freuen.

 

Die Österreichische Gesellschaft für Aktivierung & Gedächtnistraining versteht sich als Plattform für Wissensaustausch und Interprofessionelle Vernetzung auf dem Gebiet der psychosozialen Interventionen und Trainingsmöglichkeiten im Betreuungs- und Pflegebereich. Seit über fünf Jahren werden regelmäßig Treffen und Fortbildungen für Interessierte aus diesen Bereichen angeboten.

 

Dr. Ellen Prang
Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats

Dr. Helga Schloffer
Obfrau

Bericht als PDF

www.aktivvernetzt.at





Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

Weniger als jede/r fünfte PflegegeldbezieherIn – rund 80.000 alte Menschen – leben derzeit in Österreichs mehr als 800 Pflegeheimen. Rund jede/r zweite von ihnen gilt als „Vollzahler“, bei denen der Staat nicht nur auf Pension (abzüglich Taschengeld) und Pflegegeld zugreift, sondern – mit geringen Freibeträgen abgemildert – auch auf das gesamte Privatvermögen der Pflegebedürftigen. Letzterer sog. „Pflegeregress“ wird jetzt zum Thema im anlaufenden Wahlkampf, die Forderungen reichen von einer Reform bis hin zur Abschaffung.

Geldübergabe

Während bei Krankheit die Krankenkassen zahlen, hält der Staat bei Pflegebedürftigkeit zusätzlich die Hand auf.

 





Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

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Für das anlaufende, vom Sozialministerium (BMASK) geförderte Pilotprojekt „Alltags-Betreuung von pflegebedürftigen, allein lebenden Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen – ABDem“ sucht der Projektleiter, DPGKP Raphael Schönborn (Bild) mehrere Case & Care ManagerInnen…

BMASK

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Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

Psychische Krankheiten nehmen dramatisch zu und wurden inzwischen zu Volkskrankheiten. Unsicherheiten und Ängste sind ein guter Nährboden für psychische Leiden, was diesen Trend weiter beschleunigt. Diesen problematischen Entwicklungen stehen jedoch keine angemessenen Versorgungsstrukturen gegenüber, tatsächlich öffnet sich die Schere zwischen Bedarf und Angebot in Österreich immer weiter, was gravierende gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen haben wird, wenn nicht gegengesteuert wird. Davor warnen österreichische Psychiater anlässlich des Internationalen Tages der seelischen Gesundheit 2016 (10. Oktober), der heuer unter dem Motto „Die Würde der seelischen Gesundheit“ steht.

„In Österreich akzeptieren wir, wenn es um die Versorgungssituation psychisch Kranker geht, seit Jahren Entwicklungen, die bei jedem anderen Krankheitsbild als inakzeptabel gelten würden. Offenbar gelten psychische Erkrankungen immer noch als Krankheiten 2. Klasse, die auch nur eine Behandlung 2. Klasse verdient haben“, so Chefarzt Prim. Dr. Georg Psota, Past Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. „Zusammengefasst kann man die Art und Weise, wie wir mit psychiatrischen Patientinnen und Patienten umgehen, nur als nicht zeitgemäß bezeichnen: Ich fürchte, das werden wir erst in 10 Jahren erkennen und rückblickend bedauern.“

In den europäischen WHO-Staaten erkrankt einer von 15 Menschen pro Jahr an einer schweren Depression. Angststörungen und leichtere Depressions-Formen eingerechnet, sind es 4 von 15. Von Suchterkrankungen abgesehen, sind Frauen häufiger betroffen als Männer: 33,2 vs. 21,7 Prozent.

In den WHO-Berechnungen zur „Krankheitslast“ rangieren in unseren Breiten bereits jetzt Depressionen und Suchterkrankungen unter den Top 5. Bis 2030 wird die Depression die neue Nummer 1 und Demenzerkrankungen und Süchte folgen bald danach – dann werden 3 psychische Krankheitsbilder unter den Top 5 aufscheinen. Prim. Psota: „Derzeit ist die psychiatrische Versorgungslage in Österreich so, dass wir gerade noch das Notwendige schaffen.“ Einige Beispiele:
• Während etwa in der Schweiz 30 Psychiater pro 100.000 Einwohner zur Verfügung stehen, gibt es in ganz Österreich weniger als 150 mit einem Kassenvertrag. Wer nicht zusatzversichert oder reich ist, muss sich einen Kassenplatz mit rund 55.000 anderen teilen.
• Von den rund 900.000 Patienten, die in Österreich mit Antidepressiva versorgt werden, sind nicht einmal 15 Prozent in einer psychotherapeutischen Behandlung.
• Derzeit stehen für 100.000 Einwohner je nach Bundesland bloß 35 bis 55 Psychiatrie-Betten bereit – damit liegt Österreich im europäischen Vergleich am unteren Ende der Skala. Zu wenig ausgebaute ambulante Behandlungsstrukturen bedeuten oft unzumutbare Wartezeiten.
• Neuere Medikamente werden seit Jahren nicht routinemäßig erstattet.

 

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Im Bild v.l.: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Fleischhacker (MedUni Innsbruck), Chefarzt Prim. Dr. Georg Psota (PSD Wien) und Präsident Univ.-Doz. Dr. Werner Schöny (pro mente Austria (Foto: B&K)

 

Prof. Fleischhacker: Medikamentöse Therapieoptionen werden vorenthalten

In den vergangenen Jahren wurden neue Antidepressiva entwickelt, die auf dem Melatonin-ähnlichen Wirkstoff Agomelatin basieren. Mit Nalmefen, einem Opioidantagonisten, kam ein neues Präparat für Alkoholkranke auf den Markt, mit neuen Asenapin-Medikamenten lassen sich manische Phasen bei Patienten mit bipolaren Störungen sehr gut behandeln. Und Paliperidon, ein weiteres neues Antipsychotikum, hat sich in der Behandlung von Schizophrenien bewährt. „Alle diese neuen Medikamente haben eines gemeinsam: Sie sind in Österreich zwar zugelassen, werden von den Krankenkassen aber nicht routinemäßig erstattet“, so Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Fleischhacker (Geschäftsführender Direktor des Departments Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Medizinische Universität Innsbruck). „Für den Großteil der Patienten heißt das: Ihnen werden Therapieoptionen, die in unseren Nachbarländern verfügbar sind, schlicht und einfach vorenthalten.“

Sparzwang gefährdet Therapieerfolge – Arzneimittelvielfalt wichtig für die Patienten

„Minimal-Einsparungen wird hier ein möglicher Therapieerfolg geopfert“, so Prof. Fleischhacker: „Die Behandlung von Patienten mit Depressionen mit einem ebenfalls neuen Antidepressivum (Vortioxetin) würde 37 Euro pro Monat kosten, auf ein Jahr hochgerechnet rund 450 Euro. Das ist nicht einmal ein Zwanzigstel der Kosten, die für die medikamentöse Behandlung anderer chronischer Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes oder die Schuppenflechte ganz selbstverständlich aufgebracht wird. “

Es wird immer wieder vorgebracht, die neuen Präparate seien nicht innovativ genug, weil es bereits andere Präparate mit gleicher Wirkung gäbe. „Das Prinzip ‚one size fits all‘ funktioniert nirgendwo in der Medizin“, so Prof. Fleischhacker. „Es gibt viele Patienten, die auf manche der verfügbaren Medikamente nicht oder nur unzureichend ansprechen, denen die neuen Wirkstoffe aber effizient helfen könnten. Zudem haben etliche der neuen Präparate Vorteile im Nebenwirkungsprofil.“

Leider würden Therapiebemühungen in der Psychiatrie immer noch nicht wirklich ernst genommen werden, konstatiert Prof. Fleischhacker: „Kurz gesagt: Offenbar ist es trotz jahrzehntelanger Aufklärung immer noch nicht gelungen, klar zu machen, dass psychische Krankheiten nicht anders gesehen werden dürfen als körperliche Leiden.“

Unbehandelt verursachen psychische Leiden enormen Schaden für die Wirtschaft

Gesamt gesehen sind die direkten Kosten für Behandlung und Pflege in der Psychiatrie geringer zu veranschlagen als indirekte Kosten z. B. für Krankenstände, vermindertes Einkommen und Frühpensionierungen. Für Österreich hat das „Institut Wirtschaftsstandort Oberösterreich“ die indirekten Folgekosten psychischer Erkrankungen in einer 2014 erstellten Studie mit rund 7 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt – ohne rasche Gegenmaßnahmen mit stark steigender Tendenz. „Vielleicht liegt gerade in dieser prekären Finanzaussicht auch eine Chance zur Trendwende“, so Prof. Fleischhacker. „Eine aktuelle WHO-Studie zeigt, dass jedem in die psychiatrische Versorgung investierten Euro vier Euro durch erhöhte Produktivität und Einsparungen bei anderen Gesundheitskosten gegenüber standen.“

Prof. Schöny: „Gute Sozialpolitik ist die beste Prävention für psychischen Leiden“

„Selbstverständlich gilt auch in der Psychiatrie: Vorbeugen ist besser als heilen“, sagt Prof. Univ.-Doz. Dr. Werner Schöny, Präsident von pro mente Austria. „Leider ist das gerade in unserer Disziplin extrem schwierig. Es gibt nun einmal keine Impfung für die seelische Gesundheit. Umso wichtiger ist es, möglichst viele Risikofaktoren auszuschalten, die psychische Störungen begünstigen. Sinnvolle Prävention gegen psychische Leiden fängt immer mit guter Sozialpolitik an.“

Wer die Integration ins Erwerbsleben fördert sowie Armut und soziale Diskriminierung abbaut, nennt Prof. Schöny ein Beispiel, sorgt ganz automatisch dafür, dass die Zahl psychisch Kranker nicht weiter steigt: „Leider erleben wir gerade das Gegenteil: Auch in Österreich sind immer mehr Menschen armutsgefährdet und müssen unter schlechten sozialen Bedingungen leben.“ So werde etwa in der aktuellen Debatte um die Kürzung der Mindestsicherung völlig übersehen, dass noch mehr existenzielle Not zwangsläufig immer auch zu einem Anstieg von psychischen Störungen führt.

Arbeitsmöglichkeit für Flüchtlinge ist wichtig für die Prävention

Gerade für Flüchtlinge ist jede Art der Beschäftigung besser als gar keine, sagt Prof. Schöny: „Wenn es gelingt, diese Menschen auch nur für einige Stunden einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen zu lassen, werden wir weniger Betreuung und medizinische Intervention für sie brauchen. Arbeiten zu dürfen stärkt das Selbstbewusstsein und gibt dem Alltag Struktur. Menschen, die das Gefühl haben, sie sind ein produktiver Teil der Gesellschaft, werden weniger oft psychisch krank.“ Das gilt nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Menschen, die bereits an psychischen Krankheiten leiden. Prof. Schöny: „Es ist nicht immer leicht, diese in ein geregeltes Erwerbsleben zu integrieren. Bei pro mente Austria zeigen wir aber in zahlreichen Projekten, dass es möglich ist.“

 

Psychosoziale Versorgung

Psychosoziale Versorgung ist ein sehr komplexes Tätigkeitsfeld, in dem neben der Medizin auch Psychologie, spezielle Psychotherapie, Sozialarbeit, Soziologie und ökonomische Aspekte eine große Rolle spielen. Prof. Schöny: „Mit unseren 3.500 professionellen und weiteren Laien-Mitarbeitern in den insgesamt 26 Mitgliedsorganisationen betreuen wir jährlich 80.000 Menschen. Das ist immerhin ein Prozent der Österreichischen Bevölkerung. Wir beraten, unterstützen bei der Bewältigung des Alltags, helfen bei der Wohnungssuche und bei der Integration in geeignete Arbeitsplätze.“ Dabei zeige sich, dass es mit entsprechender Betreuung gelingen kann, auch schwierige Fälle ins Erwerbsleben und das gesellschaftliche Umfeld zu integrieren.

Psychisch Kranke: Je später die Therapie, desto schlechter die Prognose

„Leider macht die um sich greifende Verunsicherung viele unserer jahrzehntelangen Bemühungen wieder zunichte. Vorfälle wie zuletzt die Amokfahrt in Graz führen dazu, dass bereits überwunden geglaubte Vorurteile wieder aufleben“, so Prof. Schöny. „Damit gelten psychisch Kranke wieder generell als unberechenbar und gefährlich. Diese Ängste sind in den allermeisten Fällen natürlich unbegründet, die Stigmatisierung führt aber dazu, dass psychische Probleme wieder vermehrt solange verschwiegen werden, bis der Leidensdruck bereits erheblich ist. Dabei gilt für psychische Leiden das Gleiche wie für viele somatische: Je später sie behandelt werden, desto schlechter ist die Prognose.“

Immer mehr Bedarf – immer weniger Geld

„Realistisch betrachtet ist die Versorgungslage bereits heute so, dass wir dem steigenden Bedarf nicht mehr gerecht werden. Verschärft wird die Situation noch durch den zunehmenden Zwang zu sparen“, bilanziert Prof. Schöny. In Oberösterreich zum Beispiel soll ein Kostendämpfungsprogramm die Sozialbudgets bis zum Jahr 2020 um 25 Millionen Euro entlasten. Für pro mente bedeutet das, dass jedes Jahr beträchtliche Summen weniger zur Verfügung stehen – und das bei gleichzeitig zunehmenden Patientenzahlen. Prof. Schöny: „Da Zeit und Menschen die wichtigste Währung sind, die wir in der psychiatrischen Versorgung zur Verfügung haben, kann das nicht ohne negative Auswirkungen auf die Versorgungslage bleiben.“

Positive Ansätze, aber noch keine Offensive

„Zum Glück gibt es in jüngster Zeit auch einige positive Ansätze, die zeigen, in welche Richtung es gehen muss“, so Prim. Psota. So sei es zu begrüßen, dass die Psychiatrie in der Medizinausbildung nun doch deutlich besser positioniert ist und jede Ärztin und jeder Arzt in Zukunft zumindest über ein Grundwissen in dieser Disziplin verfügen wird. Mit der Mangelfachverordnung habe man auch die Möglichkeiten bekommen, sowohl mehr Kinder- und Jugendpsychiater als auch Erwachsenenpsychiater auszubilden. Prim. Psota: „Diese Chance müssen wir aber auch nutzen. Bisher sind Schritte zur konkreten Umsetzung noch ausständig.“

Nicht zuletzt mache auch eine Initiative der Stadt Wien Hoffnung, die derzeit unter Einbindung internationaler Expertinnen und Experten an einem „Psychiatrisch/psychosomatischen Versorgungsplan 2030“ arbeitet, der eine deutliche Aufwertung der psychiatrischen Versorgung bringen könnte.





Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

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Migrantinnen und Migranten sind oft schlecht über medizinische und pflegerische Versorgungsangebote informiert. Zudem zeigt eine Studie deutlichen Nachholbedarf bei kulturspezifischem Grundwissen von Ärzten und Pflegekräften.

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In den 1960er Jahren warb die Bundesrepublik Deutschland türkische Gastarbeiter an, um den Arbeitskräftebedarf der wachsenden Wirtschaft zu decken. Viele von ihnen blieben und sind nun, 50 Jahre später, pflegebedürftig. Im Projekt „CarEMi“ (Care for Elderly Migrants – Pflege für ältere Migranten) haben Wissenschaftlerinnen am Institut für Soziologie der Universität Tübingen untersucht, ob es kulturell bedingte Besonderheiten gibt, die bei der Altenpflege von Migrantinnen und Migranten Beachtung finden sollten. Dabei wurde deutlich, dass Migranten oft schlecht über Angebote informiert sind und Nachholbedarf bei der Verständigung und kulturspezifischem Grundwissen von Ärzt*innen sowie Pflegekräften besteht.

Die Projektleiterin Dr. Andrea Kronenthaler (rechts) bei der Abschlussveranstaltung für die Interviewpartner. Um Verständigungsprobleme zu vermeiden, waren auch Übersetzer (links) für die türkischsprachigen Gäste zugegen.

„Wissenschaft und Forschung erschließen neue Wege, um die Bedingungen für ein gutes Leben im Alter zu verbessern. Die Vorstellungen davon, was ein gutes Leben im Alter ausmacht, können jedoch unterschiedlich sein. Deshalb ist es wichtig, kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen und auf diese in der Forschung und in der Versorgung einzugehen“, sagt Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, deren Ministerium das Projekt gefördert hat. Für die Studie interviewten Forschende unter der Leitung von Dr. Andrea Kronenthaler (im Bild re., mit Dolmetsch) verschiedene Personengruppen in den Städten und Landkreisen Tübingen und Reutlingen: 32 türkische Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation, 14 Hausärzte und medizinische Fachangestellte sowie 21 Vertreter*innen aus Politik, Pflegeinstitutionen, türkischen Vereinen und Krankenkassen.

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Wie sich in der Studie zeigte, wussten viele der Migrantinnen und Migranten nicht, welche Einrichtungen und Beratungsstellen ihnen zur Verfügung stehen und welche finanziellen Leistungen sie für die Pflege in Anspruch nehmen können. Grund dafür sind unter anderem sprachliche Hürden oder mangelnde Kenntnisse des deutschen Gesundheitssystems. Die Konsequenzen tragen vor allem auch ihre Familienangehörigen, die die Pflege ohne zusätzliche Hilfestellungen schultern müssen – teilweise mit der Folge von Überlastung.

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Insgesamt waren die Bedürfnisse der interviewten Migrantinnen und Migranten sehr unterschiedlich. „Nivellierung und Verallgemeinerung kann hier sehr schnell zu falschen Prognosen und Angeboten führen“, unterstreicht Kronenthaler. Einige der Älteren wollten beispielsweise ihren Angehörigen nicht zur Last fallen und würden professionelle Versorgung in Anspruch nehmen, andere vertrauten auf eine Pflege innerhalb der Familie. Falls die Versorgung in fremde Hände übergehen sollte, wünschten sich die Befragten, dass das Pflegepersonal über Grundlagenkenntnisse ihrer Religion und Kultur verfügt. So erhofften sie sich beispielsweise Unterstützung bei der Gebetswaschung oder Mahlzeiten, die nach islamischen Vorschriften zubereitet werden. Tendenziell bevorzugte die Mehrheit der Befragten eine nach Geschlechtern getrennte Versorgung: Männliches Pflegepersonal für pflegebedürftige Männer, weibliches Pflegepersonal für pflegebedürftige Frauen. Vor allem lag den Befragten – wie vielen anderen Seniorinnen und Senioren unabhängig von ihrer Herkunft – am Herzen, dass das Pflegepersonal ihnen respektvoll und freundlich begegnet.

 

Den Gesundheitsprofis fehlt kulturspezifisches Grundwissen

Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte räumten in der Befragung ein, dass es ihnen an kulturspezifischem Grundwissen fehle. Wichtiger sei aber, so die befragten Fachkräfte, sich individuell auf die Pflegebedürftigen einzulassen. Ein weiterer zentraler Punkt war, dass es in der Pflegeversorgung und -beratung häufig Verständigungsschwierigkeiten gibt, die teilweise auch zu Fehldiagnosen führen können. Mangels Alternativen übersetzen dann Angehörige oder türkischsprechendes Personal in den Arztpraxen oder im Krankenhaus. Beides stellt keine optimale Lösung dar, da Angehörige etwa aus Rücksicht nicht wortgetreu übersetzen, das medizinische Personal dadurch eine Mehrbelastung erfährt und in eine Rolle gedrängt wird, die weder seiner Qualifikation noch seinen Aufgaben entspricht.

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Anlass des Projekts CarEMi war die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“, die unter der Federführung des Bundesfamilienministeriums und des Bundesgesundheitsministeriums formuliert wurde. Die Charta sichert Pflegebedürftigen u. a. das Recht zu, der „Kultur und Weltanschauung entsprechend zu leben und [die eigene] Religion auszuüben“. Damit dieses Recht in die Praxis umgesetzt werden kann, hat das Projektteam aus den Erkenntnissen der Studie eine Handreichung für Ärzte, Pflegekräfte und andere Interessierte erarbeitet. Anhand von praktischen Beispielen werden darin mögliche Probleme und Handlungsansätze aufgezeigt. „Zusätzlich dazu werden aber auch Schulungen von Ärzten und Pflegepersonal sowie die Aufklärung und Bereitstellung von Informationen, die speziell auf Migranten zugeschnitten sind, nötig sein“, fordert Kronenthaler. So sollen in Zukunft Missverständnisse ausgeräumt, die Senior*innen bedürfnisorientierter versorgt und Kulturunterschieden angemessener begegnet werden.

 

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Weitere Informationen unter www.caremi.de

Eine umfassende Handreichung finden Sie zum Download  hier .





Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

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Die gesetzlichen Regeln zur ärztlichen Zwangsbehandlung psychisch Kranker in Deutschland haben verfassungswidrige Lücken. Zu diesem Schluss kam das Bundesverfassungsgericht – und fordert den Gesetzgeber auf, nachzubessern.

Dies berichtet die deutsche Ärzte Zeitung – zum Artikel geht es  hier .





Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

Günter Wallraff wurde in den 1970er und 80er Jahren als Enthüllungsjournalist und Schriftsteller bekannt, unter anderem durch Undercover-Reportagen bei der Bild-Zeitung und das fünf Millionen Mal verkaufte Buch »Ganz unten«, für das sich Wallraff als türkischer Gastarbeiter verkleidete.

 

Die RTL-Reportage »Wenn Krankenhäuser gefährlich werden« des »Teams Wallraff« hat hohe Wellen geschlagen. Statt gegen die Missstände vorzugehen, versucht der Helios-Konzern, die erneute Ausstrahlung der Sendung zu unterbinden. Aus diesem Anlass hat die Gewerkschaft ver.di mit Günter Wallraff über die Zustände im Gesundheitswesen, die ver.di-Forderung nach gesetzlicher Personalbemessung und die Pressefreiheit gesprochen.

 

Befund: „Unser Gesundheitswesen ist im schwersten Sinne chronisch erkrankt. Es muss sich Grundsätzliches ändern.“ (Wallraff).

Das vollständige Interview lesen Sie  hier  (Quelle: ver.di)

(http://gesundheit-soziales.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++98d69b8e-2757-11e6-a898-525400a933ef)





Land Salzburg: 10 Jahre Pflegeberatung – weiterer Ausbau geplant

Der Glaube an eine Idee oder die eigene Kraft versetzen manchmal Berge. Aus Narren werden Propheten, Entdecker, Gründer.

Peter Drobil
Historiker, Germanist, Topmanager (Österreich, 1955)