Tarif-Chaos in der Pflege:
Private Arbeitgeber und Pflegekonzerne profitieren von Niedriglöhnen
Dass es in der Altenpflege bislang keinen sog. „Flächentarifvertrag“ gibt, ist leider zu einem wesentlichen Teil ein hausgemachtes Dilemma der Pflegenden selbst – denn nicht einmal jede zehnte(!) Pflegekraft ist Mitglied der Gewerkschaft. Ein solchermaßen geschwächter Tarifpartner kann jedoch keinen Tarifvertrag gegen die höchst unterschiedlichen Arbeitgeber in der Altenpflege durchsetzen. Während die (wenigen) kommunalen sowie einige freigemeinnützige Träger (letztere aber unter dem Niveau des öffentlichen Dienstes) nach Tarifvertrag entlohnen, zahlen viele private Träger – zugunsten sagenhafter zweistelliger Renditen – lediglich gesetzliche Mindestlöhne. Auch die kirchlichen Träger haben ihre eigenständigen, internen Tarifstrukturen.
Der zweite wesentliche Grund für das Fehlen eines Flächentarifvertrages ist die beharrliche Weigerung der beiden großen Arbeitgeberverbände in der Altenpflege – AGVP und BPA – einen solchen überhaupt zu verhandeln.Das Ziel der neuen Tarifkommission ist es daher, gleichwertige Bedingungen für die ganze Branche – idealerweise orientiert am Niveau des öffentlichen Dienstes (TVöD-P) zu etablieren. Doch dazu braucht es eine tatkräftige Unterstützung durch die Bundesregierung – und weitaus mehr Altenpflegekräfte als Gewerkschaftsmitglieder.
Nach diesem TVöD-Tarifvertrag-Pflege verdient ein examinierter Altenpfleger je nach Berufsjahren zwischen 2.700 bis 3.400 Euro brutto im Monat in Vollzeit. Altenpflegehelferinnen bekommen zwischen 2.275 Euro zum Einstieg und 3.150 Euro brutto im Monat in der höchsten Stufe. Außerdem gibt es ein 13. Monatsgehalt, eine betriebliche Altersvorsorge und einen Zuschlag für Dienste an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Schnitt – mit regionalen Unterschieden – 38,5 Stunden.
Plan B: Politik greift ordnend ein – oder nicht?
Als Alternative zum nicht umsetzbaren Flächentarifvertrag wäre ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag möglich, an dessen Ankündigung durch BGM Jens Spahn sich deshalb viele Hoffnungen knüpfen. Wird ein Tarifvertrag nämlich vom Bundesarbeitsministerium zu einem allgemein verbindlichen Tarif erklärt ( § 5 Tarifvertragsgesetz – TVG), gilt er – ausnahmslos – für die gesamte Branche. Genau das aber wollen die privaten Arbeitgeber – die mit dem anhaltenden Boom der Pflegebranche und niedrigeren Löhnen derzeit enorme Gewinne einfahren – mit heftigem medialen Trommelfeuer verhindern.
Denn ihre Macht wächst und zwingt die Politik mehr und mehr in die Defensive. Seit Einführung der Pflegeversicherung (1995) ist der Anteil der privaten Betreiber von Alten- und Pflegeheimen stark gestiegen. Mehr als die Hälfte (55 %) des Marktanteils machen freigemeinnützige Träger (Wohlfahrtsverbände, Kirchen) aus, nahezu 41 % Marktanteil halten bereits die privaten Träger. Und nur mehr 4,2 % die kommunalen Betreiber – Tendenz weiter fallend.
Höhere Löhne – höhere Zuzahlungen für Pflegebedürftige?
Die Gehälter generell – wie von Ver.di gefordert – auf das Niveau des öffentlichen Dienstes anzuheben, hält der Arbeitgeberverband BPA für nicht bezahlbar – auch die Mehreinnahmen durch die Erhöhung des Pflegebeitrags würden hierfür keinesfalls ausreichen. Vielmehr ginge ein allgemein verbindlicher Tarif in der Altenpflege zu Lasten der Pflegebedürftigen in Form von noch höheren privaten Zuzahlungen.