Davos ist jener populäre Skiort im Schweizer Kanton Graubünden, wo alljährlich das Weltwirtschaftsforum stattfindet. Nun ist Davos aber in der deutschen Metropole Frankfurt/Main aufgetaucht: Das Forschungsprojekt DAVOS steht für „Depression im Altenpflegeheim – Verbesserung der Behandlung durch ein gestuftes kollaboratives Versorgungsmodell“.
Gegenstand der auf drei Jahre angesetzten Untersuchung im Auftrag des Frankfurter Forums für Interdisziplinäre Alternsforschung ist die Frage, warum Menschen in Altenheimen bis zu neunmal häufiger an einer Depression erkranken als wenn sie zuhause versorgt würden?
Nach der Demenz gilt die Depression in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen als häufigste psychiatrische Erkrankung im Alter. Zumindest wieder, denn in den letzten Jahren schien diese Krankheit statistisch von Angsterkrankungen und Retraumatisierungen auf den dritten, bisweilen sogar auf den vierten Platz abgedrängt zu sein. Jedoch nur dort, wo differenziertere Diagnosekriterien angewendet werden, was in Altenheimen eher selten Standard sein dürfte.
So unterscheidet die ICD (International Statistical Classification of Diseases) allein sechs unterschiedliche depressive Episoden und sieben verschiedene rezidivierende depressive Störungen, bipolare depressive Formen sowie neurotisch-depressive Zustandsbilder und verlängerte Trauerreaktionen nicht mitgerechnet. In der Praxis der – meist allgemeinmedizinischen – Diagnostik in den Pflegeheimen ist hingegen viel häufiger von einer nicht näher spezifizierten und fachlich höchst fragwürdigen „Depressio in Senium“ die Rede.
Selbst hier sind aber die statistischen Angaben kaum brauchbar, denn nur 40% aller PflegeheimbewohnerInnen erhielten überhaupt eine Diagnose, so die Psychologin Dr. Valentina Tesky von der Abteilung für klinische Gerontologie an der Frankfurter Goethe-Universität. Und wiederum nur die Hälfte davon erhalte auch eine adäquate Therapie. Somit wird nur jede/r fünfte von Depression betroffene Heimbewohner/in angemessen betreut.
Das Problem
Das liege häufig daran, dass die Kardinalsymptome einer Depression – Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit – von unspezifischen körperlichen Symptomen überlagert werden, etwa Kopf- oder Rückenschmerzen sowie Magen-Darmerkrankungen.
Neben der undifferenzierten ärztlichen Diagnostik seien aber auch massive Versorgungsdefizite der Grund dafür, dass es für depressive Pflegeheimbewohner weniger Angebote gibt als für Demenzkranke, erklärte Professor Johannes Pantel, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin an der Goethe-Universität.
Ebenso sei die Fokussierung vor allem auf dementielle Erkrankungen im Alter ein Grund dafür, dass depressive Alte einfach „vergessen“ werden, so Andrea Kaldewey, gerontopsychiatrische Pflegefachkraft. „Depressive sind aufgrund ihres mangelnden Antriebes selten auffällig und gelten auch selten als „fordernde“ BewohnerInnen. Kommt dann noch eine unzureichende Diagnostik und eine sedierende Medikation dazu, fallen sie einfach aus dem Wahrnehmungsfeld der Pflegekräfte. Demente seien meist arbeitsaufwändiger und bekämen daher auch den Löwenanteil an pflegerischer Zuwendung.
Das Projekt
Um die Situation der Betroffenen zu verbessern, startet im Dezember das mit 1,4 Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt DAVOS. Dabei werden in einem ersten Schritt in zehn Frankfurter Altenheimen mit insgesamt 1250 Plätzen Pflegekräfte zu Case-Managern ausgebildet, die anhand standardisierter Screenings eruieren, wie viele Bewohner an depressiven Symptomen leiden.
In einem zweiten Schritt erhalten die Betroffenen in Einzel- und Gruppengesprächen eine fachärztliche Psychotherapie. Auf diese Weise will man langfristig sowohl die Prävalenz von Depressionen in Altenpflegeheimen senken als auch den Schweregrad der depressiven Symptomatik insgesamt herabsetzen.
Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein. Und darauf, ob und in welchem Ausmaß diese (auch) in Österreich und der Schweiz ihren medizinischen und pflegefachlichen Niederschlag finden werden…
Quelle: www.aerztezeitung.de
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