Großer Reality-Check: Was bringt betriebliche Gesundheitsförderung wirklich?

 

Es ist eine Win-Win-Situation: Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) dient sowohl Mitarbeiter*innen als auch Unternehmen. Welche Maßnahmen besonders wirksam sind, das haben Prof. Dr. Sonia Lippke (Jacobs University Bremen) und Dr. Aike Hessel (Dt. Rentenversicherung) in einer Studie über viele Einzeluntersuchungen zur BGF  erforscht. Ihr Fazit: Die Motivation von Beschäftigten durch sog. „Verhaltensförderung“ ist nachweislich nützlich – wirksamer ist es jedoch, wenn unternehmensweite Maßnahmen und Änderungen der Arbeitsumgebung umgesetzt werden durch sog. „Verhältnisförderung“.

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Das Präventionsgesetz, das in Deutschland seit 2016 gilt, erlaubt es Krankenkassen, die Gesundheit von Mitarbeitern in Betrieben individuell zu unterstützen. Bei unternehmensweiten Maßnahmen sind jedoch die Betriebe selbst in der Pflicht. Offen war bisher allerdings, wie wirksam diese verschiedenen BGF-Maßnahmen in Bezug auf Arbeitsfähigkeit und Verhaltensänderung tatsächlich sind, wenn systematisch Einzelergebnisse aus Interventionsstudien zusammengefasst werden. Um dies zu untersuchen, führte Dr. Lippke, Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin, eine Studie durch, die mit PD Dr. Hessel kürzlich publiziert wurde.

Dabei wurden insgesamt über 4.000 Studienteilnehmer/innen mittleren Alters untersucht, die vorwiegend sitzend arbeiteten. Die Probanden stammten aus Australien, Belgien, Deutschland, Finnland, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden und den USA. Die Ergebnisse waren eindeutig: Verhältnisförderung ist am effektivsten und Verhaltensförderung ist weniger effektiv, aber trotzdem sinnvoll. Werden Maßnahmen angeboten, die beide Ansätze kombinieren, dann liegt die Wirksamkeit in der Mitte.

Die Gestaltung der Arbeitstätigkeit und der Arbeitsbedingungen sowie betriebliche Rahmenbedingungen ist also zentral bei der Gesundheitsförderung. So kann etwa mangelnde Bewegung bei klassischen Büro-Jobs durch die ergonomische Gestaltung der Arbeitsumgebung und des Arbeitsplatzes reduziert werden. Verspannungen und damit Schmerzen lassen sich vermeiden durch ergonomische Bürostühle und variable Steh-Sitz-Besprechungstische. Was bleibt ist die Frage, ob die Mitarbeiter dieses Mobiliar und die Angebote auch regelmäßig nutzen?

Entsprechend ist die individuelle Motivierung gefragt. Zu denken ist beispielsweise an die Absicht, nach einer Stunde sitzend am Schreibtisch aufzustehen und Lockerungsübungen zu machen. Im Arbeitsalltag kann der Vorsatz an situativen Schwierigkeiten scheitern, wie hohem Zeitdruck und dem Eindruck, dass eine Pause nicht in den Arbeitsablauf passt oder von Kollegen und Vorgesetzten nicht akzeptiert wird. Der Mitarbeiter fühlt sich unter Druck, die Arbeit ohne Pause zu beenden.

Würde der Mitarbeiter einen variablen Schreibtisch haben, an dem im Stehen weitergearbeitet werden kann, dann könnte er seine Arbeitshaltung ändern und seine Muskulatur lockern und kräftigen, auch ohne eine Pause einzulegen. Workshops zu Zeit- und Selbstmanagement, professionell angeleiteter Pausensport und in den Workflow eingebaute Bewegungseinheiten können die Motivation der Mitarbeitenden fördern. Diese lässt sich dann auch wiederum in den Freizeitbereich übertragen. Jedenfalls ist die Gesundheitsförderung nicht alleinige Verantwortung der Mitarbeiter – denn wenn diese zufriedener, motivierter und gesünder arbeiten können, dann ist das auch ein wesentlicher Bestandteil für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Sonia Lippke erläutert: „Unser Arbeitsalltag ist oft anstrengend und wir sollten neben sitzenden Tätigkeiten auch körperlich aktive Phasen einplanen. Es gibt viel innovatives Potential beispielsweise durch eLearning-Programme und elektronische Erinnerungssysteme, aber auch Bewährtes wie Betriebssport. Gleichzeitig ist strategische Gesundheitsmanagements wesentlich, damit der langfristige Erfolg sichergestellt wird.“ Auch Aike Hessel meint: „Unternehmen sind gut beraten, wenn sie gesundheitsförderliche Bewegungsmöglichkeiten in den Arbeitsalltag ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen integrieren und die Verantwortung für ausreichende körperliche Aktivitäten nicht ausschließlich in den Freizeitbereich ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen delegieren.“

Ihre Fragen beantwortet:
Prof. Sonia Lippke
| Tel.: +49 421 200-4730

 

Quelle: Jacobs University Bremen
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