DE: Neuer Arbeitgeberverband Pflege – gelingt jetzt der Durchbruch zum bundesweiten Tarifvertrag?

Mehrere große Pflegeanbieter haben sich auf die Gründung eines bundesweiten Arbeitgeberverbandes geeinigt. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche“ (BVAP) soll als neuer Tarifpartner der Gewerkschaften einen für die gesamte Branche verbindlichen Tarifvertrag schließen. Damit hat sich der bisherige alleinige Ansprechpartner BPA wahrscheinlich selbst aus dem Spiel genommen – die dort vertretenen Arbeitgeber hatten sich seit Jahren vehement gegen einen bundesweit gültigen (Mindest-)Tarifvertrag für die Pflege gewehrt.

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„Wir begrüßen die Gründung des neuen Arbeitgeberverbandes sehr“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (verdi), „mit dem neuen Arbeitgeberverband kann nun endlich das wichtige Tarifobjekt in Angriff genommen werden.“

Arbeitgebern, denen die nachhaltige Entwicklung der Altenpflege und faire Löhne wichtig seien, empfahl Bühler den Beitritt zum neuen Bundesverband BVAP. Mit diesem sei womöglich das Ziel erreichbar, das der Gewerkschaft schon lange eine Herzensangelegenheit ist – „ein Tarifvertrag, der vom Bundesarbeitsminister auf das gesamte Arbeitsfeld erstreckt wird, damit Beschäftigte in der stationären und ambulanten Pflege für ihre verantwortungsvolle und oft auch sehr belastende Arbeit endlich überall anständig bezahlt werden.“

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) bezeichnete in einer ersten verärgerten Reaktion die BVAP als „Arbeitgeberverband der Nischenanbieter“. Die neue Bundesvereinigung vertrete nur „einen Bruchteil der Beschäftigten“, so bpa-Präsident Rainer Brüderle: „Ob ein Arbeitsgericht geschweige denn das Bundesverfassungsgericht eine Allgemeinverbindlicherklärung eines von diesem Miniverband mit einer Minigewerkschaft in der Altenpflege abgeschlossenen Tarifvertrag anerkennt, ist aus unserer Sicht mehr als zweifelhaft.“

Berufsverband kritisiert bpa scharf: Dieser blockiere attraktivere Altenpflege

Der Deutsche Verband für Pflegeberufe (DBfK-Nordwest) hat den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) für seine starre Ablehnung bezüglich Tarifverträgen scharf kritisiert. Der bpa verwässere und verhindere die Pläne bewusst, so Vorsitzender Martin Dichter. Der bpa setze als Motto auf „Hauptsache billig und weiter so“, rügt Dichter. Die Konsequenzen für beruflich Pflegende und Pflegebedürftige schienen keine Rolle zu spielen.


Aktueller Tipp zur Nachlese

Zwischen Aufwertung, Abwertung und Polarisierung

Chancen der Tarif- und Lohnpolitik für eine arbeitspolitische „High-Road-Strategie“ in der Altenpflege

Gemessen an Verantwortung, Anforderungen und notwendigen Qualifikationen sind Pflegeberufe relativ niedrig bezahlt – trotz einiger Verbesserungen in letzter Zeit. Besonders stark zurück liegt die Bezahlung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern: Während sich die Verdienste von Fachkräften der Gesundheitspflege in Krankenhäusern im Bereich des mittleren Lohns aller Berufsgruppen in Deutschland (rund 3200 Euro brutto im Monat für eine Vollzeitstelle) bewegen, kamen Fachkräfte in der Altenpflege 2017 im Mittel (Median) auf lediglich rund 2740 Euro brutto für eine Vollzeitstelle. Das entspricht nur etwa 85 Prozent des mittleren Verdienstes für alle Berufe. Hilfskräfte in der Altenpflege verdienen in Vollzeit im Mittel lediglich rund 1940 Euro pro Monat – knapp 61 % des Medianverdiensts aller Vollzeitbeschäftigten. Zu diesen Ergebnissen kommt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) an der Hochschule Gelsenkirchen.

Weitere Informationen:

Michaela Evans, Christine Ludwig: Zwischen Aufwertung, Abwertung und Polarisierung. Chancen der Tarif- und Lohnpolitik für eine arbeitspolitische High-Road-Strategie in der Altenpflege (pdf)

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