Mehr Ausbildung, mehr Personal, mehr Geld – „Konzertierte Aktion Pflege“

 

Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sollen sich schnell und spürbar verbessern. Danach soll bundesweit nach Tarif bezahlt, ein am Bedarf orientierter Personalschlüssel eingeführt, die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte beschleunigt und die Zahl der Auszubildenden und Ausbildungseinrichtungen gesteigert werden. Das sind die wesentlichsten Ziele der „Konzertierten Aktion Pflege“.

Hände-Pflegeteam gemixt Pflegemagazin-RLP-2018_Foto_Andrey Popov

Dieser erstmalige, zwischen drei Ministerien abgestimmte Aktionsplan unter der Leitung von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wurde jetzt vorgelegt. BFM Franziska Giffey: „Wir sorgen für mehr Nachwuchs in der Pflege – ohne Schulgeld und mit fairer Ausbildungsvergütung. Es muss klar werden: Pflege ist ein Zukunftsberuf, eine Ausbildung in der Pflege lohnt sich und eröffnet Möglichkeiten für verschiedene Berufswege. Zehn Prozent mehr Auszubildende und Ausbildungseinrichtungen sind das Ziel unserer Ausbildungsoffensive Pflege – das hilft auch denen, die schon jetzt in der Branche arbeiten. Denn die Auszubildenden von heute sind die Profis von morgen.“

BAM Hubertus Heil: „Pflegekräfte verdienen Anerkennung und eine gute Bezahlung. Unser Ziel sind bessere Gehälter über Mindestlöhne, sowohl für Hilfs- als auch für Fachkräfte, und gleiche Bezahlung in Ost und West. Die rechtlichen Grundlagen sollen noch vor der Sommerpause von der Bundesregierung beschlossen werden. Dann ist die Pflegebranche am Zug: Sie muss entscheiden, ob sie für bessere Löhne einen flächendeckenden Tarifvertrag abschließen kann, oder Mindestentgelte –  wie bisher – über die Pflegekommission festgelegt werden sollen.“

BGM Jens Spahn: „Pflege muss wieder attraktiver werden. Das geht nur mit mehr Personal. Denn das entlastet nicht nur die einzelne Pflegekraft, sondern lässt auch mehr Zeit für die Betreuung der Pflegebedürftigen. Die Beschlüsse der Konzertierten Aktion sind ein Auftrag an alle Beteiligten. Und sie sind ein Versprechen an alle Pflegekräfte: Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Situation in der Pflege besser wird.“

Die Ergebnisse der „Konzertierten Aktion Pflege“ im Detail

Hands and puzzle on gray background. Teamwork solving a puzzle

* Mehr Ausbildung

Die Pflegeausbildungen nach dem neuen Pflegeberufegsetz („generalistische Grundausbildung“) starten wie geplant zum 01. Januar 2020. Ihre Einführung wird begleitet durch die „Ausbildungsoffensive Pflege“ (2019 – 2023). Hierzu wurde beschlossen: die Zahlen der ausbildenden Einrichtungen und der Auszubildenden bis 2023 im Bundesdurchschnitt um jeweils +10 Prozent zu steigern mit einer Informations- und Öffentlichkeitskampagne für die neuen Pflegeausbildungen zu werben sowie durch die Verbände der Pflegeeinrichtungen mindestens 5.000 Weiterbildungsplätze zur Nachqualifizierung von Pflegehelfer/innen einzurichten.

*  Mehr Personal

Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern oder zur Rückkehr in den Beruf zu gewinnen, gelingt nur, wenn sie genügend Kolleginnen und Kollegen an der Seite, verlässliche Dienstpläne und gute Arbeitsbedingungen haben. Deshalb wurde vereinbart: ein Personalbemessungsverfahren für verbindliche Personalschlüssel für Pflegekräfte in Krankenhäusern zu erarbeiten.zügig die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens für Pflegeeinrichtungen anzugehendie Fach- und Sprachausbildung für ausländische Pflegekräfte in den Herkunftsländern zu unterstützen. ein Gütesiegel für die Vermittler ausländischer Pflegekräfte zu entwickelnPflegeheime und Krankenhäuser verpflichten sich zu mehr Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz.

* Mehr Geld

Bislang wurden Pflegekräfte zu niedrig und sehr unterschiedlich entlohnt. Deshalb wurde vereinbart: die Entlohnungsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern.nach Qualifikation differenzierte Mindestlöhne zu entwickeln (mindestens für Pflegefach- und Hilfskräfte). einen für Ost und West einheitlichen Pflegemindestlohn zu schaffen.

Zur Umsetzung dieser Ziele kommen nach Auffassung der AG zwei unterschiedliche Wege in Betracht:die Festsetzung von Mindestlöhnen auf Vorschlag der Pflegekommission. ein Tarifvertrag, der auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts flächendeckend erstreckt werden kann. (Mehrheitsposition)Die hierfür jeweils erforderlichen gesetzlichen Änderungen werden BMAS und BMG zügig auf den Weg bringen.

Außerdem bestand Einigkeit darüber,dass eine Verbesserung der Entlohnung eine verbesserte Finanzausstattung der Pflegeversicherung erforderlich macht.eine finanzielle Überlastung der Pflegebedürftigen durch steigende Eigenanteile zu verhindern ist.

* Mehr Verantwortung

Die Kompetenzen der Pflegefachkräfte sollen gestärkt und ausgeweitet werden. Deshalb wurde beschlossen:den Verantwortungsbereich von Pflegekräften auszuweiten. Dafür werden u.a. Standards zur Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen (z.B. Ärzten) entwickelt. Das BMG startet diesen Prozess noch dieses Jahr.die bestehenden Möglichkeiten, Heilkunde auf Pflegefachkräfte zu übertragen, besser zu nutzenin Modellvorhaben ab 2020 zu erproben, dass  Pflegefachkräfte Hilfsmittel bzw. Pflegehilfsmittel verordnen.

* Mehr Digitales

Die Arbeit von Pflegekräften soll durch Digitalisierung erleichtert werden. Deshalb wurde beschlossen:  Pflegeeinrichtungen an das TI-Datennetz anzuschließendie Pflege mittelfristig komplett auf elektronische Datenverarbeitung umzustellen (elektronische Pflegeakte, Entlassmanagement, Verordnungen)Ab 1. Oktober 2022 sollen ambulante Pflegedienste Leistungen der Pflegeversicherung, ab 1. April 2023 auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege nur noch auf elektronischem Weg mit den Kassen abrechnen.

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Ziehen jetzt endlich doch alle am gleichen Strang?

(Grafik: www.de.123rf.com)

 

Die Möglichkeiten der Telepflege (z.B. Beratung übers Netz) weiterzuentwickeln   Hintergrund Um den Arbeitsalltag von Pflegekräften spürbar zu verbessern, haben das Bundesgesundheits-, das Bundesfamilien- und das Bundesarbeitsministerium im Juli 2018 die „Konzertierte Aktion Pflege“ ins Leben gerufen. Zusammen mit den Ländern, Pflegeberufsverbänden, Verbänden der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, den Kirchen, Pflege- und Krankenkassen, Betroffenenverbänden, der Berufsgenossenschaft, der Bundesagentur für Arbeit sowie den Sozialpartnern wurden fünf Arbeitsgruppen eingerichtet, um konkrete Schritte festzulegen:

Arbeitsgruppe 1: Ausbildung und Qualifizierung

Arbeitsgruppe 2: Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung

Arbeitsgruppe 3: Innovative Versorgungsansätze und Digitalisierung

Arbeitsgruppe 4: Pflegekräfte aus dem Ausland

Arbeitsgruppe 5: Entlohnungsbedingungen in der Pflege.

Weitere Informationen sowie den Vereinbarungstext im Wortlaut finden Sie hier.

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Erste Reaktionen und Analysen

DBfK: Endlich Hoffnung für die Pflege? KAP bleibt Konkretes vorerst schuldig.

Große Erwartungen, insbesondere bei den Angehörigen der Pflegeberufe, haben die drei Bundesminister Giffey, Heil und Spahn geweckt, als sie vor einem Jahr vor die Hauptstadtpresse traten und den Start der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) verkündeten.  Ein Jahr später wurden jetzt die Ergebnisse vorgestellt. Von einer solch großen Runde mit derart heterogenen Interessen mehr als den kleinsten gemeinsamen Nenner zu erwarten, wäre unrealistisch. Trotzdem liege gerade in dieser Zusammensetzung der KAP-Arbeitsgruppen eine große Chance, neue Ideen zuzulassen, innovative Maßnahmen zu entwickeln und frische Denkanstöße zu geben, meint der Berufsverband. „Ob das gelungen ist, bleibt abzuwarten, erst die Umsetzung und zeitnah spürbare Effekte werden es zeigen können“, erklärt DBfK-Präsidentin Prof. Christel Bienstein.

Skepsis bleibe angebracht. Der 180 Seiten starke Vereinbarungskatalog der KAP weist zwar zahlreiche Vorhaben und Einzelmaßnahmen auf, die in Gang gebracht werden sollen und eine Selbstverpflichtung der an der Runde beteiligten Organisationen beinhalten. Vieles davon sei jedoch nicht neu und habe bisher nicht die gewünschten Erfolge gebracht. Anderes werde nur angedeutet, die Finanzierung wesentlicher Pläne bleibe vorläufig offen, es fehle Konkretes und Verbindliches.  Die KAP sei jetzt keineswegs im Zieleinlauf angekommen, sondern stehe tatsächlich erst in den Startlöchern.

 

Der Paritätische begrüßt KAP

Zur „Konzertierten Aktion Pflege“ erklärt Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes:
„Der Schlüssel für eine gute menschenwürdige Pflege für alle lässt sich auf eine schlichte Formel bringen: Gute Pflege braucht mehr Zeit. Für mehr Zeit braucht es mehr Personal. Und um mehr Personal zu bekommen, müssen wir bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege schaffen und Pflegekräfte besser bezahlen. Das kostet Milliarden, was aber nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen darf“. Daher müsse die Bundesregierung eine solide und gerechte Finanzierung auf den Weg bringen, wird gefordert.

 

Diakonie: Pflege muss an erster Stelle der politischen Agenda bleiben!

Die KAP der Bundesregierung hat der Pflege sehr viel politische und öffentliche Aufmerksamkeit beschert, bilanziert die Diakonie Deutschland und ihre Fachverbände, der Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) und der Evangelische Krankenhausverband (DEKV).

„Angesichts der ständig steigenden Eigenanteile für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen muss zeitnah eine Reform der Pflegeversicherung auf den Weg gebracht werden“, fordert Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Zudem halte man eine faire tarifliche Bezahlung für Pflegekräfte für zwingend. „Das erfordert eine Refinanzierung der Personalkosten, die nicht zu Lasten der pflegebedürftigen Menschen geht, eine Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Bedarf orientiert und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Pflegeberuf“, so Loheide. Allein in den über 200 evangelischen Krankenhäusern sind bundesweit 43.000 Pflegefachkräfte beschäftigt.

 

Gewerkschaft ver.di: Entscheidend ist, was im Pflegealltag ankommt!

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) bekräftigt ihre Forderung nach Aufwertung und Entlastung der Pflege. „Die professionell Pflegenden werden die Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege daran messen, was in ihrem Arbeitsalltag ankommt. Und es muss Schluss sein mit der ständigen Überlastung durch zu wenig Personal“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. „Und angesichts der kritischen Lage hätte ich den Beschäftigten entschlossenere Maßnahmen gewünscht.“ Äußerst positiv sei, dass es mittlerweile eine breite Allianz gebe, die die Forderung nach bedarfsgerechten und bundeseinheitlichen Personalvorgaben unterstütze, so Bühler weiter.

Bühler: „Gut, dass in der Konzertierten Aktion mehrheitlich das Ziel eines Tarifvertrages unterstützt wird, der auf die gesamte Altenpflege erstreckt werden soll. Alle Akteure in der Altenpflege müssen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen attraktiv zu gestalten.“ Dies sei eine Voraussetzung, um Personal zu gewinnen, damit Pflegebedürftige sicher und qualifiziert versorgt werden.

„Ich fordere die kommerziellen Pflegekonzerne auf, endlich ihren Widerstand gegen einen solchen bundesweit geltenden Tarifvertrag aufzugeben. Der Zug steht auf dem Gleis, wer ihn stoppen will, handelt verantwortungslos.“ Damit zwei wichtige Ziele – nämlich faire Löhne für die Beschäftigten und Schutz der Pflegebedürftigen vor finanzieller Überforderung – nicht gegeneinander ausgespielt werden können, sei der Gesetzgeber gefragt. Die Eigenanteile für die Pflegekosten müssten zunächst begrenzt und im nächsten Schritt (wie z.B. in Österreich bereits geschehen, seither wird ein sog. „Pflegefonds“ aus Bundessteuern finanziert. Anm.d.Red.) abgeschafft werden.

wir pflegen: Vereinbarkeit von Angehörigenpflege und Beruf immer wichtiger!

Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist von großer Bedeutung. 94 Prozent der Erwerbstätigen wollen im Falle einer Pflegesituation im Familienkreis berufstätig bleiben (ZQP, 2016). Aktuell sind viele Arbeitgeber*innen jedoch nicht darauf eingestellt und auch die sozialrechtliche Unterstützung ist gering. So sind die Pflegezeit und Familienpflegezeit für viele Betroffene unattraktiv. Berufstätige mit Pflegeverantwortung können ein zinsloses Darlehen aufnehmen, müssen dieses aber nach der Pflege wieder zurückzahlen. Hier gilt also das Prinzip „Vereinbarkeit gegen Verschuldung“. Eine Lohnersatzleistung wie das Elterngeld, gibt es für pflegende Angehörige bisher nicht. Dies sind nur einige der vielen Schwachstellen im jetzigen System. Es braucht also einen Neustart in der Vereinbarkeitspolitik und mehr Arbeitgeber*innen, die pflegende Angehörige als wichtige Gruppe ihrer Belegschaft erkennen.

Das vollständige Positionspapier finden Sie hier.

 

Großprojekt Pflege: Ist der Tarifvertrag der richtige Weg?

Mit einem „Pflegelöhneverbesserungsgesetz“ sorgt Arbeitsminister Hubertus Heil für Unruhe in der Branche. Sein Ziel: ein bundesweiter Tarifvertrag. Private und kirchliche Arbeitgeber sind skeptisch – ebenso wie Juristen…

>> zum Bericht der Ärzte Zeitung

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