BGH-Urteil: Deutsche Heime müssen eingeschränkte Bewohner schützen

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Eine geistig behinderte Frau (49) lässt ein Bad ein und verbrüht sich am zu heißen Wasser aus dem Hahn. Hätten die Mitarbeiter im Heim besser aufpassen müssen? Darüber hat nun der deutsche Bundesgerichtshof entschieden.

Sie wollte ein Bad nehmen und leidet bis heute unter den Folgen: Nach schlimmen Verbrühungen streitet eine geistig behinderte Frau jetzt vor dem BGH um Schmerzensgeld von ihrem Wohnheim. Eine Betreuerin hatte ihr im April 2013 erlaubt – wie schon häufiger – selbstständig zu baden. Dabei kam aus dem Hahn so heißes Wasser, dass sie schwerste Verbrühungen an den Füßen und Unterschenkeln erlitt.

Wegen ihrer Behinderung konnte sich die Frau nicht selbst aus der Situation befreien. Ein anderer Heimbewohner hörte ihre Schreie, ließ das Wasser ab und rief eine Pflegekraft zu Hilfe. Sie erhielt mehrere Hauttransplantationen und infizierte sich dabei mit einem multiresistenten Keim. Die Frau ist nun auf einen Rollstuhl angewiesen. Auch ihr psychischer Zustand hat sich verschlechtert. Sie fordert deshalb mindestens 50.000 Euro Schmerzensgeld und eine monatliche Rente von 300 Euro.

Die Richter hatten nun zu kären, ob die Einrichtung in Bremerhaven Schutzpflichten verletzt hat. Eine DIN-Norm von 2005 empfiehlt an Entnahmestellen in sensiblen Bereichen – unter anderen Pflegeheimen und Kindertagesstätten –, die maximale Wassertemperatur auf 43 Grad zu begrenzen. Die maximale Auslauftemperatur für Duschanlagen sollte dort maximal 38 Grad betragen.

Nach Ansicht des Landgerichts und des Oberlandesgerichts in Bremen ist das aber eben nur eine Empfehlung. Das Haus ist außerdem schon viel älter. Die Mitarbeiter hätten die Frau auch nicht beaufsichtigen oder die Wassertemperatur kontrollieren müssen. Sie habe bis dahin immer allein geduscht und gebadet ohne irgendwelche Probleme. Die Klage der Frau, die rechtlich von ihrer Mutter vertreten wird, hatte deshalb bis jetzt keinen Erfolg. Dagegen wehrt sie sich nun in letzter Instanz in Karlsruhe.

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BGH: Heim hat Pflichten verletzt

Der BGH urteilte jetzt (Az. III ZR 113/18): Der Heimträger habe die Pflicht, die ihm anvertrauten Bewohner vor Gefahren zu schützen, die sie „aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen“ nicht beherrschen können. Dazu gehöre auch der Schutz vor Verbrühungen im Bad. Hier habe sich das Heim nicht an die Empfehlungen der geltenden DIN-Normen gehalten, die eine Wassertemperatur von höchstens 43 Grad Celsius vorsehen. Alternativ hätte auch eine Betreuerin das Baden beaufsichtigen können. Das Oberlandesgericht muss für einen Schadenersatzanspruch nun die Schutzbedürftigkeit der Klägerin prüfen. (fl/dpa)

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