Heftige Debatte in Deutschland: Leiharbeit in der Pflege – Verbot oder Chance?

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Wird Leiharbeit in der Pflege in Deutschland verboten? Seit Berlins Gesundheitssenatorin eine Initiative in diese Richtung angekündigt hat und BGM Jens Spahn eine Refinanzierung von Leihfachkräften öffentlich in Frage gestellt hat, gehen in der Pflegebranche – obwohl erst einige tausend Pflegende betroffen sind – die Wogen hoch. 

„Buy and lease back“: Kliniken und Pflegeheime kritisieren zunehmend die angeblichen Abwerbestrategien der Personal-Leasingfirmen. Diese würden mit höheren Löhnen und attraktiveren Konditionen wie Arbeiten ohne Nacht- und Wochenenddienste die Pflegekräfte anwerben und dann gegen einen Vermittlungsaufschlag an die Heime und Krankenhäuser zurückvermitteln. Dadurch leide die Pflegequalität, wird behauptet.

Scharfe Kritik an diesem Vorstoß folgte auf dem Fuß: Die geplante Bundesratsinitiative sei europa- und verfassungsrechtlich „mehr als bedenklich“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister, Thomas Hetz. Mit einem Verbot der Zeitarbeit in der Pflege würde der Pflegenotstand nur noch weiter verschärft – denn die Zeitarbeit sorge dafür, dass Pflegekräfte in ihrem Beruf weiterhin tätig bleiben können und wollen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn plant, dass durch Leasingkräfte anfallende höhere Kosten ab 2020 nicht refinanziert werden sollen. Bekanntlich werden die Pflegegehälter ab 2020 nicht mehr aus den DRG-Fallpauschalen der Krankenhäuser finanziert, sondern – gemäß dem Pflegepersonalstärkungsgesetz – von den Kassen refinanziert.Noch ist das Thema des Personal-Leasings – in anderen Wirtschaftszweigen gang und gäbe – im Pflegebereich allerdings überschaubar: Laut Bundesagentur für Arbeit sind rund 12.000 Pflegekräfte (2 %) in der Altenpflege als Leiharbeitnehmer*innen unterwegs.

Wir laden unsere Leser*innen ein – machen Sie sich selbst ein Bild:

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Vor- und Nachteile aus Sicht der Krankenhäuser:

+ Überbrücken kurzfristiger Personalengpässe (z.B. Grippezeit,…)

+ Vermeidung von (teuren) Leerbetten bis hin zu zwingenden Stationsschließungen wegen Personalmangels

+ Keine zusätzlichen, versteckten Kosten (Krankenstände, Urlaube, Fortbildungszeiten, sonstige Zeiten wie Elternzeit, Pflegekarenz,…)

– höhere Leasingkosten gegenüber den Normallöhnen der Stammbelegschaft

– drohender Wegfall der Refinanzierung der Mehrkosten durch die Krankenkassen

– Einarbeitung wechselnder Leasingkräfte durch die bestehenden Pflegeteams

– Mangelhafte Seriosität und Verlässlichkeit mancher Leasingfirmen

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Vor- und Nachteile aus Sicht der betroffenen Leasing-Pflegekräfte:

+ Feste Anstellung beim Personal-Leasingunternehmen

+ Vertraglich vereinbarte Dienstzeiten, auf Wunsch auch ohne Nacht- oder Wochenenddienste

+ Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

+ Höhere Entlohnung als in vergleichbaren Dienstverhältnissen im KH

+ Verbleiben im Pflegeberuf weiterhin möglich (andernfalls Berufsausstieg)

– Hohe zeitliche und örtliche Mobilität erforderlich, da wechselnde Auftraggeber

– Einarbeitung in ständig wechselnden Settings erforderlich

– Schwierige Integration in Stammpflegeteams vor Ort

Dazu einige Stimmen von betroffenen Leasing-Pflegekräften auf ´facebook´:

„Es wird diskutiert, ob man Personal-Leasing in der Pflege verbieten sollte? Verbieten wir doch mal schnell etwas, das in diesem Beruf ein gutes Gehalt möglich macht. Personalleasing in der Pflege ist keine Ursache, sie ist ein Symptom und die ignoranten Politiker sind die Symptomdesigner gewesen. Der Pflegenotstand wurde über Jahrzehnte lang heraufprovoziert. Die Gehälter, die geboten werden, sind ein Hohn.“

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Wenn Zeitarbeit verboten würde, würde ich sofort aufhören in der Pflege zu arbeiten. ..Ich bin richtig glücklich als Leasing-Pflegefachkraft. ..Zeitarbeit das beste, was es gibt. Arbeite seit 5 Jahren als Leasing-Fachkraft und bin sehr glücklich dabei!“

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Nie wieder etwas Anderes. Ich bin sooooo unglaublich zufrieden in der Zeitarbeitsfirma. Bessere Bezahlung – kein Druck – super Arbeitsplanung – und kein Zickenkrieg…“

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„Ein Leasingverbot würde viele Existenzen zerstören und viele würden aus der Pflege raus gehen….

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Wir arbeiten seit einem Jahr ohne Leihpflegekräfte. Leider – denn so müssen wir den Personalnotstand selbst irgendwie auffangen…“

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Ich bin 100% zufrieden bei der Zeitarbeit. Wenn es verboten würde dann sage ich tschüß Pflege.

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Man sollte verbieten, normale Stellen mit Leiharbeitskräften zu besetzen. Wenn eine Einrichtung es nicht schafft, offene Stellen dauerhaft zu besetzen, muss sie halt das Angebot reduzieren oder eben schließen.“

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„Als Stationsleitung bin froh, dass es KollegImmem gibt, die gerne im Personal-Leasing arbeiten. Sie haben uns schon öfters den A.. gerettet. Habe mich mit den Leihpflegekräften unterhalten und bin doch sehr überrascht, dass viele das gerne machen. Aber nun kann ich es verstehen. Ein Verbot der Leiharbeit finde ich nicht hilfreich.“

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„Mein Job als Leihpflegekraft hat mich die ganzen Jahre im Beruf gehalten. Ohne ihn wäre ich schon lange aus der Pflege draußen.“

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„.. NIEMALS werden ich oder meine Kolleginnen und Kollegen wieder zurück in die Festanstellung gehen. Denn wer den Duft der Freiheit gerochen hat, lässt sich nicht wieder in schlechten Arbeitsbedingungen einschränken. Der geringe Prozentsatz an guten Arbeitgebern, der die Zeichen der Zeit verstanden hat, wird auch zukünftig kaum Probleme mit ausreichend festangestelltem Personal haben.“

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Schuften muss man überall und auch in der Leiharbeit wird einem nichts geschenkt – aber man wird als Mensch gesehen und nicht als Maschine. Doof ist nur, dass man bei Teamsitzungen immer aussen vor bleibt. ´Bleib du mal auf Klingel draussen, du gehörst ja nicht zum Team´ – das hab ich oft genug erlebt. Infos waren auch Luxus.

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Sollte das Personal-Leasing in der Pflege tatsächlich verboten werden, werde ich als festangestellte Pflegefachkraft meine letzten Monate bis zur Rente zu Hause bleiben. Somit fehlen dann schon mal 155 Stunden im Monat, die (von Leihkräften) überbrückt werden müssen, da sonst kein Personal da ist. Und ich bin mir sicher, das ich nicht die einzige bin, die so denkt.“

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„Wenn Personal-Leasing verboten wird, geht es der Pflege besser, weil die Qualität dieser Mitarbeiter*innen oft zu wünschen übrig lässt.“

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„Wenn die Zeitarbeit in der Pflege von den „schwarze Schafe-Dienstleistern“ befreit würde, wäre sie wieder „seriös“ und es gäbe deutlich weniger Kritik seitens der Politik.“

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„Ich bin seit 36 Jahren in der Intensivpflege tätig. Seit fünf Jahren bin ich in der Zeitarbeit und arbeite 4 – 18 Monate in verschiedenen Kliniken auf Intensivstationen. Ich verstehe die Kritik von BGM Jens Spahn an der Zeitarbeit überhaupt nicht. Ich habe bisher noch keinen Kollegen erlebt, der sich seine Dienste selbst raussucht. Im Gegenteil, wir arbeiten so, dass alle Dienste abgedeckt sind, also bei Bedarf auch an Wochenenden und im Nachtdienst.
Sicherlich ist es richtig, dass wir besser verdienen, aber wir sind auch tage- und manchmal wochenlang von unseren Familien getrennt. Das bedeutet leider auch viel höhere Kosten. Außerdem lernen unsere jüngeren Kollegen erheblich mehr, wenn sie viele verschiedene Stationen sehen, als wenn sie nur auf einer einzigen Station im Einsatz sind.

Sie glauben doch etwa nicht, dass die KollegInnen aus der Zeitarbeit wieder in die Festanstellung gehen? Nein, entweder steigen sie ganz aus der Pflege aus, oder gehen ins benachbarte Ausland. Denn wenn wir die ZeitarbeiterInnen auch noch vergraulen, haben Sie (Spahn) in kürzester Zeit ein riesengroßes Problem.“

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