Pflegekammer Niedersachsen: Künftig aus Steuern finanziert – Selbstbestimmung, adieu?

lohn

Die Selbstbestimmung der Berufsgruppe endet bereits, bevor sie begonnen hat: Der niedersächsische Landtag hat am 26. November 2019 beschlossen, die bereits geleisteten Kammerbeiträge an die rund 60.000 Pflichtmitglieder der Landespflegekammer zurückzuzahlen und in Höhe von 6 Mio. Euro jährlich künftig aus dem Steuertopf zu finanzieren. Diese (Beitrags-)Freiheit ist aber trügerisch – denn jetzt hängen die Pflegenden am finanziellen Tropf der Politik. Unabhängigkeit sieht anders aus…

In Bayern gehen die Uhren völlig anders – zum Nachteil der Pflegenden

Wie sieht es vergleichsweise in anderen Bundesländern aus? Das Bayerische Modell hat mit einer Pflegekammer gar nichts zu tun – denn in der dort installierten „Vereinigung der Pflegenden in Bayern“ (auch eine Körperschaft öffentlichen Rechts) sind auch die Arbeitgeberverbände mit Sitz und Stimme vertreten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig – so verwundert es nicht, dass bislang erst rund 1.000 examinierte Pflegekräfte beigetreten sind. Die Pflichtmitgliedschaft aller beruflich Pflegenden wäre aber für eine Pflegekammer (ohne Arbeitgeber) Voraussetzung, um den Status „Kammer“ zu erhalten und eine unabhängige, selbstbestimmte Berufsvertretung aller Pflegenden zu bilden.

Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und (bald) in NRW

Die Landespflegekammer in Schleswig-Holstein sieht die Steuerfinanzierung kritisch. Eine Pflegekammer könne „langfristig nur dann eine starke und eigenständige Vertretung der Pflegefachpersonen sein, wenn sie auch Haushaltssouveränität besitzt,“ heißt es in einer Aussendung. Das Aufgabenspektrum und der Handlungsspielraum der Kammer dürfe in keiner Weise eingeschränkt werden. Eine zeitlich befristete Anschubfinanzierung sei zwar richtig – eine dauerhafte staatliche Finanzierung dagegen ginge mit einer Abhängigkeit und dem Verlust der Souveränität für die Pflegekammer einher – und das gehe mit einer unabhängigen Interessenvertretung nicht zusammen.

Politik dürfe sich Intereessenvertretung nicht erkaufen, warnt auch Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz: „Eine nachhaltige Beitragsfinanzierung aus öffentlichen Mitteln nach Gutdünken der verantwortlichen Politiker ist zwingend zu vermeiden! Ansonsten werden die beruflich Pflegenden künftig in Niedersachsen mit einer Stimme sprechen müssen, die ihre Interessen nicht wiedergibt. Die Anschubfinanzierung darf nicht bedeuten, dass sich die Politik eben mal die Interessenvertretung der professionell Pflegenden in einem Bundesland erkauft. Die Idee der Unabhängigkeit wird damit begraben, die politischen Entscheidungsträger stellen wie zuvor ihre Interessen über die der Berufsgruppe der Pflegenden.“

Auch in Nordrhein-Westfalen – wo der Entwurf zum Pflegekammergesetz derzeit bereits dem Landtag zur Diskussion und Beschlussfassung vorliegt –  ist zwar eine notwendige (und sinnvolle) Anschubfinanzierung zur Kammergründung vorgesehen, nicht jedoch eine dauerhafte Finanzierung aus dem Steuertopf.

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