Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz hat die erste Berufsordnung für Pflegefachpersonen – die gemeinsam von deren Mitgliedern erarbeitet wurde – mit 01. Januar 2020 in Geltung gesetzt.
Die verbindenden Richtlinien für die Pflegeprofession würden allen rund 40.000 Berufsangehörigen Orientierung bei der Arbeit geben, um selbstständiger und eigenverantwortlicher zu entscheiden, lautet die damit verbundene Kernbotschaft der Kammer. Somit hätten erstmals Pflegefachpersonen ihr Berufsbild verbindlich selbst definiert und stünden mit den anderen Heilberufen gleich. Die Berufsordnung behandelt pflegerische Alltagsthemen wie Dokumentation, Qualitätssicherung, Honorierung der Arbeitsleistung (Cave: Kein Tarifpartner bei Lohnverhandlungen!) oder den Umgang mit sozialen Medien. Insbesondere enthält sie jedoch u.a. verbindliche Regelungen zu den allgemeinen Berufspflichten, den Anforderungen an die Berufsausübung, den Formen der Berufsausübung und den dabei einzuhaltenden Gesetzen.
Heftge Kritik der Gewerkschaft
Die Gewerkschaft Ver.di hat die Berufsordnung in einer ausführlichen >Stellungnahme scharf kritisiert: „Verdi lehnt die Berufsordnung der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz ab und verlangt eine Neufassung unter Einbeziehung möglichst vieler Pflegekräfte im Land.“ Die Kernpunkte der Kritik sind:
- Die BO stelle einen Rückschritt im Prozess der Professionalisierung dar, weil hier ein rückwärts gewandtes Verständnis pflegerischer Arbeit vermittelt wird.
- Wenn die BO einen Schutz vor unsachgemäßer Pflege bewirken soll, dann müssten zuerst die Rahmenbedingungen entsprechend sein. Das bedeutet in erster Line mehr Personal und Zeit.
- Anstatt die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, verpflichtet die BO die Pflegekräfte. An den Rahmenbedingungen werde nichts geändert. Damit würde der Druck auf die Beschäftigten weiter erhöht anstatt die Verantwortung dorthin zu geben, wohin sie gehöre: Zu den Arbeitgebern und der Politik. Zum Teil werden gar Aufgaben der Arbeitgeber auf abhängig Beschäftigte übertragen. Eine stärkere Differenzierung von Vorschriften für selbstständig Tätige und abhängig Beschäftigte wäre nötig, so Ver.di weiter.
- Die vorliegende Berufsordnung stelle eine Bevormundung und einen starken Eingriff in das individuelle Verhalten von Pflegekräften dar und berge die Gefahr der unkontrollierten Disziplinierung, argwöhnt die Gewerkschaft.
>> zur neuen Berufsordnung (RLP)
Kommentar
Dass ausgerechnet zwei Vertretungen der Arbeitnehmer*innen – Kammer und Gewerkschaft – sich öffentlich zanken, wirft kein gutes Licht auf die Profession Pflege. Vielmehr schwächen solche Auftritte die Pflege insgesamt und sorgen für einen lachenden Dritten.
Die Gewerkschaft wäre gut beraten, sich um ihre Hauptaufgabe als Tarifpartner mit der mächtigen Arbeitgeber-Lobby um bessere Löhne und Arbeitsbedigungen zu streiten – das würde auf Wohlwollen sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei jener großen Mehrzahl der Pflegenden stoßen, die keine (freiwilligen) Gewerkschaftsmitglieder sind. Wer seine eigenen Hausaufgaben mehr recht als schlecht erledigt, riskiert die Glaubwürdigkeit seiner Kritik an Anderen. Denn diese wird rasch als Ablenkungsmanöver von den eigenen Schwächen durchschaut.
Erich M. Hofer