Neue Personalbemessung in Pflegeheimen: Löst verstärkte Delegation an Assistenzkräfte wirklich das Problem?

Folgt man dem im Auftrag des BMG erstellten aktuellen Gutachten der Universität Bremen, sind dem darin vorgeschlagenen Personalschlüssel entsprechend mehr als 100.000 zusätzliche Pflegekräfte – vor allem Assistenzkräfte – erforderlich, um die hohe Arbeitsbelastung zu senken und eine angemessene Betreuung zu gewährleisten.

Rothgang - PWiss - Bremen

Demnach müsste die Zahl der Pflegenden von 320.000 auf 440.000 (+ 36 %) erhöht werden, die Mehrkosten würden  jährlich rund 4 Mrd. Euro betragen. Der Pflegewissenschaftler Prof. Heinz Rothgang, (re.) schlägt in dem Gutachten – dessen Endbericht im Juni erwartet wird – vor, dass künftig eine Pflegefachperson durchschnittlich 1,8 Pflegebedürftige (derzeit: 1 zu 2,5) betreuen soll.

Mehr Aufgaben für Assistenzpersonal – die Lösung des Mangelproblems?

Das neue Personalbemessungsinstrument für die stationäre Langzeitpflege sieht u. a. vor, den Personalmangel mit einer anderen Aufteilung von Aufgaben und mehr Fachlichkeit für alle Beteiligten zu begegnen. Genau das aber bezweifelt der Deutsche Pflegerat: Eine Personalbemessung ausschliesslich auf Basis einzelner Tätigkeiten greife zu kurz. Mit Sorge sehe der DPR die vorgeschlagene „gravierende Neuverteilung zwischen Pflegefachpersonen und Assistenzkräften“. Die Aufgaben von Pflegefachpersonen primär auf Steuerungs- und Prüfungsaufgaben zu reduzieren und die Pflege vorwiegend von Assistenzpersonal ausführen zu lassen, verfehlten laut DPR das Ziel einer besseren Pflege. Diese könne nicht ausschliesslich an Assistenzpersonal delegiert werden.

Zeit für umfangreiche Diskussionen gebe es nicht mehr und obwohl die berechnete Zahl von Pflegenden aktuell nicht vorhanden sei, müsse jetzt eine gestufte, rasche und bundesweit einheitliche Einführung des Personalbemessungsverfahrens erfolgen. Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe sieht die Zuweisung wesentlicher pflegerischer Tätigkeiten an Assistenzpersonal „äußerst kritisch“. Das Tool erscheine auf den ersten Blick praktikabel und plausibel – „bei näherer Betrachtung zeigt es allerdings Merkmale, die zur Lizenz für riskante Pflege werden könnte“.

image_pdfimage_print