Handlungsempfehlungen: Schutz vor Infektion und vor sozialer Isolation

Das Gesundheitsministerium NRW hat jetzt Handlungsempfehlungen zum Schutz vor Infektion und vor sozialer Isolation von Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Teilhabebeeinträchtigungen in einer Exit-Strategie‘ veröffentlicht.

Diese wurden unter der Leitung von  Dr. Markus Zimmermann, Professor für pflegerische Versorgungsforschung an der Hochschule für Gesundheit in Bochum, von einer interdisziplinären Expert*innengruppe erarbeitet..  Diese betonte, dass eine fortgesetzte Kontaktsperre bei pflegebedürftigen Menschen sowie Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung unter Umständen zu einem größeren Schaden führen könne, als es das Risiko einer COVID-19-Infektion mit sich bringe. Abhängig von der Möglichkeit der kognitiven Verarbeitung oder der Situation der Menschen könne das Ausbleiben von Besuchen Apathie, Depressionen und Suizidgedanken entstehen oder zunehmen lassen.

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Aus medizinisch-infektiologischer, aus epidemiologischer, rechtlicher, pflege- und rehabilitationswissenschaftlicher, ethischer und ökonomischer Perspektive sowohl der Wissenschaft als auch der am Versorgungsgeschehen Beteiligten wird in dem Papier die Frage geprüft, ob und unter welchen Bedingungen soziale Kontakte mit An- und Zugehörigen während der anhaltenden COVID-19-Epidemie ermöglicht werden könnten, um damit eine soziale Isolierung der Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Teilhabebeeinträchtigung aufzuheben oder zu kompensieren.

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Totale Besuchssperre in Heimen „nicht zu verantworten“

Zunächst seien die Empfehlungen für Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und für den öffentlichen Gesundheitsdienst des Robert Koch-Instituts (RKI) zu erfüllen, die verhindern sollen, dass Coronaviren in die Einrichtungen hineingetragen werden. „Schon jetzt können die Einrichtungsleitungen ja laut der gültigen Coronaschutzverordnung Besuche innerhalb der Wohnbereiche in Ausnahmen unter Schutzmaßnahmen und nach Hygieneunterweisung zulassen, wenn es rechtlich erforderlich, medizinisch oder ethisch-sozial geboten ist“, erklärte Markus Zimmermann und fügte hinzu, dass „das Ausbleiben der Besuche und Kontakte mit elementaren Bezugspersonen in manchen Fällen nicht zu verantworten ist“.

Die Expert*innen weisen darauf hin, dass die Ausstattung mit Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung sowie die Ausbildung in der Anwendung von Schutzmaßnahmen in vielen Einrichtungen begrenzt ist. Diese bestehenden Defizite müssten „so rasch als möglich ausgeglichen werden“. Zudem benötige die Umsetzung der RKI-Empfehlungen die Schulung von Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen.

Die Corona-Pandemie habe zu einer sozialen Isolierung von Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Teilhabebeeinträchtigung geführt, heißt es in dem Gutachten. Diese sozialen Kontakte seien jedoch für ältere und pflegebedürftige Menschen, für Menschen mit chronischen Krankheiten oder Beeinträchtigungen existenziell. Vielfach seien soziale Kontakte der zentrale Lebensinhalt im Tagesablauf der Bewohner*innen. Daher müssten Überlegungen angestellt werden, wie nach Beendigung von allgemeinen Kontaktsperren in der Bevölkerung trotz des erhöhten Infektionsrisikos und des Risikos von schwierigen Verläufen im Falle einer Erkrankung Kontakte ermöglicht werden können.

Die Expert*innen weisen darauf hin, dass Menschen, die in sozialen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen leben, bislang deutlich seltener Zugang zu digitalen Medien und deshalb weniger Möglichkeiten haben, ihre sozialen Kontakte virtuell zu pflegen.

Laut Empfehlung müssen für die Bewohner*innen soziale Kontakte von außen und auch nach außen mit den notwendigen Vorkehrungen der Hygiene und geeigneter Schutzvorkehrungen ermöglicht und deshalb die rechtlichen Grundlagen entsprechend angepasst werden. Zentrale Voraussetzung für ein gesteuertes Besuchsrecht ist ein differenziertes und transparentes Kommunikations- und Informationsmanagement in den Einrichtungen unter Mitwirkung der Bewohnerbeiräte. Zum Schutz der Pflegenden und Betreuer*innen sowie zum Schutz der Mitbewohner*innen müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Vorgaben des Infektionsschutzes gewahrt werden.

Besuche von außerhalb können laut Empfehlung in den Außenanlagen der Einrichtungen oder speziellen Besuchsräumen mit geringerem Risiko organisiert werden. Vorstellbar sind abtrennbare Areale oder abgegrenzte Einheiten wie beispielsweise Lauben oder temporäre Besuchshäuser, -container oder eigens errichtete Zelte.

Beruflich Pflegende und pflegende An- und Zugehörige müssen sich und die pflegebedürftige Person bei der Versorgung entsprechend schützen können. Zimmermann: „Dafür werden ausreichend Schutzmaterialien wie Einmalhandschuhe, Mund-Nasenschutz und Einmalkittel benötigt. Auch für Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, empfehlen wir einen bevorzugten Zugang zu Mund-Nasenschutzmasken oder höherwertigen Schutzmasken.“

Aus Sicht der Expert*innen sollte es eine zentrale Notrufnummer geben, damit in Notfällen der Rettungsdienst die Verantwortung für die weitere Versorgung von pflegebedürftigen Personen übernehmen könne, sobald die Pflege- oder Betreuungsperson an COVID-19 erkrankt. Es sollten zudem lokale Pools mit erfahrenen Pflegepersonen aufgebaut werden, die als Freiwillige in Notsituationen zur Verfügung stehen und kurzfristig eingesetzt werden können. „Die Koordination und Notfallnummer könnte zum Beispiel bei der Pflege- und Wohnberatung der Kommunen oder der Kreise verankert werden“, erklärte Zimmermann.

Als besondere Regelung führt das Papier den Ratschlag auf, dass vorhandene Patientenverfügungen im Hinblick auf den Wunsch nach intensivmedizinischer Behandlung geprüft werden sollten. Im Falle fehlender Patientenverfügungen sollten Bewohner*innen und Betreuer*innen darauf angesprochen werden.

>> zu den Handlungsempfehlungen

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