Zwischen Beziehungsarbeit und Hightech-Medizin: An Digitalisierung der Pflege führt kein Weg vorbei

Trotz der günstigen Arbeitsmarktaussichten ist der Pflegebereich sehr stark vom Fachkräftemangel und ungünstigen Arbeitsbedingungen betroffen. Abhilfe und Entlastung könnte ausgerechnet die Digitalisierung schaffen. Doch es fehlt – trotz reger Nachfrage – an Unterstützung bei der Implementierung in Ausbildung und Praxis.

Der Pflegebereich zählt zu einer der am stärksten wachsenden Branchen in den westlichen Industrienationen. Eine Kombination aus tendenziell steigendem Leistungsanspruch in Pflegeversicherungssystemen, ansteigender durchschnittlicher Lebenserwartung und das Aufkommen der Kleinfamilie als die am weitesten verbreitete Lebensform tragen dazu bei, dass immer mehr alte Personen professionell betreut und versorgt werden. Trotz der günstigen Arbeitsmarktaussichten ist der Pflegebereich sehr stark vom Fachkräftemangel betroffen. Ausschlaggebend dafür sind die Arbeitsbedingungen und das Image der Branche. Abhilfe könnte ausgerechnet die Digitalisierung schaffen.

Digitalisierung Pflege

Der Pflegebereich liegt an der Schnittstelle von menschlicher Beziehungsarbeit und Hightech-Medizin. Dementsprechend vielfältig ist die Bandbreite der möglichen Einsatzfelder digitaler Hilfsmittel: Durch PCs, Anwendungen oder Roboter lassen sich etwa das Medikamentenmanagement und die Dienstplangestaltung erleichtern. Auch eine Optimierung von Dokumentation und Routenplanung für ambulante Dienste ist denkbar. Nicht zuletzt können Pflegekräfte bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten entlastet werden. Mithilfe von VR-Brillen lassen sich schließlich Praxisinhalte in der Pflegeausbildung simulieren, was Ausbildungseinrichtungen stärkt und die Motivation bei Lernenden erhöht.

Erstaunlicherweise sind technische Lösungen dennoch bisher kaum im Pflegealltag angekommen. Dabei befürwortet laut ZQP-Pflegereport 2019 eine deutliche Mehrheit der zu Pflegenden und der pflegenden Angehörigen den Einsatz digitaler Assistenzsysteme. Auch auf Seiten der Auszubildenden in Pflegeberufen ist eine Bereitschaft zur Nutzung gegeben: Eine Erhebung des Skills Lab-Projekts FORMAT der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ergibt, dass zwei Drittel der Befragten ihre Aufgeschlossenheit zu Technologie als hoch einschätzen. Ein ebenso hoher Anteil der Befragten gibt aber auch an, dass das eigene Wissen diesbezüglich niedrig ist. Der Aussage, dass Schulungen zum bedarfsgerechten Einsatz technischer Lösungen fehlen, stimmen 71,8 Prozent der Auszubildenden zu.

Bestätigt wird dieser Befund in einer Befragung des Bayerischen Roten Kreuzes. Demnach mangelt es den Pflegekräften nicht an einer Digitalisierungsaffinität, vielmehr wird die schwierige Orientierung im Themenfeld beklagt. Der Wunsch nach Beispielen, Beratung und Begleitung im Digitalisierungsprozess macht rund 81 Prozent der Bedarfsrückmeldungen aus den Pflegeeinrichtungen aus. Nicht unterschätzt werden dürfen schließlich die Sorgen und Bedenken des Personals. Nicht wenige Angestellte im Pflegebereich verbinden digitale Tools eher mit einem erhöhten Arbeitsaufwand. Immer wieder wird auch die Befürchtung geäußert, dass Roboter Arbeitsplätze ersetzen oder dass weniger affine Personen beim digitalen Wandel nicht mithalten können.

Digitale Krankenhausakte BB2017

Was ist also zu tun? An der stärkeren Digitalisierung der Pflege wird kein Weg vorbei führen. Es gilt aber, die Veränderungen aktiv zu gestalten. Einrichtungen und Personal sollten damit nicht allein gelassen werden. Sie benötigen Unterstützung bei der Identifizierung geeigneter Instrumente und beim Aufbau der notwendigen Kompetenzen. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg können sich Pflegeanbieter dafür ab sofort an die jeweiligen digitalen Zukunftszentren wenden. Die vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) geleiteten Einrichtungen agieren an den virulenten Stellen mit einem kombinierten Angebot aus Beratung zu Personal- und Organisationsentwicklung, Bündelung von Förderangeboten sowie der Qualifizierung von Digitalisierungspromotor*innen. Auch das Erproben hybrider Lehr-Lernkonzepte gehört zum Portfolio. Dabei ersetzen diese Angebote die fachlich notwendigen Weiterbildungen nicht. Ihr Ziel ist vielmehr die Öffnung der Zielgruppe und ihre Heranführung an neue Formate.

Quelle:  Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gGmbH

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