Wenn es um Pflege geht, geht es auch um Beziehung. Auf diesem Grundstein basiert das niederländische Pflegemodell Buurtzorg, das nun auch in Österreich Fuß fasst und erste Teams in Niederösterreich im Einsatz hat. Durch selbstorganisierende Teams gewinnt die mobile Hauskrankenpflege Flexibilität und Attraktivität für den Pflegeberuf zurück – bei gleichzeitiger Kosteneinsparung.
Pflege und Betreuung zählen in Österreich zu den größten sozialen Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten. Der Bedarf kann nur dann mit professioneller Arbeit abgedeckt werden, wenn es ausreichend – und vor allem zufriedene – Pflegekräfte gibt. Im Alltag dominieren jedoch oft Zeitdruck und Bürokratie bei gleichzeitigem Mangel an Anerkennung das Bild. Das Resultat sind überforderte und frustrierte Pflegende und ein großer Image-Schaden am Berufsbild, der die Abwärtsspirale an zur Verfügung stehenden Pflegekräften zusätzlich antreibt.
Das niederländische Pflegemodell Buurtzorg durchbricht diesen Negativ-Trend. Dessen Gründer Jos de Blok hat es sich zur Aufgabe gemacht, die ambulante Pflege flächendeckend zu revolutionieren – für Pflegebedürftige und Pflegekräfte. Nach dem Grundsatz „Gute Pflege braucht zufriedene Pflegekräfte“ soll der Pflege seine Ganzheitlichkeit wieder zurückgegeben werden. Indem die Pflegekräfte in kleinen Teams selbstbestimmt arbeiten, gewinnen sie mehr Flexibilität – und damit mehr Zeit für ihre Patient*innen. Das gelinge, indem man sich von festgefahrenen Strukturen verabschiede: „Die Überdokumentation und die ständigen Prozessdefinitionen liefern nicht die Lösung. Unsere Pflegekräfte brauchen kein System, das Pflege auf ein paar Handgriffe reduziert, und ihnen vorschreibt, wie viel Zeit sie für gewisse Handgriffe benötigen dürfen“, sagt Dr. Wolfgang Huber (re.). Das sei ineffizient und gehe an den Menschen vorbei. Huber brachte deshalb mit der Gründung von Buurtzorg Cura Communitas das niederländische Pflegekonzept nach Österreich. Genauer gesagt nach Niederösterreich, wo seit vergangenem Jahr ein Team aus diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen in Korneuburg im Einsatz ist.
Beziehung und Flexibilität anstelle von Überdokumentation
„Pflege bedeutet mehr als ein paar Handgriffe, sondern es ist auch die Fähigkeit, für den Menschen das zu tun, was er oder sie gerade braucht“, sagt DGKP Pia Haider (li.), diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin bei Buurtzorg Cura Communitas in Österreich.
Deshalb steht bei Buurtzorg der Beziehungsaufbau mit Klient*innen wesentlich im Vordergrund und ist einer der wichtigsten Unterschiede zu anderen Pflegemodellen. Dabei bezieht sich Buurtzorg auf die berühmte „Havard Longevity Study“, bei der über 700 Männer über 75 Jahre beobachtet wurden. Die Studie hat gezeigt, dass der einzige Faktor, der ein langes Leben ermöglicht, eine gute Beziehung ist. „Loneliness kills“ (Einsamkeit tötet), sagen die Studienautoren.
Buurtzorg hilft dem Gesundheitssystem sparen
Auf diesen Grundgedanken baut Buurtzorg auf – und ist damit in den Niederlanden und anderen EU-Ländern längst erfolgreich: Nachdem das Unternehmen 2007 mit vier Pflegpersonen in den Niederlanden startete, kümmerten sich 2018 bereits 10.000 diplomierte Pfleger*innen um 70.000 Patient*innen. Gleichzeitig bedeutete es eine Kosteneinsparung von 30 Prozent für das niederländische Gesundheitssystem. Zusätzlich wurde Buurtzorg in den Niederlanden seit 2011 vier Mal zum „attraktivsten Arbeitgeber“ gewählt. Das Unternehmen weist eine um 60% geringere Mitarbeiter-Fluktuation und eine um 33% geringere Krankenstandsrate auf als in herkömmlichen Pflegediensten.
Das Pflegemodell zeigt damit, dass dieser neue Zugang zur Pflege nicht nur kosteneffizient, sondern auch effektiv ist. Nicht Einzelleistungen werden verrechnet, sondern Betreuungszeit. Die Pflegebedürftigen bekommen das, was sie brauchen und nicht das, was ein angeordneter Plan fordert. „Österreich hat tolle Pflegekräfte und wir können ihnen vertrauen, dass sie das Richtige machen. Geben wir deshalb der Pflege doch endlich wieder die Pflege zurück!“, betont Dr. Huber. Und DGKP Pia Haider ergänzt: „Jeder Mensch ist einzigartig! Was er braucht, kann sich von Tag zu Tag sehr unterscheiden. Gebt der Pflege das Kommando. Und ihr werdet sehen, es ist effizienter, effektiver und menschlicher!“.
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Über Buurtzorg allgemein
Das niederländische Pflegemodell Buurtzorg („Nachbarschaftshilfe“) wurde 2006 von Jos de Blok in Almelo gegründet. In 45 Ländern wird bereits nach diesem Pflegekonzept gearbeitet.
Buurtzorg setzt auf selbstorganisierende Teams, die autonom und flexibel Entscheidungen treffen können. Auf Manager und Hierarchien wird verzichtet. Pfleger verrechnen die Betreuungszeit und nicht die einzelnen Leistungen, wodurch Zeit effizienter genutzt wird und die Klient*innen das bekommen, was sie wirklich brauchen.
Zu den Zusatzausbildungen der qualifizierten diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger zählen Palliativpflege, Kinästhetik und Wundmanagement.
Über Buurtzorg in Österreich
Mit einem ersten Buurtzorg-Team in Korneuburg fasst das niederländische Pflegemodell nach vielen anderen EU-Ländern (Deutschland, Frankreich, Schweden etc.) nun auch in Österreich Fuß. 2018 wurde Buurtzorg Cura Communitas (kurz: CuCo) vom Mediziner Wolfgang Huber als gemeinnützige GmbH in Österreich gegründet. CuCo kooperiert mit dem Roten Kreuz und der Cura Domo (24-Stunden-Betreuung). Das Team besteht, wie auch in den Niederlanden, nur aus diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen (© Milestones in Communication (2), Barbara Wirl ).
>> Mehr Informationen unter www.cuco.at