Holpriger Start endete jetzt im Umfrage-Desaster: Pflegekammer Niedersachsen vor dem Aus?

Öffentliche Grabenkämpfe von Befürwortern und Gegnern, vergessene Anschubfinanzierung, Ablösewirbel um die Präsidentin – die Pannenserie erreichte jetzt durch ein desaströses Umfrageergebnis ihren vorläufigen Höhepunkt: Von insgesamt rund 78.000 Pflegepersonen beteiligten sich nur 15.100 überhaupt daran, weshalb die Gegner (70,6 % in der Umfrage) leichtes Spiel hatten. Somit haben lediglich 13,7 % aller stimmberechtigten Pflegepersonen über eine Abschaffung der Selbstvertretung entschieden. Die Arbeitgeber jubeln…

Die Pflegekammer Niedersachsen werde aufgelöst, kündigte Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) am Montag nach Vorlage des für sie „politisch bindenden“ Umfrageergebnisses in Hannover an. Mit der harschen Kritik an der Politik der Landesregierung flammte jetzt der öffentliche Streit neuerlich auf – denn die breite Phalanx der Befürworter der Kammer sehen das Befragungsergebnis als nicht valide an: Sowohl die Pflegekammer selbst als auch die Bundespflegekammer, der Regionalverband Nordwest des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) und der Deutsche Pflegerat (DPR) rechnen vor, dass von den 15.100 Umfrage-Teilnehmenden 10.660 gegen den Fortbestand der Kammer gestimmt hätten. Dies entspreche 13,7 % der insgesamt rund 78.000 angeschriebenen Pflegenden. Aus diesem Ergebnis könne „kein Auftrag abgeleitet werden, die Pflegekammer infrage zu stellen“, warnt die Pflegekammer Niedersachsen in einer ersten Reaktion. Sie beruhe vielmehr auf einem gesetzlichen Auftrag, den der Landtag erteilt hat.

„Das ist kein Mandat für die Politik, über den Fortbestand der Pflegekammer Niedersachsen zu entscheiden“, kritisiert der Sprecher der Bundespflegekammer, Markus Mai. „Aus Sicht des Deutschen Pflegerates bietet das Befragungsergebnis keinerlei Legitimation, die Pflegekammer in ihrer Autonomie stark zu reduzieren oder gar abzuschaffen“, mahnt DPR-Präsident Franz Wagner. Von einem „Nicht-Ergebnis“ spricht der Vorsitzende des DBfK Nordwest, Martin Dichter.

Abschied-Trauer-Neubeginn

Als Ursache des negativen Votums gegen die Pflegekammer orten deren Befürworter politische Verfehlungen. So bezeichnet DPR-Präsident Wagner die bisherigen Pannen als „trauriges Beispiel eines Politikversagens ersten Grades“. Eine „tatkräftige und außenwirksame Unterstützung“ hätten Landesregierung und Gesundheitsministerin Reimann der Pflegekammer „von Anfang an verweigert“. Im Gegenteil habe sich die Ministerin frühzeitig „von der Kammer distanziert, anstatt diese zu stärken“.

Die politisch Verantwortlichen seien die „Totengräber des jungen Pflänzchens Pflegekammer“, die „politisch nicht wirklich gewollt“ und „weder finanziell noch ideell klar unterstützt worden sei, sagt Dichter (DBfK-Nordost). Sein Fazit: „Das ist nicht das Ergebnis einer Vollbefragung, sondern das Votum einer Minderheit der Pflegefachpersonen in Niedersachsen. Falls Frau Reimann daraus die Legitimation ableitet, die Kammer aufzulösen, halten wir das für einen Skandal.“

Kammerpräsidentin Klarmann: „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden!“

Die Kammerbefürworter „werden sich durch einen Rückschlag in Hannover nicht entmutigen lassen. Und vielleicht hat ja die nächste Landesregierung mehr Einsicht in den Nutzen einer Pflegekammer. Wie man es politisch deutlich besser machen kann, das hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gezeigt“, so Wagner. Kammer-Präsidentin Klarmann gibt sich kämpferisch. Sie fordert: „Das niedersächsische Gesundheitsministerium soll der Pflegekammer die notwendige Zeit geben, ihren gesetzlichen Auftrag weiter zu erfüllen. Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden! Die systemrelevante Berufsgruppe der Pflegekräfte braucht eine starke Stimme, die ihre berechtigten Interessen vertritt.“

Die Kammergegner hingegen befürworten das Aus der Pflegekammer in Niedersachsen. Von einem „unrühmlichen Ende eines politischen Schmierentheaters“, spricht der Vizepräsident des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP), Friedhelm Fiedler. Er bezeichnet das Ergebnis als „Debakel für die Pflegeministerin Carola Reimann“. Eindeutiger könne eine politische Niederlage kaum ausfallen. Es sei höchste Zeit, die Pflegekammer aufzulösen, die – so Fiedler – „eigentlich überflüssig wie ein Kropf“ sei.

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