Im Schatten der aufstrebenden institutionellen Spitzenmedizin hat sich das in der Nachkriegszeit so erfolgreiche Modell der „Gemeindeschwester“ mangels dauerhafter Finanzierung leider totgelaufen. Jetzt wird das Fehlen dieses niedrigschwelligen, lokalen Zugangs für hunderttausende pflegende Angehörige immer schmerzlicher spürbar. Stehen wir vor einer Renaissance der ´Community Health Nurses´? Die engagierte Pionierin Rosa Maria Eglseer (NÖ) berichtet.
Manche denken immer noch, dass Pflege nur Krankenpflege ist – doch das ist ein großer Irrtum: Im Tätigkeitprofil der Dipl. Gesundheits- und Krankenpfleger*in ist Gesundheit bereits seit dem neuen Berufsgesetz (GUKG) von 1997 ein zentraler Teil. Derzeit leben wir in Österreich – sowie im gesamten DACH-Raum – fast ausschließlich die Krankenpflege. International hat sich dagegen schon vor Jahrzehnten Gesundheitspflege, Vorsorge und Gesundheitsförderung etabliert. Nahezu 20 verschiedene Formen zählen zu den Public Health Nurses: Von der School Nurse über die Family Health Nurse bis hin zur Palliative Nurse reicht heute schon die spezialisierte Vielfalt des Pflegeberufs im Setting von Gemeinden.
Der Berufsverband ICN definiert Pflege folgendermaßen: „…Pflege umfasst die Förderung der Gesundheit, die Verhütung von Krankheit und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen“.
Warum hat sich nur Krankenpflege etabliert? Aus unzähligen Studien wissen wir, dass Gesundheitsförderung einen ROI (Return on Investment) von 1:3 bis 1:18 hat. Also jeder investierte Euro bis zu 18-fach zurückkommt. Wir stellen uns die Frage: Will man keine gesunden, selbstbestimmten Menschen?
Österreich hat eine lange Geschichte der „Gemeindeschwestern“
In der Nachkriegszeit begannen vielerorts die Gemeindeschwestern ihre Tätigkeit. Ihr Einsatz war geprägt von Krankenpflege. Aber nicht nur. Sie waren Sozialarbeiter*innen, Case- und Caremanager*innen mit dem Family Health-Ansatz. Studien und Projekte in den 1990er-Jahren zeigten deren Wirkung und Wichtigkeit.
Meist wurden diese Projekte von engagierten Politiker*innen vorangetrieben. Finanziert aus nationalen Mittel und EU-Fördertöpfen. Mit dem Nachteil, dass nach der Förderperiode die Finanzierung wieder fehlte. Oftmals die Projekte in sich zusammenfielen. Oder es wurde nur mehr das „Notwendigste“ finanziert – was übrig blieb war die Krankenpflege. Gesundheitspflege, Gesundheitsförderung und Familienberatung fielen dem Spargedanken zum Opfer.
Jetzt, nach mehr als 20 Jahren sehen wir, dass genau diese Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung fehlt. Dass sich eine Kultur der „Reparaturmedizin und Krankenpflege“ entwickelt hat – denn: Wenn der Zugang zu teurer (Spitzen-) Medizin kostenlos ist, werden die Patienten- und Finanzströme automatisch dorthin gelenkt. Selbstverantwortliche und gesundheitsbewusste Bürger*innen müssen ihre Gesundheitspflege, Vorsorgeplanung und Beratung selbst bezahlen. Und das ist ein Zustand, den wir Community Health Nurses nicht akzeptieren.
Wir bauen in „vitalen Gemeinden“ Gesundheitsplattformen auf
Nicht hierarchisch organisiert, sondern bürgerschaftlich. Gemeinsam mit den Bürger*innen entstehen so lebendige Gemeinschaften – die „vitalen Gemeinden“. Denn Gesundheit braucht ein Miteinander, ein Füreinander da sein. Es braucht eine Form der Generationenverbindung. Gesundheit passiert nur in einem sozialen Umfeld und in einer intakten Umwelt. Und das sind unsere zentralen Aufgaben in Gemeinden: Allen Bürger*innen die Möglichkeit auf einen kostenlosen Zugang zu Beratung und Vorsorge zu geben. 940.000 pflegende Angehörige warten schon jetzt auf Entlastung!
Ich höre Ihre Frage – wer bezahlt das?
Derzeit sind es engagierte Pioniere, Idealisten und engagierte Bürgermeister*innen die die Notwendigkeit erkannt haben. Unsere nächsten Finanzierungsschritte erfolgen über Schwarmfinanzierung – dem Crowdfunding. Die Kampagne starten wir im Jänner 2021. Damit soll eine regionale Onlineplattform für Vernetzung – eine „Gesundheits-Drehscheibe“ umgesetzt werden. Um die Vielzahl der regionalen Angebote von Gesundheitsdienstleistern, Medizin, Behörden, Vereinen und Initiativen in Gemeinden zu bündeln und zu vernetzen.
Wie können Sie sich einbringen?
Ist es auch Ihr Traum, in der Gesundheitspflege in Ihrer Gemeinde zu arbeiten? Dann bleiben Sie dran! Mehr erfahren Sie 14-tägig in dieser neuen Serie der LAZARUS Online-Pflegezeitschrift! Wenn Sie sich die Frage stellen, ob Sie die Voraussetzungen erfüllen, dann nehmen Sie einfach am > Quiz teil.
Oder möchten Sie persönliche Informationen? Melden Sie sich direkt bei Rosa Maria Eglseer für einen Gesprächstermin unter Tel. +43 664 840 54 58 oder per Mail an:
Zur Autorin:
DGKP Dr.in Rosa Maria Eglseer, MSc, ist seit 38 Jahren Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Sozial- und Lebensberaterin. Sie hat bereits mehr als 350 Gesundheitsförderungs- und Ausbildungsprojekte begleitet. Ihre Dissertation erfolgte 2016 zum Thema: „Bedarf von kommunaler Pflege und Betreuung“. Frau Eglseer ist selbstständige Sozialunternehmerin und Initiatorin von: > „Vitale Gemeinden mit Community Health Nurse„. Im Jahr 2018 erhielt sie den Constantinus-Award in der Kategorie Pro-Ethik und soziale Verantwortung und wurde im Jahr 2020 für den Social Business Award nominiert .
Ihre Passion ist ein NEUES Alt-werden: selbstbestimmt, aktiv und glücklich!
„Danke an Lazarus für Ihren Pioniergeist und Ihre freundliche Unterstützung!“
Alle Fotos: ©Vitale Gemeinde