Uni Witten/Herdecke: 25 Jahre Pflegewissenschaft in Deutschland

Als Erste in Deutschland gründete die Universität Witten/Herdecke – auf Initiative von Prof. Christel Bienstein – einen Studiengang für beruflich Pflegende: zum Sommersemester 1996. 

Es war Pionierarbeit, die mit der Gründung des Instituts für Pflegewissenschaft 1994 und dem neuen Studiengang zum Sommersemester 1996 geleistet wurde. Pionierarbeit, mit der die UW/H auf gravierende demografische Entwicklungen reagierte. Die Herausforderung, damals wie heute: Immer mehr Menschen werden immer älter, leiden an chronischen Krankheiten, brauchen qualifizierte Betreuung und Begleitung. Die Antwort: Forschung sowie Aus- und Weiterbildungsangebote, die den Bedürfnissen von kranken und alten Menschen sowie Menschen mit Behinderung gerecht werden – wobei beide Bereiche, Wissenschaft wie Praxis, Hand in Hand gehen.

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„Gute Pflege ist sehr viel mehr als Waschen und Verbandswechsel, sie erfordert Erfahrung, Wissen und Wissenschaft“, betont Prof. Dr. Margareta Halek (u.), Leiterin des Departments für Pflegewissenschaft an der UW/H. Menschen werden gebraucht, die nicht nur helfen wollen, sondern das auch können – Pflegende, die entsprechend qualifiziert sind, sich etwas zutrauen und gemäß ihren Fähigkeiten auch Verantwortung übernehmen dürfen: Diese Vision stand Pate bei der Akademisierung der Pflege vor 25 Jahren.

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Pionierleistung mit starker Wirkung

„Die Anfänge der Pflegewissenschaft waren allerdings etwas holprig“, erinnert sich Margareta Halek (li.). Entscheidend war aber erst einmal, dass es losging: „Der Aufbruch und die Möglichkeit für Pflegende, sich weiterzuentwickeln – das alles setzte sehr viel Energie frei.“ Initiatorin war Prof. Christel Bienstein. Sie leitete das Institut für Pflegewissenschaft von seiner Gründung im Jahr 1994 bis 2017.

Unter den ersten 28 Studierenden befand sich vor 25 Jahren (Bild u.) auch Prof. Dr. Sabine Metzing. Sie wirkte u.a. an einem der gesellschaftlich besonders relevanten Forschungsprojekte mit – ein Projekt, mit dem die UW/H ein bis dahin kaum beachtetes, tatsächlich aber sehr wichtiges Themenfeld in die Forschung gebracht hat: Die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen, die enormen Belastungen ausgesetzt sind, weil sie schwerkranke Angehörige pflegen.

Zudem war Sabine Metzing an der Konzeption des neuen Master-Studiengangs „Community Health Nursing (M. Sc.)“ beteiligt, der zum Wintersemester 2021/22 startet. Er bündelt Erfahrungen und Schlussfolgerungen der vergangenen Jahre, um gegenwärtigen wie zukünftigen Herausforderungen gerecht werden zu können. Die sind nach wie vor groß: Der Master-Studiengang reagiert darauf, dass sich in ländlichen Regionen immer weniger Ärztinnen und Ärzten niederlassen. Dazu kommen die Herausforderungen im Gesundheitssystem: demografischer Wandel, Zunahme an komplexen chronischen Krankheiten, steigende Zahl von Menschen mit langjährigem Pflegebedarf.

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„Ziel ist es, dass Pflegefachpersonen mit Zusatzqualifikation Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie Behinderung begleiten und medizinische Leistungen übernehmen können, die aktuell noch im ärztlichen Bereich liegen“, erklärt Sabine Metzing. Idealerweise werden Fachkräfte also mit hoher Entscheidungskompetenz ausgestattet: „Wir brauchen Pflegende, die auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten agieren können“, so bringt es die Wissenschaftlerin auf den Punkt.

Noch aber ist die Realität eine andere. „In Deutschland fehlen Strukturen und Akzeptanz für hochqualifizierte Pflegende: in ländlichen Regionen wie in Kliniken und Seniorenheimen“, sagt Margareta Halek. Fachkräftemangel sieht die UW/H-Leiterin der Pflegewissenschaft als eines der zentralen Probleme, ebenso mangelnde Wertschätzung und ein niedriges Gehaltsniveau: „Das alles sind Probleme eines überwiegend weiblichen Berufsstandes.“

Das 25-jährige Jubiläum der Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke hat diese beiden Seiten: Zum einen zeigt der Rückblick auf die Leistungen der vergangenen Jahre, wie viel sich getan hat und welche Impulse in Gesellschaft, Forschung und Pflegepraxis gegeben werden konnten. Ebenso sichtbar wird aber auch, wie viel Luft noch nach oben ist: Auf dem Weg zu einem Berufsbild, das der Pflegerealität ebenso gerecht wird wie den Potenzialen und Leistungen der Pflegenden.

Fotos: UW/H

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